22. Februar 2003

Siebenbürgisches Museum existenziell bedroht

Die rot-grüne Bundesregierung lehnt die Verlängerung der Zuwendungen für das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim am Neckar über das Jahr 2004 hinaus ab. Eine weitere Personalstelle wird abgebaut, in Gundelsheim soll laut Ministerialrat Jürgen Martens nur noch ein "museales Fenster" übrig bleiben. Zudem sei geplant, wichtige Teile des historisch gewachsenen Sammelbestandes nach Berlin und Ulm zu verlagern. Angesichts der dramatischen Lage ist eine verstärkte Unterstützung und Förderung durch Mitglieder und Freunde vonnöten.
Der Trägerverein und der neu gegründete Förderverein des Siebenbürgischen Museums tagten am 8. Februar in Gundelsheim. Die Bilanz der Museumstätigkeit für das Jahr 2002 offenbarte sowohl Erfreuliches als auch Nachdenkliches. So sprechen die ungebrochen seit Jahren dem Museum kontinuierlich zukommenden Sachspenden dafür, dass sich die Siebenbürger Sachsen in Deutschland, aber auch in Rumänien weiterhin mit „ihrem“ Museum identifizieren, und dass die Mitarbeiter dieser Einrichtung auch in der Zukunft auf den Wissensschatz und das Engagement der kulturellen Träger des Museums bauen können.

Man wünscht sich in Gundelsheim, dass sich solches Zugehörigkeitsgefühl auch in den Besucherzahlen niederschlagen würde. Im letzten Jahr wurden knapp 4 000 Besucher gezählt. Die zum Teil hochrangigen Veranstaltungen der „Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002 der Landsmannschaft“ in Gundelsheim, bei denen das Siebenbürgische Museum Mitveranstalter war, bewiesen, dass das Interesse an siebenbürgischer Problematik durchaus lebendig ist. Die Veranstaltungen wurden von zahlreichen Interessierten aller Altersklassen quer durch alle gesellschaftliche Schichten, und nicht nur von Siebenbürgern, besucht. Die Aufmerksamkeit der Besucher galt nicht allein dem Museum, sondern auch dem Archiv, der Bibliothek und dem Siebenbürgen-Institut. Diese Einrichtungen sind zu einer Einheit gewachsen, und allein in dieser Verflechtung lässt sich Kulturelles vielschichtig und anspruchsvoll darbieten.

Besorgnis erregend, weil bedrohlich, ist es, dass der Bund als finanzieller Zuwender des Museums die Einheit der Gundelsheimer Einrichtungen, wie erst kürzlich mitgeteilt, wohl aufgegeben hat, und, wie es an dem Entwurf des Haushaltsplans 2004 des BKM ablesbar ist, sogar die im Laufe eines halben Jahrhunderts gewachsene Sammlung insgesamt aufs Spiel setzt. Nachdem die Stelle des Museumsleiters nach dem Ausscheiden von Dr. Volker Wollmann nicht mehr besetzt wurde und in nächster Zukunft auch nicht mehr besetzt werden soll, soll nun eine weitere wissenschaftliche Stelle aus dem Stellenplan des Siebenbürgischen Museums aufgegeben werden und dem Museum Europäischer Kulturen in Berlin zugute kommen. Ministerialrat Dr. Jürgen Martens, der als Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM) an der Sitzung in Gundelsheim teilnahm, gab zu erkennen, dass dem musealen Geschehen in Gundelsheim mit dem Umzug der Stelle nach Berlin nicht nur ein finanzieller Einschnitt auferlegt werde, sondern dass gleichzeitig auch wichtige Teile der Museumsbestände sowohl nach Berlin als auch Ulm verlagert werden sollen. Eine solche „Morgengabe“ an Berlin und Ulm könnte die konzentrierte Leistung von Generationen von Museumswissenschaftlern zunichte machen. In Gundelsheim wurde ein repräsentativer Museumsbestand als Spiegelbild allgemeiner siebenbürgischer Problematik zusammengetragen, der in Deutschland einzigartig ist, unter anderem auch weil er die kulturelle Gruppenidentität der Siebenbürger Sachsen in den letzten fünfzig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland anhand so wichtiger gesellschaftlicher Mechanismen wie Integration und Bewahrung eigener Kulturmodelle aufs Deutlichste veranschaulicht.

