26. September 2002

"Bindendes Glied in Europa"

Fleiß und Frauen beim 12. Sachsentreffen in Birthälm geehrt / Siebenbürger Sachsen in der alten Heimat bekräftigen Bindung zu den Landsmannschaften / Deutscher Botschafter Dr. Armin Hiller würdigt Rolle der ethnischen Minderheiten und Siebenbürger als „bindendes Glied in Europa“
"Sie hat nie aufgehört, anzufangen, und hat nie angefangen, aufzuhören". Mit diesen Worten von Rolf Hochhuth hat Inge Wittstock in ihrer Laudatio wohl nicht nur den Nagel auf den Kopf, sondern auch den Kern von Inge Jekelis Persönlichkeit getroffen. Der Anlass: Die Mediascher Chemie- und Biologielehrerin wurde beim Birthälmer Sachsentreffen am 21. September unter dem Motto "Fleißige Hände" mit der einst vom Siebenbürgenforum (DFDS) gestifteten Honterus-Gedenkmedaille ausgezeichnet. In einem kleinen, aber erlesenen Kreis wurden mithin auch leitmotivisch die fleißigen Hände einer rührigen Frau entsprechend geehrt.
Bekräftigten in Birthälm die engen Bindungen zwischen Ost und West, von links: der Gemeindepfarrer von Birthälm, der Bundesobmann der Landsmannschaft in Österreich, Volker Petri, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft in Deutschland, Bernd B. Fabritius, Bischof Christoph Klein, der Vorsitzende der ADJ, Benjamin Jozsa, Botschafter Dr. Armin Hiller, der Schäßburger Pfarrer Bruno Fröhlich und Unterstaatssekretär Ovidiu Gant. Foto: Wita von Larcher.
Bekräftigten in Birthälm die engen Bindungen zwischen Ost und West, von links: der Gemeindepfarrer von Birthälm, der Bundesobmann der Landsmannschaft in Österreich, Volker Petri, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft in Deutschland, Bernd B. Fabritius, Bischof Christoph Klein, der Vorsitzende der ADJ, Benjamin Jozsa, Botschafter Dr. Armin Hiller, der Schäßburger Pfarrer Bruno Fröhlich und Unterstaatssekretär Ovidiu Gant. Foto: Wita von Larcher.


Nach der Hauptveranstaltung mit Festgottesdienst in der Marienkirche und dem anschließenden Trachtenaufmarsch mit Tanzvorführungen auf dem "Birthälmer Square" hatte sich ein Großteil der Zuschauer und Akteure des 12. Heimattags im einstigen evangelischen Bischofssitz zurückgezogen. Geblieben war nur der harte Kern der Veranstaltung, allen voran die Spitzenvertreter aus Kirche, Foren und Landsmannschaft, die sich auf dem neuerdings renovierten Birthälmer Platz um die Burzenländer Bläser scharten, die immer wieder mit einem Tusch und ihren bekannten Musikeinlagen unter der Leitung von Ernst Fleps für diesen letzten Höhepunkt des Treffens mit Preisverleihung und Festvortrag (Beatrice Ungar) sorgten. Trotz bedauerlicher Pannen der kostenaufwändigen Beschallungstechnik.

Geehrt wurde schließlich eine Frau, die immerhin knapp 50 Jahre am Katheder gestanden hatte. "Auch meine Großmutter war ‚innere' Schülerin", gestand der Chemielehrerin einmal ein ehemaliger Eleve. In dieser, ihrer Eigenschaft wurde Inge Jekeli schon 1963 das Diplom einer verdienten Lehrerin überreicht, 1967 kam ein weiterer Arbeitsorden hinzu, 1997 dann das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland, 1998 ein Ehrendiplom des rumänischen Bildungsministeriums und 1999 die Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatstadt Mediasch. In der Kokelstadt war Inge Jekeli nicht nur in der Schule aktiv. Forum und Frauenkreis hat sie mitgestaltet, das Essen auf Räder mit initiiert, das Hermann-Oberth-Gymnasium bereits als Rentnerin, aber trotzdem noch als Schulleiterin nach dem Umbruch zu einer beispielhaften Anstalt ausgebaut und weitere Gedenkfeiern wie Feste federführend organisiert. Die Gefeierte machte in ihrer Dankesrede erstmals publik, bald nach 1990 gemeinsam mit ihrer Schäßburger Freundin Hilde Martini an ein überregionales Sachsentreffen gedacht zu haben. 1991 kam es in Birthälm zu Stande und ist seither "fester Bestandteil unseres gemeinschaftlichen Terminkalenders", so der DFDR-Abgeordnete Wolfgang Wittstock.

