22. November 2021

Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben radeln für eine Kirchenburg

Eine zündende Idee von Robert Kerker: Radeln für einen guten Zweck. Die Kirchenburg in Holzmengen hatte er schon vor einigen Jahren als erhaltenswürdiges Denkmal entdeckt.
Radlergruppe an der Donauquelle (Bregquelle) bei ...
Radlergruppe an der Donauquelle (Bregquelle) bei Furtwangen im Schwarzwald. Foto: Robert Kerker
Gefördert über das EU-Programm Erasmus hatte der Banater Schwabe, Lehrer an der Berufsschule in Pforzheim, einige Male mit einer Gruppe von Schülern Arbeitseinsätze in Holzmengen organisiert. Zurzeit steht die Vollendung der Baumaßnahmen im Predigerhaus an. Die Idee war, eine Radtour zum Selbstkostenpreis zu organisieren und dadurch die Teilnehmer zu bewegen, für die Kirchenburg zu spenden. Mir hat die Idee gefallen: Von der Quelle der Donau bis nach Wien. Zwei Wochen lang. Ich habe mitgemacht. Es bildete sich eine eingeschworene Gruppe: sieben Banater Schwaben, vier Siebenbürger Sachsen und neun Hiesige; zehn Frauen und zehn Männer im Durchschnittsalter von sechzig Jahren. Den weitesten Weg zum Treffpunkt am 21. August im Schwarzwald im Nordwesten von Furtwangen hatten zwei Kölner und ein Ehepaar aus Linz. Da Robert mit einem Pkw mit Fahrradanhänger den Radlern vom jeweiligen Start bis zum Ziel vorausfuhr, bestand die Möglichkeit, das Tagespensum von durchschnittlich 75 km den eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Von der Quelle der Breg bis zur Mündung ins Schwarze Meer legt die Donau als einziger Fluss Europas von Westen nach Osten fließend 2888 km zurück. Die Stadt Donaueschingen rühmt sich „ihrer“ Donauquelle. Im Fürstenbergischen Park ist sie beeindruckend pompös eingefasst. Sie sprudelt in ein rundes, großes Becken, welches als Glücksbrunnen gehandelt wird. Viele Münzen glänzen auf seinem sandigen Grund. Auf eine weitere Deutung zur Entstehung der Donau weist der Spruch: Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg. Wir spürten den Strom an allen drei Plätzen auf. Das von Regenschauern bestimmte Wetter dämpfte unsere Freude auf das Radeln. Strömender Regen verzögerte unseren Aufbruch in Donaueschingen zur ersten längeren Wegstrecke von 65 km.
An der jungen Donau bei Burg Wildenstein: Drei ...
An der jungen Donau bei Burg Wildenstein: Drei Radfahrerinnen von hinten. Foto: Heiko Moos
An den kommenden Tagen blinzelte die Sonne ab und zu durch die dicke Wolkendecke und bescherte uns Momente des Glücks im Naturpark Obere Donau. Das enge Durchbruchstal der Donau, eingerahmt von 200 m hohen Kalkfelsen, gekrönt von Burgen, Klöstern und Schlössern, ist das Herzstück des Naturparks. Großes Staunen rief die Donauversickerung bei Immendingen hervor. Der Fluss verschwindet in das weitverzweigte unterirdische Höhlensystem und fließt unsichtbar weiter. Keine Straße, keine Eisenbahn zerschneidet die Landschaft bis nach Obermarchtal, wo wir im Kloster in fürstlichen Zimmern übernachteten.

Franz Junginger erzählte im Haus der donauschwäbischen Landsmannschaft in Neu-Ulm über die Abwanderung aus dem Schwabenländle. Mit Holzkähnen, „Ulmer Schachteln“ genannt, schipperten die Aussiedler die Donau hinunter bis ins Banat.

Bis Passau wies der Radweg lange geschotterte Passagen auf. Die sich ständig verändernde Landschaft entlang der Donau lenkte vom anstrengenden Strampeln ab. Das unbeständige, kühle Wetter begleitete uns bis nach Linz. Nichtsdestotrotz erlebten wir viele schöne Momente. Dazu gehörten die Mittagspausen. Die verbrachten wir in gepflegten Parkanlagen oder in Biergärten. Die Truppe wurde mit gedeckten Tischen erwartet, die sich unter der Last der nahrhaften Köstlichkeiten bogen. Unvergesslich bleiben die Picknicks im Donaupark in Sigmaringen mit dem Residenzschloss der Hohenzoller als imposante Kulisse und im Stadtpark in Melk. Entlang der „deutschen“ Donau erlebten wir manchen sehenswerten Höhepunkt. Dazu gehörte der Donaudurchbruch beim Kloster Weltenburg, in einem Naturschutzgebiet, das sich bis Kelheim ausdehnt. Wir begleiteten den Fluss nicht nebenher, sondern schwammen in einem Passagierschiff bis nach Kelheim.

