12. April 2003

Totgesagte leben länger

Die Siebenbürger Sachsen vertrauen weiter ihrem kulturellen Leistungswillen und hoffen, dass die Bundesregierung zu ihrem Wort steht, eine "gemeinsame Lösung", mit den Betroffenen für das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim am Neckar zu finden. Ministerialrat Dr. Jürgen Martens vom Ressort der Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM) drohte in einem Leserbrief, veröffentlicht in der Siebenbürgischen Zeitung, vom 31. März 2003, Seite 8, dass es in Gundelsheim nur noch ein "museales Schaufenster", geben werde. Karin Servatius-Speck, stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum und stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, bekräftigt im Folgenden den Willen Ihrer Landsleute, die historisch gewachsene Einrichtung am Leben zu erhalten.
Nein, sehr geehrter Herr Dr. Jürgen Martens, das Siebenbürgische Museum Gundelsheim darf nicht zum "musealen Schaufenster" abgewertet und wegrationalisiert werden! Wir, der Trägerverein des Museums, waren niemals damit einverstanden. Das Museum wird weiter existieren, vielleicht, weil (hier von Ihnen) Totgesagte länger leben? Vor allem weil wir es der großartigen Leistung unserer Vorgänger schuldig sind und unserem kulturellen Gemeinschaftsleistungsvermögen ebenso vertrauen wie der Unterstützungsbereitschaft der Bundes- und Landesregierungen.

1993 hatte es der Vertreter des Bundesinnenministeriums, der mit der Betreuung des musealen Bereiches der Deutschen aus dem Osten beauftragt war, noch so formuliert: "Das Bundesministerium des Inneren fördert das Siebenbürgische Museum im Rahmen eines gesetzlichen Auftrages. Dieser ist festgeschrieben im §96 des Bundesvertriebenengesetzes."

1991 war dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim der Rang eines Landesmuseums zugesprochen worden. Dank jahrzehntelanger erfolgreicher Gemeinschaftsleistung und dem. hohen Engagement Einzelner, dank des hochwertigen Fundus an Exponaten aus Schenkungen, Leihgaben, Ankäufen war dem Museum diese hohe Wertung zuerkannt worden, und nun sollte die Sicherheit der finanziellen Mittel für noch qualitätsvollere wissenschaftliche Arbeit, Präsentation und für die Erweiterung des Bestandes gewährleistet sein. Unbefristet und verlässlich. Das soll sich nun endgültig als Trugschluss erweisen, wie im Leserbrief von Ministerialrat Jürgen Martens in der Siebenbürgischen Zeitung vom 31. März 2003, Seite 8, zu lesen ist.

 Schloss Horneck auf Gundelsheim – Sitz der historisch gewachsenen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen. Foto: Hans-Werner Schuster
Schloss Horneck auf Gundelsheim – Sitz der historisch gewachsenen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen. Foto: Hans-Werner Schuster

Am Anfang der institutionellen Förderung, die der Bund 1991 übernahm, lief noch alles gut. Mit der Stellenzahl (6), drei davon für Wissenschaftler, sollte auch das Gewicht des Museums im wissenschaftlichen und Öffentlichkeitsbereich wachsen. Die vom Bund gestartete Aktion "Spurensicherung in Siebenbürgen", ermöglichte wertvolle Ankäufe während der großen Aussiedlungswelle aus Siebenbürgen Anfang der neunziger Jahre. Gerne vertrauten die verunsicherten Aussiedler ihre Familienschätze den Akquisiteuren aus Deutschland an, wussten sie diese doch am wichtigsten Bezugsort in der neuen Heimat, in Gundelsheim, wohl verwahrt und geschätzt.

Schrittweiser Aufbau des Museums

Gundelsheim hatte sich in den vier Jahrzehnten seit dem Erwerb von Schloss Horneck durch den siebenbürgisch-sächsischen Hilfsverein "Johannes Honterus", dank dem von diesem vor Ort betriebenen Altenheim, der wachsenden Bibliothek und dem Archiv, nicht zuletzt dank dem Museum zu einer "einzigartigen Symbiose", als "sozial-humanitäres, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum", entwickelt (Volker Wollmann).

Mit den privaten Sammlungen von Lore Connerth-Seraphin und Luise Treiber-Netoliczka sowie der vom Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart überlassenen Nordsiebenbürgischen Bauernstube wurde 1961 der museale Grundstein gelegt. Der "Honterus"-Verein hat die Räumlichkeiten auf Schloss Horneck großzügig zur Verfügung gestellt - bis heute zahlt das Museum nur anfallende Nebenkosten und eine symbolische Miete. 1968 wurde dann ebenda das "Heimatmuseum der Stadt Gundelsheim und der Siebenbürger Heimatstube", anlässlich der Jahrestagung des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde offiziell eröffnet.

