27. November 2002

Die Rockenstube und ihr Erfolgsgeheimnis

Die von den Eheleuten Astrid und Michael Greff ins Leben gerufene und betreute Rockenstube in München feierte am 10. November 2002 ein gelungenes, in mancher Hinsicht einmaliges Fest im Gemeindesaal der Auferstehungskirche. Über die siebenbürgisch-sächsische Einrichtung in der bayerischen Landeshauptstadt berichtet Rolf-Dieter Happe, der neue Vorsitzende der Kreisgruppe München.
Den feierlichen Auftakt am Sonntagvormittag bildete ein siebenbürgischer Gottesdienst, den Pfarrer Manfred Staude mit viel Einfühlungsvermögen für die siebenbürgische Liturgie und einer bewegenden Predigt abhielt. Auch altgediente Gemeindeglieder, die ihre sächsischen Glaubensgenossen längst in ihre Reihen aufgenommen hatten, waren beeindruckt von der Pracht der verschiedenen siebenbürgischen Trachten, in denen viele Mitglieder und Freunde der Rockenstube zum Gottesdienst erschienen waren.

Sächsische Rockenstube in München. Elisabeth Kessler (links) liest Gedichte von Doris Hutter; rechts das Ehepaar Michael und Astrid Greff. Foto: Oswald Kessler.
Sächsische Rockenstube in München. Elisabeth Kessler (links) liest Gedichte von Doris Hutter; rechts das Ehepaar Michael und Astrid Greff. Foto: Oswald Kessler.

Auf das gemeinsame Mittagessen, das Mitglieder der Rockenstube zubereitet hatten, folgten ein bunter Nachmittag und geselliger Abend. An dem unterhaltsamen Programm nahmen weit über hundert, zum großen Teil in Tracht erschienene Gäste teil. Als Moderatoren wirkten Astrid und Michael Greff, die in mitreißender Weise durch das Programm führten, das vom Reußmarkter Chor unter der Leitung von Paul Staedel, von der Jugendtanzgruppe München und der Siebenbürger Blaskapelle der Kreisgruppe Landshut unter der Leitung von Erwin Arz gestaltet wurde. Angereichert wurde das Programm durch erläuternde Kurzbeiträge des Chorleiters Staedel und Mundartlesungen des Ehepaars Kessler. Besonderen Beifall bekamen der Diakon Herbert Hofmann und Hermann Wolf, die – quasi als Welturaufführung – einen sächsisch-bayerischen Sketch präsentierten, der sich zum Gaudium der Zuschauer in bester Kabarettmanier mit der weltbewegenden Frage auseinandersetzte, ob Sächsisch denn nun eine Sprache oder ein Dialekt sei. Man einigte sich auf Letzteres, zumal es der Bayer - langsam gesprochen – doch zum Teil versteht. Den abendlichen Ausklang gestaltete das Trio „Vater und Söhne Henning“, zu deren Musik vornehmlich die jugendlichen und jung gebliebenen Gäste ausdauernd tanzten.

Alle Beteiligten, Mitwirkende wie Gäste, empfanden das Fest als bisherigen Höhepunkt der gut zweijährigen Rockenstubengeschichte. Wegen des enormen Anklangs soll es in zwei Jahren wiederholt werden. Bemerkenswert war nicht nur die große Zahl der Gäste, vor allem der hohe Anteil an Jugendlichen dürfte gerade in der heutigen Zeit einzigartig sein, was im übrigen für die Rockenstube selbst auch gilt.

Im August 2000 hatten Astrid und Michael Greff erstmals zur Rockenstube eingeladen. Anfänglich trafen sich etwa ein Dutzend Gäste nach althergebrachtem Brauch zu Handarbeiten, Unterhaltung und gemeinsamem Singen. Schon bald entwickelten sich die Abende mit Vorträgen, Lesungen und Erlebnisberichten zu so genannten Themenabenden, wobei die Themen jeweils aus dem Kreis der Teilnehmer kamen. Stets blieben die Unterhaltung und Pflege der Gemeinschaft im Vordergrund. Die Rockenstube begreift sich als lockerer Zusammenschluss ohne feste Mitgliedschaften. Man trifft sich je nach Lust und Interesse, wobei nach alter Siebenbürger Sitte fast jeder Gast etwas fürs leibliche Wohl mitbringt. Trotz der Offenheit und Zwanglosigkeit werden „Verstöße“ vom Leiter der Rockenstube, Michael Greff, genau registriert. Die Verfehlungen kommen dann beim jährlichen Richttag, der traditionsgemäß bei offener Nachbarschaftstruhe gehalten wird, auf den Tisch bzw. die eigens hierfür herangeschaffte alte Originaltruhe aus Siebenbürgen, und werden geahndet.

Die Rockenstube fand enormen Zuspruch, teilweise weit über die Kirchengemeinde hinaus, und lockt mittlerweile regelmäßig mindestens 60 bis 70 Gäste. Erfreulicherweise ist der Anteil der Jugendlichen unter den Gästen erheblich, was für die starke generationenübergreifende Attraktivität der Rockenstube spricht.

Was ist das Geheimnis dieses Erfolges? Mit Sicherheit der unermüdliche Einsatz und die Begeisterungsfähigkeit der Eheleute Astrid und Michael Greff. Maßgeblichen Anteil am Erfolg haben auch Pfarrer Staude und Diakon Hermann von der Auferstehungskirche, die der Rockenstube viel Verständnis und eigenes Engagement entgegenbringen. Spricht man mit den Gästen und Freunden, so eröffnet sich ein weiterer, vielleicht entscheidender Grund für die Anziehungskraft der Rockenstube: ihre Schlichtheit, zudem die Geborgenheit in der Gemeinschaft.

Angesichts des in Großstädten wie München vorherrschenden kolossalen Freizeitangebots, bis hin zur Reizüberflutung, stimmt diese Erkenntnis nachdenklich, aber zugleich zuversichtlich, belegt sie doch, dass Tradition und Werte - wahrhaftig gepflegt - immer noch einen hohen Stellenwert besitzen; auch bei der Jugend, wie deren rege Teilnahme beweist. Uns hierauf in der heutigen Zeit hinzuweisen, dafür gebühren Astrid und Michael Greff Respekt und Anerkennung, vor allem aber auch Dank für ihren bisherigen Einsatz und für das wunderschöne Fest. Ein Dank, der sich auch auf die vielen Helferinnen und Helfer erstreckt, die mit ihrem Einsatz zum Erfolg beigetragen haben.

Rolf-Dieter Happe


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2002, Seite 8)

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