Alle freuten sich auf den einzigen Ruhetag mit der geführten Stadtbesichtigung in Regensburg. Auf der Weiterfahrt besichtigten wir die Walhalla. Die letzte Etappe von 90 km bis Passau erwies sich als sehr anstrengend. Nach der Mittagspause wurden die Radler auf den letzten 30 km zusätzlich von einem heftigen Regenschauer durchnässt. Zwei Frauen blieben davon verschont, denn sie fuhren im Pkw mit. Die „Drei-Flüsse-Stadt“ ist seit dem 7. Jahrhundert Bischofssitz. Pilgrim von Pöchlarn, der erste Bischof von Passau, missionierte erfolgreich bis nach Wien und Ungarn. Es wird vermutet, dass er, als Kriemhilds Onkel, die Niederschrift des Nibelungenlieds veranlasst hat.
Radfahrer mit den Nibelungen in Tulln. Foto: ...
Radfahrer mit den Nibelungen in Tulln. Foto: Ottmar Gutzer
Nach Passau organisierte sich die Truppe neu. Wir radelten in zwei größeren Gruppen weiter. Die Messlatte dafür waren die durchschnittlich gefahrenen Stundenkilometer: die eine Gruppe pendelte zwischen 18-20 km/h, die schnellere 22-25 km/h. Zwischen Passau und Aschach bildet die Donau eine Besonderheit. Im Engtal bei Schlögen wird der Fluss zu einem Richtungswechsel von 180° gezwungen. Der Fußmarsch zur Aussichtsplattform auf dem Schlögener Berg war eine angenehme Abwechslung für unsere Beine. Wir waren in Österreich angekommen.

An der Staustufe bei Ottensheim-Wilhering verabschiedeten sich Lydia und Helmut. Kurzer Stadtbummel in Linz von der Pestsäule durch das Zentrum. Wir radelten durch Enns, die älteste Stadt Österreichs, und machten einen Abstecher von 5,5 km bergauf zur Gedenkstätte in Mauthausen. Die Besichtigung des ehemaligen KZ-Geländes bedrückte uns sehr. Der kleine Ort Grein liegt mitten im Strudengau. Der Name weist auf die zahlreichen Strudel und Wirbel der Donau, welche den Schiffern großes Können abverlangten. Nach der Kaffeepause in Grein radelten wir durch den Nibelungengau über Ybbs und Pöchlarn dem Stiftskloster Melk entgegen. Unterwegs wurden wir immer wieder auf die Geschehnisse im Nibelungenlied aufmerksam gemacht. Historische Monumente in Eferding, Pöchlarn, Melk und Tulln erzählten über die Reise Kriemhilds in Begleitung des Markgrafen Rüdiger von Pöchlarn nach Tulln, wo Etzel, der Hunnenkönig, sie mit großem Gefolge erwartete. In Pöchlarn tauchten wir im Geburtshaus Oskar Kokoschkas in das arbeitsreiche und wechselvolle Leben dieses vielseitigen Künstlers ein.

Von Melk radelten wir am Südufer durch die liebliche Weinlandschaft der Wachau. Klöster, Burgen und Ruinen diesseits und jenseits der Donau sahen auf die Landschaft herab. Zu ihren Füßen lagen die Weinberge. Die Obstgärten dehnten sich bis an die Ufer aus. Allen war das pünktliche Eintreffen am Bahnhof von Nußdorf, einem Vorort Wiens, wichtig. Als geschlossene Gruppe, dem Einzug der Gladiatoren gleich, radelten wir auf dem Inneren Ring zu unserem Hotel in der Nähe des Stephandoms. Wir bestaunten alles, was die Hauptstadt an Prachtbauten auf dem Weg dorthin bot. Glücklich und zufrieden genossen wir in fröhlicher Runde das letzte gemeinsame Abendessen. Original Wiener Schnitzel wurde oft bestellt. Auf das Ergebnis der ersten von vier geplanten Etappen mit dem Radl „Von der Quelle der Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer“ können alle stolz sein. Mein Drahtesel hat mich 1036 km dem Endziel näher gebracht. Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit untereinander, Rücksichtnahme aufeinander und die hervorragende Verköstigung trugen zum Erfolg dieser Radtour bei. Und die Radler haben großzügig gespendet: 5100 Euro kamen zusammen. Die zweite Etappe von Wien nach Belgrad wird nächstes Jahr 2022 geradelt.

Karin Scheiner

Schlagwörter: Radtour, Donau, Benefizveranstaltung, Holzmengen, Kirchenburg

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