12. Oktober 2002

Nach den Bundestagswahlen: Zuversicht in Gundelsheim

Rot-grüne Bundesregierung setzt auf Kontinuität – trotz personeller Änderungen / Der scheidende Kulturstaatsminister Nida-Rümelin engagiert sich für den Erhalt der Einheit des siebenbürgisch-sächsischen Kulturzentrums, das seit vier Jahrzehnten in Gundelsheim am Neckar beheimatet ist
Die Ungewissheit der letzten Monate ist beendet: Das Damoklesschwert hängt nicht mehr über dem Siebenbürgischem Museum in Gundelsheim. Der scheidende Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hat sich gegen die Verlagerung der Einrichtung nach Ulm entschieden.

In dieser Haltung wurde Nida-Rümelin bei einem Gespräch mit Bundesinnenminister Otto Schily und Volker Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, am 4. September in Berlin bestärkt. In einem am 23. September datierten Schreiben an den Trägerverein des Museums erklärte sich Dr. Jürgen Martens, Ministerialrat des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM), damit einverstanden, dass das Museum den Mietvertrag für die Liegenschaft in der Heilbronner Straße 13 in Gundelsheim bis Ende 2006 verlängert. Der auf zehn Jahre befristete Vertrag wäre am 30. September 2003 ausgelaufen. Die neue vertragliche Bindung stimmt zuversichtlich, dass das siebenbürgisch-sächsische Kulturzentrum in Gundelsheim als Einheit erhalten werden kann, erklärte Bundesvorsitzender Volker Dürr gegenüber dieser Zeitung. Er hoffe, dass das BKM, auch unter der neuen Leitung von Christina Weiss, die siebenbürgischen Probleme verstehen und unterstützen werde.

Nach der gewonnen Bundestagswahl am 22. September setzt auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf Kontinuität, in personeller Hinsicht beispielsweise bei Kabinettsmitgliedern wie Bundesinnenminister Otto Schily, in dessen Verantwortung nach wie vor die Aussiedlerintegration liegt. Die Schlüsselbereiche Wirtschaft und Arbeit hingegen werden in der neuen rot-grünen Regierungskoalition in einem „Superministerium“ zusammengefasst. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement wurde dazu berufen als „Superminister“ das schwächelnde Land wieder auf Vordermann zu bringen. Darüber einigte sich am 7. Oktober Schröder mit Clement und Harald Schartau, dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden der SPD, der Sozialminister in Düsseldorf und somit Patenminister der Siebenbürger Sachsen ist.

Eine personelle Änderung im Bundeskanzleramt wird aus siebenbürgischer Sicht mit großem Interesse beobachtet. Julian Nida-Rümelin gab sein Amt als Bundesbeauftragter für Angelegenheiten der Kultur und Medien nach knapp zwei Jahren auf. Der 47-jährige Wissenschaftler hatte nach der Bundestagswahl deutlich gemacht, dass er sein Amt gerne fortführen würde, wenn ihm die Universität Göttingen seinen Lehrstuhl für Philosophie weiter frei hält. Die Hochschule hatte jedoch klar gemacht, dass es für sie ein großes Opfer wäre, den Lehrstuhl für weitere vier Jahre vertreten zu lassen.

Auf einer Pressekonferenz in Berlin gab Nida-Rümelin bekannt, dass er seinen Beruf als Professor für Philosophie wieder aufnehmen werde. Für ihn sei von Anfang an klar gewesen, dass er nach seiner politischen Tätigkeit wieder an die Universität zurückkehren werde. Schon 1998 hatte sich Nida-Rümelin beurlauben lassen, um als Kulturreferent in München zu wirken. Im Januar 2001 wechselte er dann in das Kanzleramt nach Berlin als Nachfolger von Michael Naumann, der das von der rot-grünen Regierung 1998 neu eingerichtete Amt des Kulturstaatsministers nach nur zwei Jahren aufgegeben hatte und in seinen ursprünglichen Beruf als Journalist zurückgekehrt war - als Herausgeber der Wochenzeitung Zeit.

