7. März 2019

Kulturmanagerin Doris-Evelyn Zakel: "Das kulturelle Erbe meiner Vorfahren in Ehren halten"

Doris-Evelyn Zakel arbeitete als Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) 2012 in ihrer Heimatstadt Hermannstadt und 2013 in Budapest. Im Alter von fünf Jahren war sie mit ihren Eltern nach Deutschland ausgewandert und danach in Weil am Rhein aufgewachsen. Sie absolvierte ein Bachelorstudium Germanistik/Geschichte an der Uni Karlsruhe, machte den Doppelmaster Geschichte Mitteleuropas/Internationale Beziehungen an der Andràssy Gyula Universität in Budapest und studierte Unternehmenskommunikation in Köln. Die 36-Jährige arbeitet zurzeit als Crossmedia Managerin für ein Unternehmen im Bereich der Fotografie in Basel. Mit Siebenbürgen fühlt sie sich weiter tief verbunden. Im Interview mit SbZ-Chefredakteur Siegbert Bruss gibt sie Auskunft über ihr Restaurierungsvorhaben in Abtsdorf.
Im September 2018 haben Sie das Haus Ihrer Vorfahren in Abtsdorf bei Marktschelken gekauft. Welches waren Ihre Beweggründe?

Ich habe schon seit Jahren davon geträumt, etwas aus diesem Haus und dem wunderschönen Grundstück mit freiem Blick auf das Kokeltal zu machen. Inspiriert haben mich meine Urlaube in agrotouristischen Pensionen (z.B. in Italien und Portugal), da mich diese individuelle und authentische Form von Tourismus sehr begeistert.
Doris-Evelyn Zakel in der Guten Stube ihres ...
Doris-Evelyn Zakel in der Guten Stube ihres Hauses in Abtsdorf, neben dem Portrait des Großvaters. Fotos: Cornel Moșneag
Das Haus, das seit 2008 leer steht, befindet sich mittlerweile in einem sehr schlechten Zustand. Nicht weiter mitansehen zu müssen, wie es mehr und mehr verfällt, ist also einer der Beweggründe für mich gewesen, es zu kaufen. Obwohl ich meinen Großvater, der aus Abtsdorf stammte, nie kennengelernt habe, fühle ich mich dennoch dazu verpflichtet, dieses Haus zu erhalten. Ich habe großen Respekt davor, was meine Vorfahren in Siebenbürgen geleistet haben, und möchte das kulturelle Erbe, das sie mir hinterlassen haben, in Ehren halten. Ich hänge also auch emotional stark an dem Haus, in dem meine Großtante Anna, die von so vielen Menschen geschätzt und geliebt wurde, über 80 Jahre ihres Lebens verbracht hat. Um ihr ein Andenken zu setzen, habe ich das Haus „Casa Anna“ genannt. Von meiner ersten Idee zum agrotouristischen Gästehaus, bis hin zu dem Entschluss, meinen langgehegten Traum in die Tat umzusetzen, habe ich lange gewartet. Aber als ich vergangenen Juli, an einem warmen Sommertag durch die wunderschöne Landschaft Siebenbürgens fuhr, wurde mir plötzlich klar, dass ich es wagen müsste.

Welche Ziele haben Sie sich mit der „Casa Anna“ gesetzt?

Ich möchte das Haus gerne so ursprünglich wie möglich erhalten und nicht zuviel daran verändern. Mein mittelfristiges Ziel ist es daher, es auf Grundlage von Nachhaltigkeit, das heißt unter Anwendung von regionalen, naturbelassenen und gesunden Baustoffen zu restaurieren. In den sächsisch geprägten Dörfern kommen seit vielen Jahrhunderten Holz, Lehm oder Kalk beim Hausbau zum Einsatz und wie ich finde, verleihen diese Baustoffe den Häusern ihren charakteristischen Charme. Das soll auch bei Casa Anna weiterhin so bleiben. Wenn das Haus also fachgerecht restauriert und um eine kleine, aber feine Annehmlichkeit – ein Badezimmer – erweitert wurde, möchte ich in der nächsten Phase zwei weitere Zimmer anbauen. Diese sollen im selben Stil und im Einklang mit dem Rest des Hauses gebaut werden. Mein langfristiges Ziel ist es, das Casa Anna als agrotouristisches Gästehaus zu betreiben und den Besuchern Einblicke in die Geschichte und Vielfalt der siebenbürgisch-sächsischen Kultur zu gewähren.
Das Casa Anna, 1872 erbaut, soll bald wieder in ...
Das Casa Anna, 1872 erbaut, soll bald wieder in altem Glanz erstrahlen.
Auch das agrotouristische Konzept liegt für mich auf der Hand: Das Casa Anna befindet sich in dem sowohl kulturell als auch ökologisch reizvollen Kokeltal, das seit Jahrhunderten als die Weingegend Siebenbürgens bekannt ist. Auch meine Vorfahren haben Wein hergestellt. Auf dem großen Grundstück gibt es immer noch alte Weinreben und irgendwann möchte ich auch eigenes Gemüse anbauen, das dann auf den Frühstückstisch kommen soll.

