17. Juli 2006

Reinhold Kraus auf einem der höchsten Berge der Welt

Vom 25. April bis 30. Mai nahm Reinhold Kraus, Mitglied der Alpingruppe Adonis der Sektion Karpaten des DAV, an einer internationalen Expedition zum sechshöchsten Berg der Welt, dem Cho Oyu (8 201 m), teil. Die Besteigung forderte Geist und Körper aufs Äußerste, trotz der professionellen Organisation und Leitung von Ryan Waters (USA). Lesen Sie hier die gekürzt wiedergegebene Schilderung von Reinhold Kraus.
Ich reiste einige Tage vor dem Begegnungstermin mit dem Bergsteigerteam nach Kathmandu (Nepal) ein und durfte die täglichen Demonstrationen für eine demokratische Regierung hautnah miterleben. Daneben nutzte ich meinen Aufenthalt mit Besuchen des größten königlichen Palastkomplexes "Hanaman" in Kathmandu und der Stadt Bhakapur mit ihren vielen Tempeln, um die Hindureligion näher kennen zu lernen. Die mit mir acht Expeditionsteilnehmer stammten aus den USA, England, Litauen, Belgien und Holland. Per Bus und Geländewagen fuhren wir nach Tibet, nach Nyalam, ein typisches tibetisches Dorf mit weißen, viereckigen Häusern und flachen Dächern. Nach fünf Tagen erreichten wir das chinesische Basislager in 4 900 m Höhe. Aus dem chinesischen Basislager ging es zu Fuß über riesige Moränenfelder in das Basislager (BL) auf 5 600 m, das schon der Österreicher Herbert Tichy als Erstbesteiger im Jahre 1954 mit Yaks erreichte. Die Anstrengung beim Gehen der insgesamt 22 Km war ein erster Vorgeschmack auf das, was folgen sollte.

Reinhold Kraus bei der Ankunft in Kathmandu.
Reinhold Kraus bei der Ankunft in Kathmandu.
Ins Basislager wurden insgesamt 2,2 Tonnen Expeditionsausrüstung von 52 Yaks gebracht. Unser Lager bestand aus einem Küchenzelt, einem Esszelt und 15 kleinen Zelten, in denen je ein Teilnehmer übernachtete. Die Küchenmannschaft, die meist europäisches Essen kochte, bildeten vier Tibeter, das Hochträgerteam vier Kletterer. Die Tibeter werden in einer speziellen Bergsteigerschule in Lhasa für Expeditionsaktivitäten ausgebildet. Die Kletterer bauen die Hochlager auf und setzten die Fixseile an steilem Fels und Eiswänden. Der Cho Oyu überragt die vielen Berge ringsum und flößte mir Respekt ein. Das Hauptaugenmerk gilt in dieser Höhe der Gesundheit, deshalb ist auf eine angemessene Hygiene zu achten und auf ausreichende Akklimatisation. Diese erfolgt durch Auf- und Abstiege zu den Lagern, durchsetzt von Ruhetagen, damit sich der Körper von der Anstrengung des Steigens und des Aufenthaltes in großer Höhe erholt. Die Tibeter bauten einen viereckigen Steinhaufen von einem Meter Breite und zwei Metern Höhe auf, von dem aus sie Gebetsfahnen in mehrere Richtungen spannten. An diesem Ort veranstalteten sie eine "Puja", ein religiöses Ritual, das der Verehrung der Götter dient, bei dem sie diese bitten, die Besteigung des Berges zuzulassen. Zudem wurde die Kletterausrüstung geweiht. Dabei wurden religiöse Verse verlesen, Süßigkeiten verteilt und Milchtee getrunken.

Blick auf das Lager in 6 300 Meter Höhe.
Blick auf das Lager in 6 300 Meter Höhe.