Das würdigten auch die zahlreichen Festredner und Gäste in ihren Grußworten, die allesamt den diesjährigen Leitgedanken hervorhoben. "'Fleißige Hände' - das passt in der Tat zu den Siebenbürger Sachsen, es passt zu unserem Selbstverständnis und dazu, wie andere uns sehen. Es passt auch vor allem zu dem, was heute im Mittelpunkt stehen soll. Es ist die Würdigung der Frauen aus unserer Gemeinschaft, die in Kirche und Forum, die unter uns und über unsere Grenzen hinaus in diesen Jahren so viel bewegt haben und denen wir alle Entschiedenes verdanken", unterstrich in seiner Festpredigt das Oberhaupt der Landeskirche, Bischof D. Dr. Christoph Klein. Und es sei dies nicht bloß eine Würdigung im Geiste Schillers: "Ehret die Frauen! Sie flechten und weben / himmlische Rosen ins irdische Leben." Vielmehr betrachtete der Festprediger diesen Leitgedanken als "eine respektvolle Verneigung, eine gebührliche Hochachtung vor der Rolle, die die Frauen bei den Siebenbürger Sachsen eigentlich immer schon innegehabt haben", vormals in schweren Zeiten.
Siebenbürgische Jugendliche bieten Tänze auf dem Birthälmer Platz dar. Foto: Wita von Larcher
Siebenbürgische Jugendliche bieten Tänze auf dem Birthälmer Platz dar. Foto: Wita von Larcher


Und die Zeiten nach dem Umbruch sind nun einmal nicht leichter geworden. Besorgnis wurde bei manchem Redner deutlich, als die jüngsten Daten der Volkszählung in Rumänien zur Sprache kamen. Immerhin ist in den letzten zehn Jahren die Zahl der Rumäniendeutschen auf die Hälfte geschrumpft. Von den insgesamt 60 000 Verbliebenen machen die Siebenbürger Sachsen nicht einmal mehr die Hälfte aus, wie der DFDR-Vorsitzende Klaus Johannis auf einer Pressekonferenz den zahlreichen Medienvertretern vorrechnete.

Dennoch sah der bundesdeutsche Botschafter in Bukarest, Armin Hiller, "vor dieser großartigen Kulisse" in Birthälm "eine Zukunftsfähigkeit dieser Gemeinschaft". Es gäbe sogar gute Gründe, die Daten der Volkszählung "auch mit Zufriedenheit und Optimismus zu betrachten". Denn Rumänien befinde sich auf dem Weg zur Demokratie und überdies auf dem Weg - "wenn auch ein steiniger Weg" - hin zur EU-Integration. Und in einem vereinten Europa spielen, so Hiller, die Minderheiten eine große Rolle, jedenfalls seien sie kein Störfaktor, sondern eher ein bindendes Glied. Das machten die Siebenbürger Sachsen übrigens jetzt schon deutlich durch die Bindungen zwischen den Landsmannschaften und den in der Heimat Verbliebenen, erklärte der Diplomat und wies auf die derzeit rund 10 000 deutschen Firmen in Rumänien hin, von denen ein guter Teil von Siebenbürger Sachsen gegründet wurde.