Die Restaurierung des Hauses und danach die Betreibung als Gästehaus sind zeitaufwändige Vorhaben. Wie lassen sie sich mit Ihrem Beruf vereinbaren?

Ich verbringe momentan den größten Teil meiner freien Zeit in Siebenbürgen, um das Projekt voranzutreiben. Wann immer es geht, fliege ich für ein verlängertes Wochenende nach Hermannstadt (das sich nur 45 km von Abtsdorf befindet) und werde sowohl Ostern als auch meine Sommerferien dort verbringen. Aus der Distanz ist es nicht immer einfach, die Dinge vor Ort zu planen, aber mit ein wenig gutem Willen, Disziplin und Zeitmanagement geht es schon. Und ich habe das große Glück, dass mich mein Partner – ein Hermannstädter – beim Projekt sehr unterstützt.

Auf Ihrer Homepage casaanna.ro bitten Sie um Unterstützung. Welches sind die größten Herausforderungen bei der Restaurierung Ihres Hauses?

Nun, die Herausforderungen fangen schon bei der Suche nach einem geeigneten Architekten an, der sich mit der Restauration eines alten siebenbürgisch-sächsischen Hauses auskennt. Es gibt in Siebenbürgen nur ein paar wenige Fachmänner auf diesem Gebiet, die ihrer Tätigkeit zwar mit Leidenschaft nachgehen, aber entsprechend unter chronischem Zeitmangel leiden. Momentan liegt mein Fokus also auf der Suche nach einem spezialisierten Architekten. Neben dem Erstellen eines konkreten Projektplans geht es mir vor allem darum herauszufinden, was die Feuchtigkeit in den Außenwänden verursacht, die leider schon ein paar Risse am Haus verursacht hat.
Im Spiegel der Vergangenheit. Auch im Inneren von ...
Im Spiegel der Vergangenheit. Auch im Inneren von Casa Anna scheint die Zeit still zu stehen.
Dann kommen natürlich noch Herausforderungen praktischer Art auf mich zu: Wo verläuft die Kanalisation im Dorf? Wie stelle ich den Wasseranschluss für die Küche und das Badezimmer sicher? Funktioniert die Gasleitung noch? All das sind Dinge, mit denen sich jemand, der wie ich unter heutigen Standards aufgewachsen ist, nicht auseinandersetzen musste. Zum Glück habe ich durch das Projekt in der Zwischenzeit viele Kontakte zu anderen Siebenbürger Sachsen aus Abtsdorf knüpfen können, und es ist schön zu sehen, wie viel Hilfe mir schon angeboten wurde und auf wieviel Herzlichkeit mein Projekt stößt. Ich bin überzeugt davon, dass ich es mithilfe der Gemeinschaft schaffen und meinen Traum verwirklichen werde. Unterstützung in allen Belangen – „in Freud und Leid“ – ist schließlich das, was uns Siebenbürger Sachsen über Jahrhunderte hinweg ausgemacht hat.

Neben all diesen Punkten kommt allerdings noch der finanzielle Aspekt hinzu. Ich habe das Haus aus meinen Ersparnissen kaufen können. Allerdings bin ich bei der Umsetzung der Restauration auf finanzielle Hilfe angewiesen und ich hoffe sehr, dass ich diese, vermutlich größte Herausforderung, in Form von Fördergeldern oder Spenden meistern werde.

Ich bedanke mich für das Interview und wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihren Vorhaben!

Schlagwörter: Gästehaus, Abtsdorf, Renovierung, Kulturmanager

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