28. September 2025

Für Holzmengen: Benefiz-Radtour von Binz nach Danzig

Es war die fünfte Benefiz-Radtour, die der Temeswarer Robert Kerker zu Gunsten der siebenbürgischen Kirchenburg in Holzmengen organisierte. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Donau-Radtour, die eine beachtliche Spendensumme einbrachte, ließ sich der talentierte Organisator von fünfzehn treuen Unterstützern breitschlagen, die Spenden-Idee fortzusetzen und eine Tour entlang der Ostsee zusammenzustellen. Die Anreise am 19. Juni nach Binz/Rügen traten 19 Teilnehmer selbstständig an. Der Beginn stand unter einem ungünstigen Stern.
Ich belegte den vierten Sitzplatz im Pkw, der auf dem Anhänger 15 Räder transportierte. Gerade als ich die Wasserflasche zuschraubte, brachte ein ohrenbetäubender Schlag den Seitenspiegel auf der Fahrerseite zum Baumeln. Beim erstbesten Halt stellten wir auch Blechschaden fest. Der Verursacher war über alle Berge. Das Wiedersehen mit den anderen Radfahrern am späten Abend und die Vorfreude auf die neue Radtour ließen uns den Vorfall vergessen. Bedrückt umstanden die Radler am darauffolgenden Morgen den gleichen Pkw: Ein Dieb hatte die Heckscheibe eingeschlagen und zwei Ladegeräte mitgehen lassen.
Unterwegs nach Greifswald.Fotos: privat ...
Unterwegs nach Greifswald.Fotos: privat
Die erste Etappe führte nach Greifswald. Wir radelten durch eine grüne Landschaft mit Getreide- und Rapsfeldern, flach wie ein Topfboden, durch verträumte kleine Siedlungen auf asphaltierten Wegen oder mit Kopfstein gepflastert. Mein Blick blieb an den mit Rohr bedeckten, niederen Fischer- und Bauernhäusern hängen, mit Vorgärten, in denen prachtvolle Rosenstöcke in den buntesten Farbnuancen blühten. Am Rande des Biosphärenreservats Südost-Rügen, seit 1970 ein international anerkanntes Großschutzgebiet, ging es bis Gleiwitz durch kühle Laubwälder auf Waldwegen mit sandigen Abschnitten. Dort setzten wir mit der Fähre über den Greifswalder Bodden nach Neuenkirchen über. Im Hafen stärkten wir uns beim Fisch-Opa mit den schmackhaftesten Matjes in Cherrysoße. In Greifswald, der Geburtsstadt des romantischen Malers Caspar David Friedrich, herrschte auf dem Marktplatz mit dem roten Rathaus und den markanten Giebelhäusern aus dem 13. Jahrhundert reges Treiben. Am 2. Tag erlebten wir im Naturpark Insel Usedom authentisches Ostsee-Feeling, während wir auf der längsten Uferpromenade (12 km) von Bansin über Heringsdorf und Ahlbeck nach Swinemünde radelten. Mit dem Aufkommen des Kurbad-Tourismus im 19. Jahrhundert entwickelten sich aus den bescheidenen ­Fischerdörfern die beliebten Seebäder mit ihrer typischen Architektur, einer Strandpromenade und mancherorts mit einer Seebrücke. Das Picknick „Im Kieferngrund“ auf einer bewaldeten Düne mit Fußweg zum Strand gestaltete sich zu einer der schönsten Mittagspausen. Lauter gute, den knurrenden Magen beruhigende Sachen wanderten aus dem Kofferraum von Coach Robert auf die beiden Biertische: Deftiges, frisches Gemüse, Obst und Leckereien in reicher Auswahl. Selbstverständlich auch Erfrischungsgetränke. In Swinemünde/ Swinoujscie setzten wir mit der kostenlosen Stadtfähre von einem Ufer zum anderen über und radelten bis zu unserem ersten Nachtquartier in Polen. Wir hatten an diesem Tag mit 90 km den Durchschnitt von 73,5 km weit überschritten. Bei Misdroy radelten wir durch den Wolliner Nationalpark, bekannt durch das Wisent-Gehege. Seit 1976 werden darin die größten europäischen Säugetiere gezüchtet. Im steten Auf und Ab der hohen Küstenhügel hielt ein Teil der Radlergruppe an ihrem höchsten Punkt, der Gosan-Klippe. Die großartige Aussicht über die unberührte Landschaft mit Meer war überwältigend. Von Rewal folgten wir weiter dem sehr gut markierten Radweg über Kolberg nach Sarbinowo. Alle schafften es rechtzeitig vor dem Gewittersturm anzukommen.