Der landsmannschaftliche Vertreter RA Bernd B. Fabritius aus München, der die Grüße des Föderationsvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen, Volker Dürr, der versammelten Gemeinschaft in Birthälm überbrachte, bekräftigte diese Bindungen nicht allein mit Worten. Der stellvertretende Bundesvorsitzende betonte, dass die Landsmannschaft für die Erhaltung siebenbürgischer Werte einstehe, ganz gleich, wo diese gelebt würden. Durch Integrationsunterstützung in Deutschland, aber auch durch Bleibehilfe in Siebenbürgen für diejenigen, die sich in eigener Entscheidung für ein Leben dort entschieden hätten. Er berichtete zudem über die Ergebnisse einer Umfrage unter unseren Landsleuten in Deutschland knapp vor der Bundestagswahl am letzten Sonntag. 63 Prozent wünschten sich dabei schwerpunktmäßig weiterhin die Unterstützung der Angehörigen im Sachsenland. Weitaus weniger dachten an ihre eigenen Rentenkürzungen in der Bundesrepublik oder die Förderung der kulturellen Breitenarbeit in der neuen Heimat als Wahlkampfthemen. Und entsprechend wurde gehandelt. Mit einer Spende der Landsmannschaft wurde die Kronstädter Kirchengemeinde bedacht für Renovierungen an der Kronstädter Schwarzen Kirche, eine weitere Spende erhielt Stadtpfarrer Bruno Fröhlich für die Pflegestation in Schäßburg, und Paul Jürgen Porr, DFDS-Vorsitzender, nahm die dritte Spende für die Gestaltung dieses Festes entgegen. Tags zuvor hatte Bundesobmann Volker Petri aus Österreich dem Siebenbürgenforum im gleichen Sinne eine Spende überreicht.

Die DFDS-Kasse war nämlich nach dem letztjährigen Sachsentreffen, wie berichtet, beinahe leer. Heuer drohte ein ähnlicher Einnahmeverlust. Das schlechte Wetter der letzten Tage und Wochen hatte viele potenzielle Besucher von dem Sachsentreffen fern gehalten, ein vielversprechender Umsatz war selbst den Frauenkreisen mit ihren Handarbeitserzeugnissen nicht garantiert. Trotzdem waren sie vollzählig von Broos bis Bistritz angereist, wetterbedingt jedoch hatten sie sich leider am Rande des Geschehens, in der Schule, angesiedelt. Allen voran der Sebastian-Hann-Verein aus Heltau, der mit laufendem Webstuhl und rollendem Spinnrad sowie selbst zubereitetem Hanklich nebst reichhaltiger Palette an Handarbeiten anrückte.

Die Sonne, die an diesem Tag offenbar nur über Birthälm schien, lockte die Schaulustigen eher zum "Square" und zwischen die Burgmauern. Hier konnte man den beeindruckenden Aufmarsch der acht Jugendformationen unter Musikbegleitung der Burzenländer Bläser genießen sowie die vielen sächsischen Trachten aus unterschiedlichen Regionen mit Bockelhauben, Heftel, Spangengürtel und die wunderschönen sächsischen Kirchenpelze bestaunen. Sie standen denn auch nach alter Sitte wieder Spalier beim Kirchenportal vor und nach dem Festgottesdienst und füllten sodann die ersten Bankreihen im Mittelschiff und jene vor dem Flügelaltar in der Kirche. Über Mittag beherrschten sie, eine ansehnliche Hundertschaft, mit schwungvollen Tänzen den Dorfanger. Erstmals gesellten sich zu ihnen die "Hermannstädter Ordensritter" mit einem mittelalterlichen Schwerttanz. Erstmals kamen auch die Bistritzer Bläser zum Zug. Und erstmals ließ der Kalaner Nikolaus Pilly seine Zugsäge in der Marienkirche erklingen. Allein, neben der wohlklingenden Orgel blieb dieses Zwischenspiel beim Festgottesdienst dann doch nur ein Kuriosum.

Ansonsten war alles wie gehabt: Händler aus Siebenbürgen und sogar wieder von jenseits des Pruths stellten ihre Verkaufsstände vor die Burgmauren, dahinter sorgten andere für das leibliche Wohl der Gäste. Und so kam wohl jeder auf seine Rechnung. "Gott muss ein Sachse sein!", hieß es allgemein, als man nachmittags aus dem sonnigen Birthälm wieder abreiste.

Martin Ohnweiler

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