Erst stiegen wir zu Lager 1 (6 300 m) auf. Es folgt der so genannte Killerhang mit 40 Grad steilen Flanken, der im Geröll und manchmal im Schnee hinauf führt. Carlo, der beim Abstieg von Lager 1 einen Kreislaufzusammenbruch erlitt, konnte mit Hilfe eines Höhenträgers absteigen. Danach wurde Lager 1 erneut erklommen, wo man übernachtete, um erneut ins BL abgestiegen. Ein weiterer Ruhetag. Das sind Tage, an denen man liest, Musik hört, Wäsche wäscht, sich sonnt, diskutiert. In einem nächsten Schritt stiegen wir wieder zu Lager 1 auf, schliefen dort und setzten unseren Weg zum Lager 2 fort. Die Route beginnt mit drei steilen Aufschwüngen im Eis. Man sichert sich mit einer Steigklemme an den Fixseilen und geht mit Steigeisen. Es folgte eine senkrechte Eiswand, für deren Durchstieg ich 45 Minuten brauchte. Nicht die Kälte, sondern die Hitze, machte uns zu schaffen. Nach acht Stunden erreichten wir Lager 2 (6 900m). Nach sechs Stunden Kopfweh konnte ich etwas schlafen. Die Anstrengung beim Aufstieg war enorm, da man seine persönliche Ausrüstung mitschleppen musste: Schlafsack, Isomate, Kleidung und Nahrung. Hier beschäftigte sich mein Gehirn zum ersten Mal mit der Frage, ob diese Quälerei sein muss.

Der Gipfelaufstieg war in zwei Gruppen geplant. Brad Corr verzichtete auf den Aufstieg. da er von Muskelkrämpfen in den Beinen geplagt war. Ich hatte Rückenschmerzen, doch der Engländer Dave half mir mit einigen Pressanwendungen die Schmerzen zu lindern. Nach drei Ruhetagen waren wir bereit für den Gipfelsturm. In fünf Stunden erreichte ich das Lager 1, doch eine Magenverstimmung mit Durchfall verursachte eine schlaflose Nacht, die den Aufstieg am nächsten Tag ins Lager 2 zur Hölle machte. Der Weg zum Lager 3 (7 400 m), wo drei Zelte auf einem Felsvorsprung standen, führte über ein steiles Eis- und Schneefeld. Wir schmolzen stundenlang Schnee, um die zwei Wasserflaschen zu füllen und um ein Nudelgericht zuzubereiten. Vier Uhr in der Früh begann der Gipfelaufstieg. Die Temperatur lag bei minus 25 Grad. Nach einer Stunde Gehzeit folgt das gelbe Band, eine senkrechte Wand, wo unser Expeditionsleiter noch ein Seil anbrachte. Das dauerte eine Stunde. Inzwischen warteten wir am Fuße des Felscouloirs ab; dadurch wurden meine Füße trotz der dreischichtigen Schuhe kalt. Es folgten weiterhin senkrechte Passagen. Nach jedem Schritt war eine Atempause von fünf bis zwanzig Atemzügen nötig war. Hier, in der so genannten Todeszone, gibt es nur noch 33 Prozent Luftdruck in Bezug auf die Meereshöhe. Nach achteinhalb Stunden Gehzeit beendete ich meinen Gipfelgang auf 7 900 m Höhe, da ich erschöpft und die Zeit fortgeschritten war. Mir war bewusst, dass die meisten Unfälle beim Abstieg passieren und an diesem Berg jeder 47. Bergsteiger den Tod findet. Meine Kollegen Dave und Carlo erreichten mit Bergführer Ryan und den Höhenträgern Passang und Tse Dan um 15 Uhr den Gipfel des Cho Oyu und krönten so unsere Expedition. Ich stieg nach einer Pause allein zu Lager 3 und dann zu Lager 2 ab und kochte Tee für meine erschöpften Kollegen, die vom Gipfel kamen.

Die Freude des Gipfelsieges blieb mir diesmal versagt, doch habe ich meinen eigenen Höhenrekord aufgestellt, die wunderbare Berglandschaft genossen, Menschen aus aller Welt kennen gelernt, Freundschaften erfahren und manche stille Stunde im Herzen des Himalaya erlebt. Ich möchte mich bei allen Freunden und Bekannten bedanken, insbesondere bei der Alpingruppe Adonis und bei Erich Bonfert sowie bei meiner Tochter Heike, die mich im Vorfeld moralisch und mit gutem Rat unterstützten. Bilder von der Expedition finden sich im Internet unter www.sektion-karpaten.de (Alpingruppe Adonis).

Reinhold Kraus

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2006, Seite 25)

Schlagwörter: DAV, Reise

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