Im Wollin Nationalpark ...
Im Wollin Nationalpark
Es war befreiend, entlang der Dünen durch herrliche Buchen- und Kiefernwälder zu radeln, in denen Heidelbeersträucher den Waldboden bedeckten, soweit das Auge reichte. Das alles beherrschende Grün war eine Wohltat für die Augen und die Ruhe für die Seele. Ein Kontrastprogramm boten die Bäderorte: überlaufene Promenaden, volle Gasthäuser und Restaurants, anstehende Menschen in den Eisdielen. Zum ersten Mal genoss ich die Vorteile eines E-Bikes. Die sandigen Wegabschnitte stellten trotzdem eine Herausforderung dar – insbesondere für die fünf Bio-Biker. In den Mittagspausen wieder vereint, genossen wir an den Strandbars die säuerliche Fischsuppe und verschiedenen Backfisch. Um die längste Etappe von 100 Kilometern nach Leba zu bewältigen, nutzten einige die Möglichkeit einen Teil der Strecke mit dem Pkw zu fahren. Bei 17°C, bedecktem Himmel und zunehmend kälter wehendem Wind radelten wir an Ustka, dem größten Badeort an der Ostsee, vorbei. Im Slowinzischen Nationalpark, wo sich die größte Wanderdüne befindet, erlebten wir eine Traumlandschaft mit vielen ausgedehnten Nehrungsseen. In Naturschutzgebieten konnte man nur durch nummerierte Zugänge auf schmalen Pfaden über die Dünen zum Strand gelangen.

Der Nadmorski Park erstreckt sich komplett auf der 34 km langen Halbinsel Hel, die durch die Versandung von mehreren Nehrungsseen entstanden ist. In Chalupy, unserem Übernachtungsort, lockten die günstigen Winde viele Kitesurfer aufs Wasser. Wir bewunderten ihr meisterhaftes Können mit meterhohen Luftsprüngen.

Im Städtchen Hel ließen wir uns bis zur Abfahrt der Fähre nach Danzig frisch geräucherten Fisch munden. Im Hafen der ehemaligen reichen Hansestadt, der letzten Station der Ostsee-Radtour, schwangen wir uns für die letzten Kilometer wieder in den Sattel – zum Hotel. Am ersten und einzigen Ruhetag waren alle in der nach dem 2. Weltkrieg detailgetreu aufgebauten Alt- und Vorstadt unterwegs. Etliche Bezeichnungen wie Westerplatte, Krantor, Goldwasser und Bernstein werden mit dem Namen Danzig (Gdansk) verbunden.

Die eigentliche Erholung von den anstrengenden Radltagen erlebten wir drei Tage lang im Nationalpark Masuren am Talty-See. Die Mußestunden auf den Liegen am See wurden bloß von zwei Radausflügen in die nähere Umgebung unterbrochen.

Das zur Selbstverständlichkeit gewordene Geben und Nehmen in der Gruppe schweißte die Teilnehmer noch mehr zusammen. Der KulturGutSchützer Siebenbürgen e.V. dankte für die stattliche zweckgebundene Spende: Erhalt und Beleben der Kirchenburg in Holzmengen.

Karin Scheiner

Schlagwörter: Radtour, Benefiz, Ostsee, Holzmengen

Bewerten:

5 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.