6. Januar 2001

Rumäniens Regierung steht, Entscheidungen fallen

Mit einer neuen Regierung, einem neuen Präsidenten und einem neuen Parlament ist Rumänien ins neue Millenium gestartet. Allerdings noch aus dem abgelaufenen Jahrtausend stammt die Partei, die nun wieder diese Institutionen personell bestückt: Ion Iliescu war von 1990 bis 1996 schon zweimal Staatsoberhaupt, und seine Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) hatte gleich nach ihrer Gründung die Amtsgeschäfte in der Regierung geleitet und diese dann noch im Parlament ab 1992, zwar nicht mehrheitlich, aber doch maßgeblich bestimmt.
Iliescu gelangte diesmal - in absoluten Zahlen gerechnet - mit weniger Stimmen in den Cotroceni-Palast, als das 1996 der Fall gewesen war, wo er im Stichkampf gegen Emil Constantinescu verloren hatte. Dafür hat er am 10. Dezember letzten Jahres die Herausforderung von Corneliu Vadim Tudor fast schon souverän gemeistert. Hatte nämlich der demagogische Volkstribun Tudor zwei Wochen zuvor seinen Kontrahenten vor allem in Siebenbürgen und dem Banat ausgebootet (wir berichteten), so musste der großspurige Nationalist am 10. Dezember mit 33 zu 66 Prozent der Stimmen landesweit geradezu kläglich beigeben. Lediglich im Kreis Bistritz war Vadim Wahlsieger, in allen übrigen Kreisen hatte Iliescu gesiegt, was dem Ex-Kommunisten nicht einmal 1990 oder 1992 gelungen war.
Bloß seine Partei, aus der er unterdessen ausgetreten ist, konnte den Siegeszug so nicht mitgehen. Aus ihren Reihen steht inzwischen eine Minderheitsregierung unter Premier Adrian Nastase, dem bisherigen PDSR-Vize, fest, und für die Investitur des neuen Kabinetts haben immerhin 314 Parlamentarier gestimmt, lediglich 145 waren dagegen. Diese stammten vermutlich aus Vadims Großrumänienpartei (PMR) und aus Petre Romans Demokratischer Partei (PD).
Gleich fünf Vertreter des "schwachen Geschlechts" haben die Zügel in ebenso vielen Ministerien in der Hand, Hildegard Puwak gar sitzt auffallend nahe dem Premier in der Ministerrunde als Verantwortliche für europäische Integration. Die Ressorts Justiz, Bildung und Forschung sowie Gesundheit und Familie werden gleichfalls von Frauen geleitet, und mit 27 Ministern insgesamt ist das Kabinett das zahlenmäßig stärkste seit dem Umbruch. Nur einen Minderheitenminister gibt es nicht mehr, das Schicksal des Staatssekretärs in diesem Departement, Klaus Fabirtius, ist ebenfalls noch ungewiss.
Auch das Parlament hat übrigens ein neues Kolorit. Hier sitzen ebenfalls mehr Frauen, und auch mehr Künstler wurden ins hohe Haus meist von der PMR berufen - darunter die Volkssänger Ion Dolanescu und Irina Loghin oder die Dichtertochter Mitzura Arghezi. Frau Arghezi soll samt Vadim Tudor sogar ins Europaparlament delegiert werden. Dafür aber gibt es weniger Parteien als bisher im rumänischen Parlament, denn nur fünf an der Zahl haben die Sperrklausel überwinden können - PDSR, PMR, PNL, PD und UDMR - zwei sind noch im Wahlbündnis mit den PDSR-Siegern hineingerutscht: die Sozialdemokraten (PSDR) und die Humanistische Partei (PUR). Demgegenüber sind 18 statt bisher 16 Vertreter von kleinen Minderheitenorganisationen neuerdings im Parlament stimmberechtigt.
Schlußendlich noch einige Feststellungen zur Sachlage vor Redaktionsschluss: Premier Nastase warf seinem Amtsvorgänger Isarescu und dessen Mannschaft bereits vor, wichtige Akten im Zusammenhang mit der Privatisierung beseitigt zu haben, auch sollen nennenswerte Fonds gerade während der Wahlkampagne in dunkle Kanäle geleitet worden sein. Rund 20 Regierungsbeschlüsse der alten Ministerrunde wurden auf Anhieb von den Nachfolgern außer Kraft gesetzt, weitere sollen von den Fachausschüssen der beiden Kammern in Überstunden unter die Lupe genommen werden. Und der Clou: Ovidiu Grecea, einst zum Chef des Kontrollkorps der Regierung von vor 1996 ernannt und von der gleichen Regierung wegen offenkundiger Nachlässigkeit geschasst, soll dieses Amt unter den neuen Regierenden wieder übernehmen.

Martin Ohnweiler

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