10. Februar 2003

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (XXII)

"Der beste und berühmteste Torwart Rumäniens": Ernst Wolf belegte 1938 bei der Weltmeisterschaft in Deutschland mit Rumänien Platz fünf / Mit Hermannstadt Meister und Pokalsieger
Der ehemalige Handball-Nationaltorwart Ernst Wolf ist nicht mehr. Der in Simeria geborene Wolf ist am 13. August 2002 im Alter von 84 Jahren in Nördlingen unerwartet gestorben. Wolf nahm 1938 mit der rumänischen Nationalmannschaft an der Großfeldhandball-Weltmeisterschaft in Deutschland teil und wurde mit Arsenal/Derubau Hermannstadt 1949 Landesmeister und 1950 Pokalsieger. Johann Steiner, Autor der Reihe „Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen und dem Banat“, gelang es, Wolf noch vor dessen Ableben zu interviewen.

Vointa Hermannstadt 1952, von links nach rechts: Wilhelm Schoger, Ernst Wolf, Ion Tecusan, Otto Günther, Otto Geimer, Wilhelm Heidel, Günter Müller, Peter Lang, Bernhard Roth, Wilhelm Kirschner, Horst Kremer, Lazar Luca, Reinhard Breckner und Trainer Hans Schuschnig.
Vointa Hermannstadt 1952, von links nach rechts: Wilhelm Schoger, Ernst Wolf, Ion Tecusan, Otto Günther, Otto Geimer, Wilhelm Heidel, Günter Müller, Peter Lang, Bernhard Roth, Wilhelm Kirschner, Horst Kremer, Lazar Luca, Reinhard Breckner und Trainer Hans Schuschnig.

Ernst Wolf besitzt ein dickes Album. Er hütet es fast wie seinen eigenen Augapfel. Es enthält einen guten Teil der Geschichte der Handballmannschaft des Hermannstädter Lehrerseminars von 1932 bis 1940. Rot auf weiß ist darin zu lesen, wie sich die Seminar-Mannschaft in all den Jahren im Siebenbürger Handballbetrieb geschlagen hat. Auf den vergilbten Seiten, die in den fast 70 Jahren einen spezifischen Altpapier-Geruch entwickelt haben, sind alle Spiele bei den Schülerolympiaden mit Ergebnissen und Kommentaren aufgezeichnet. Es sind Spiele gegen die anderen Coetus-Mannschaften. Die Chronik, seinerzeit von Wilhelm Hitsch angelegt und von Hans Hermannstädter und Hans Groß fortgesetzt, enthält auch Fotos, die Ernst Wolf als Leichtathleten und Handballer zeigen. Und dazwischen sind weitere Fotos, die den ehemaligen Klassetorwart neben seinen Mannschaftskameraden zeigen. Am Ende ist die Chronik durch Berichte und Fotos aus der Zeit nach dem Lehrerseminar vervollständigt. Aus der Zeit nach dem Krieg, als Wolf mit Arsenal (danach Derubau) Hermannstadt 1949 Landesmeister und 1950 Pokalsieger geworden ist.

Der am 23. November 1917 in Simeria geborene Ernst Wolf kommt auf dem Gymnasium in Hermannstadt mit dem Handball in Berührung. Weil es in Petrosani, wohin die Familie gezogen ist, keine deutsche Schule gibt, muss Ernst Wolf nach Hermannsstadt aufs Gymnasium wechseln. Die ersten Schritte auf dem Handballplatz macht Wolf auf dem Gymnasium unter den Augen seines Sportlehrers Wilhelm Binder, dem Vater des Siebenbürgischen Handballs. Nach Binder wird Rudolf Schneider die sportliche Entwicklung Wolfs begleiten. Nach vier Jahren Gymnasium wechselt Wolf aufs Seminar, das er nach fünf Jahren als Lehrer verlässt. Das Internat des Seminars ist für den Sportbetrieb der jungen Leute wie geschaffen. Dort betreibt Wolf Leichtathletik und Handball. Wolf ist so gut, dass er beispielsweise 1938 bei der Bistritzer Schülerolympiade im Siebenkampf den ersten Preis gewinnt. Doch auch Geräteturnen gehört zu Wolfs Lieblingsdisziplinen. 1938 wird die Seminar-Mannschaft durch einen 14:0-Sieg über Honteri die vom Mediascher Unternehmer Samuel Karres für die Handballturniere der Schülerolympiaden gestiftete Stefan-Ludwig-Roth-Plakette gewinnen.