Schloss Horneck auf Gundelsheim – Sitz der historisch gewachsenen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen. Foto: Hans-Werner Schuster
Schloss Horneck auf Gundelsheim – Sitz der historisch gewachsenen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen. Foto: Hans-Werner Schuster

Der Trägerverein hat die im Wirtschaftsplanentwurf des BKM 2004 offen gelegten Intentionen und die daraus zu folgernden Handlungsabläufe zur Kenntnis genommen, wonach in Gundelsheim nur noch ein „museales Schaufenster“ übrig bleiben soll. Angesichts dieser existenziellen Bedrohung bemüht sich der Verein, für die Einheit der Einrichtung alle Kräfte zu mobilisieren. In diesem Sinne gilt es nach zwei Richtungen zu agieren. Zum einen darf die „Heidelberger Lösung“, die die Einheit der siebenbürgischen Einrichtungen mit der Attraktivität eines Universitäts- und Tourismusstandortes verbindet, nicht aufgegeben werden. Zum anderen bedarf es dringend eigener Räumlichkeiten, die eine konservatorische Aufbewahrung der Gundelsheimer Kulturschätze gewährleisten. In diesem Sinne gibt es ein Angebot der Gundelsheimer Stadtverwaltung, das noch finanziell auch durch Spenden dringend ergänzt werden muss.

Irmgard Sedler


Aufruf zum Erhalt des Siebenbürgischen Museums

Im Anschluss an die Vorstandssitzung des Trägervereins fand am Nachmittag des 8. Februar die gemeinsame Sitzung von Vorstand und Beirat des Anfang November letzten Jahres gegründeten Fördervereins des Siebenbürgischen Museums statt. Vor dem Hintergrund der musealen Entwicklung in Gundelsheim kommt dieser Vereinsgründung und dem engagierten Wirken der Vereinsmitglieder eine bedeutende Rolle zu. Die Fördermittel des Vereins sollen zur Eigenständigkeit bei Entscheidungen über das gemeinsame Kulturgut beitragen. Vorstand und Beirat haben daher einstimmig für eine breite Vereinsbasis und die Gewinnung möglichst vieler Spender plädiert. In diese Richtung gehen die bisherigen und künftigen Anstrengungen des Vereinsvorstandes. Hierzu gilt es auch, den Stellenwert des Kulturellen bewusst zu machen und zu fördern. Der Förderverein des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim fordert alle Freunde siebenbürgischer Kultur und den Freundeskreis des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim hiermit auf, durch Beitritt zum Verein und durch Spenden, aber auch durch Museumsbesuche, ihren Beitrag zur Erhaltung des Siebenbürgischen Museums zu leisten. Das Museum kann nur solange siebenbürgisches Kulturgut eigenständig und eindringlich bewahren und in die Öffentlichkeit tragen, wie ihm eine breite Unterstützung gewiss ist.

Aufnahmeanträge sind an den Vorsitzenden des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums, Rolf-Dieter Happe, Sauerstraße 9, 85049 Ingolstadt, zu richten.
Die Bankverbindung für Beiträge und Spenden lautet: Verein zur Förderung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim, Kontonummer 776947, bei der Raiffeisenbank Ingolstadt, Bankleitzahl 721 608 18
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Rolf-Dieter Happe


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 3 vom 28. Februar 2003, Leitartikel)

Weitere Artikel zum Thema Siebenbürgisches Museum:
Kulturzentrum in Gundelsheim als Einheit erhalten, Siebenbürgische Zeitung-Online, 24. November 2001

Neue Intervention für Kulturzentrum Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 11. Januar 2002

Gemeinsame Lösung für Siebenbürgisches Museum angestrebt, 9. März 2002

Nach den Bundestagswahlen: Zuversicht in Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. Oktober 2002

Förderverein Siebenbürgisches Museum gegründet, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. November 2002

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