Als Erfolge bezeichnete Nida-Rümelin vor allem das neue Urhebervertragsrecht, die Novelle zur Besteuerung ausländischer Künstler, das Stiftungsrecht und die Neuregelungen zur Buchpreisbindung. Ein eigenes Bundeskulturministerium hält Nida-Rümelin nicht für erstrebenswert und setzt stattdessen auf die Kontinuität seiner Behörde. Mit knapp 200 Mitarbeitern und einem Etat von rund 950 Millionen Euro ist die Einrichtung relativ klein.

Die Amtsführung von Nida-Rümelin wird in den Medien durchweg positiv kommentiert. Die Position des „Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien“ werde mittlerweile auch von der Opposition akzeptiert. Dies sei Nida-Rümelin zu verdanken, „der moderat agiert und den forschen Ton seines Vorgängers Naumann vermieden hat“, so die Südwest Presse. Er habe das gebracht, „was das Amt braucht - die Qualitäten eines Ensemblespielers. Denn der Kulturbeauftragte ist nur einer unter vielen, die für die Belange der Kunst und Kultur zu streiten haben - und vorrangig sind das die Kulturminister der Länder.“ Der Tagesspiegel bezeichnete den scheidenden Kulturstaatsminister als „Navigator“, die Mitteldeutsche Zeitung würdigt vor allem seinen Stil: „Er hat vom ersten bis zum letzten Tag seiner Amtsführung Haltung bewahrt.“

Nachfolgerin von Julian Nida-Rümelin wird Christina Weiss. Nach Sondierungsgesprächen, die ebenfalls am 7. Oktober stattfanden, entschied sich Gerhard Schröder für die 48-jährige Literaturwissenschaftlerin. Sie bürgt offenbar für Kontinuität. Zehn Jahre bekleidete Weiss nämlich den Posten der Hamburger Kultursenatorin, der vorher als Schleudersitz gegolten hatte. In Berlin trifft sie nun auf ihren ehemaligen Kulturstaatsrat, Knut Nevermann, gut bekannt aus gemeinsamen Hamburger Tagen. Seit 1998 ist Nevermann Staatssekretär im BKM, nunmehr schon unter dem dritten Chef. bzw. Chefin.

Die parteilose Literaturwissenschaftlerin besitzt professionelle Erfahrung und gilt „als sehr engagiert und sachkundig“ (Stuttgarter Nachrichten). Die promovierte Philologin war zunächst als Literatur- und Kunstkritikerin, unter anderem als Redakteurin bei der Zeitschrift "art", tätig. 1989 übernahm Christina Weiss für zwei Jahre die Programmleitung des Hamburger Literaturhauses und war dann zehn Jahre lang Kultursenatorin in Hamburg – von 1991 bis zur rot-grünen Niederlage bei der Bürgerschaftswahl 2001. Vorschusslorbeeren erhielt sie nun vom ersten Kulturstaatsminister Michael Naumann. Jahrelange Erfahrung im oft mühsamen politischen Geschäft habe sie gesammelt, lobte Naumann. "Damit bringt sie genau das mit, was mir gefehlt hat."

Christina Weiss erwarten in Berlin vielseitige Aufgaben der „hohen Kultur“ sowie der Förderung des Films, Theaters und anderer Künste. Bei alledem ist zu hoffen, dass sie nicht das Augenmaß für weniger spektakuläre, aber um so förderungswürdigere Projekte verfehlt. Dazu gehört sicherlich auch die Erhaltung der jahrhundertealten siebenbürgisch-sächsischen Kultur, die im Trubel der Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft allzu oft in den Hintergrund gerät.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2002, Seite 1-2)

Links:

Webseite des Bundeskanzleramtes – Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin

Meldung des Bundespresseamtes über Christina Weiss

Hoffnung auf einvernehmliche Lösung bestärkt, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 14. September 2002

Gemeinsame Lösung für Siebenbürgisches Museum angestrebt, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 9. März 2002

Neue Intervention für Kulturzentrum Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 11. Januar 2002

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