Ernst Wolf über die Zeit im Lehrerseminar: „Der Spielleiter hat uns im Internat täglich um 6 Uhr geweckt. Mit einem Dauerlauf, Freiübungen und einer kalten Dusche sind wir in den Tag gestartet. Alles war spartanisch. Für uns Sportler war von Vorteil, dass wir im Internat wohnten. Durch Laufen, Turnen und Leichtathletik waren wir durchtrainiert.“

Und so ist es kein Wunder, dass Wolf 1938 der rumänischen Nationalmannschaft angehört, die Juli an der ersten Handballweltmeisterschaft in Berlin teilnimmt. In der Mannschaft stehen ferner die ehemaligen Seminaristen Hans Hermannstädter und Hans Georg Herzog. Trainer Hans Schuschnig wird mit der Mannschaft Platz fünf belegen. Ernst Wolf, der „die gute Atmosphäre bei der Weltmeisterschaft“ noch in guter Erinnerung hat, bedauert aber, dass die Mannschaft nur Platz fünf belegt hat. Denn im letzten Spiel führt die rumänische Mannschaft kurz vor Spielende 6:5, doch die Schweden erzielen in zwei Blitzaktionen zwei Tore und gewinnen 7:6.

Noch im Weltmeisterschaftsjahr wird Ernst Wolf mobilisiert. Bereits im Oktober ist er Soldat. Erst 1948 ist er wieder zu Hause nach Krieg und Gefangenschaft in Sibirien. Eine Odyssee durch russische Lager liegt hinter ihm.

In Hermannstadt zurück, stößt Wolf zur neu gegründeten Arsenal-Mannschaft, mit der (sie heißt inzwischen Derubau) er 1949 Landesmeister wird. Die Hermannstädter gewinnen das Meisterschafts-Endspiel gegen Schäßburg. Der Meistermannschaft gehören ferner an: Bernhard Roth, Wilhelm Heidel, Kamilli, Wilhelm Kirschner, Otto Günther, Peter Lang, Günther Lani, Heinrich Breckner, Kurt Unger, Walter Rosetzky, Willi Schoger, Günter Müller, Günter Höchsmann, Horst Kremer und Albert Weidenfelder. 1950 gewinnt die Mannschaft den Pokalwettbewerb. Zum 2:1-Sieg über den Armeesportklub Bukarest steuern Kirschner und Schoger die Tore bei. Nebenbei trainiert Wolf die zweite Mannschaft von Arsenal. Das Tor der Hermannstädter wird Wolf bis 1954 hüten. Danach bleibt er der Mannschaft als Trainer bis 1962 erhalten. Er wird eine Zeit lang die zweite Kleinfeld-Mannschaft des Klubs betreuen. Von 1949 bis 1954 wird Wolf mehrere Länderspiele für Rumänien bestreiten, bis ihn Rudolf Haberpursch als Nationaltorwart ablöst.

Wie geschätzt Ernst Wolf als Torwart war, bezeugt eine Eintragung Hans Hermannstädters in der Chronik der Seminaristen: „Du, lieber Ernö, hast fünf Jahre lang deinen Mann im Seminartor gestellt. Du wirst als Torwart einzigartig da stehen ... Ihr, unsere Nachfolger, nehmt euch ein Beispiel an diesem Torwart!“ Später wird derselbe Hermannstädter über Wolf schreiben: Er war der „beste und berühmteste Handballtorwart, den Rumänien je besaß“.

Wolf übt den Lehrerberuf nur ein Jahr lang aus. Der Handball bringt es mit sich, dass er 33 Jahre lang als Buchhalter in dem Betrieb arbeitet, der die Hermannstädter Handballmannschaft unterstützt und fördert. Als 64-Jähriger geht er in Rente. Betrieb und Arbeitsplatz hat er nie gewechselt.

Ernst Wolf erinnert sich noch immer gerne an die schönen Zeiten, die ihm der Handballsport beschert hat. Das Spiel auf dem Großfeld hat es dem großen Torhüter angetan. Das war noch ein anderes Spiel als der heutige Kleinfeldhandball, sagt Wolf. Seinerzeit hat es noch einen richtigen Mannschaftsgeist und eiserne Disziplin gegeben. Ist einmal ein Spiel verloren gegangen, hat es nie in der Kabine Streit gegeben. Was zu sagen war, ist in der Mannschaftsbesprechung während der Woche auf den Tisch gekommen. Ernst Wolf ist seit 1990 mit seiner Familie in Deutschland. Heute ist er in Nördlingen zu Hause.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 30. November 2002, Seite 13)

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