Der schrittweise Aufbau des Museums, vorrangig aus Mitteln der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft, lag bis zur Gründung des Trägervereins des Museums Gundelsheim in den Händen des Honterus-Vereins. 1973 statuierten die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Hilfsverein der Siebenbürger Sachsen "Johannes Honterus", und der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde den Trägerverein "Siebenbürgisches Museum", der laut Satzung siebenbürgisches Kulturgut sammelt, für kommende Generationen bewahrt und erforscht sowie die Sammelobjekte präsentiert.

Die Visionen der ehrenamtlichen Leiter, Kustoden und Mitdenker und -gestalter wie Günther Ott, Rolf Schuller, Balduin Herter hatten das Ziel, mit der Schausammlung - verbunden mit Archiv und Bibliothek - Siebenbürger und Nichtsiebenbürger, Laien wie Wissenschaftler, Deutsche wie Ausländer anzusprechen. Diese moderne Konzeption wurde von der bundesdeutschen Wissenschaftlerin Katrin Mönch, die der Trägerverein 1983 als Kustodin, später als Leiterin des Museums einstellte, übernommen und mit großem Einsatz und Erfolg weiterentwickelt. 1988 schied sie viel zu früh aus dem Leben, aber Ihre "Konzeption 2000", die sie für ein zukünftiges Landesmuseum mit wohlgeprüftem Standort Gundelsheim entworfen hatte, sollte auch nach 1991 in Überlegungen einbezogen werden.

Nach und nach war die Ausstellungsfläche auf 434 qm gewachsen, nach der Übernahme in institutionelle Förderung durch den Bund sollten es 515 qm werden, auch die wichtige Dependance für Büroräume und sachgerechte Lagerung im Zentrum der Stadt kam hinzu.

Fragwürdiges Konzept wird als Affront empfunden und führt zu einem Rückgang der Besucherzahlen

1997 waren umfang- und kostenreiche Umbaumaßnahmen abgeschlossen worden, dabei war aber, gegen den Willen der siebenbürgischen Seite, ein Konzept durchgesetzt worden, wonach die Ausstellung "primär von dem Anliegen geprägt ist, bei der Erlebnisgeneration eine Bewusstseinsänderung im Hinblick auf die eigene ethnozentrierte Sicht von Geschichte und Tradition zu bewirken", - so formuliert ein fachliches Gutachten für den Förderer den Grundgedanken der neuen Konzeption, die das Museum heute prägt. Für unsere Landsleute, die bis dahin In Gundelsheim das verlorene Stück Bestätigung in und durch Heimat suchten und fanden, war dies ein Affront. Die Besucherzahl fiel um die Hälfte und mehr, Enttäuschung und Empörung machten sich breit. Der Trägerverein hat die neu gestaltete Ausstellung bis heute nicht befürwortet und nicht abgenommen. Umgehend hatte er ein Gremium von Fachleuten berufen, die neue Dauerausstellung fachgerecht zu verbessern. Der Trägerverein entwickelte sich somit In dieser Zeit und weiterhin zu einem unbequemen Partner für den finanziellen Träger, denn er forderte nun auch Rechenschaft über die wissenschaftliche Arbeit der Mitarbeiter, über die Öffentlichkeitsarbeit des Museums und dessen Breitenwirkung, über den Einsatz der hohen Dotierung, die nun auch dafür zur Verfügung stand. Das Ergebnis war sehr enttäuschend und wurde über die Jahre nicht wesentlich verbessert: noch immer gibt es trotz großzügiger finanzieller Bereitstellung nicht einmal ein museumseigenes Plakat, keinen Museumskatalog, keine wissenschaftliche, bloß eine numerische Inventarisierung (!), die geplanten Aktivitäten des Museums erscheinen weder in einer regionalen noch überregionalen einschlägigen Publikation um entsprechend Aufmerksamkeit zu fordern.

Bund will Museum aus dem dem Siebenbürgischen Kulturzentrumskomplex herauslösen

Die bewährte Museumswissenschaftlerin, Siebenbürgenkennerin und Volkskundlerin Irmgard Sedler, die der Trägerverein zur Vorsitzenden berief, konnte in den letzten vier Jahren nur gegen Widerstand einige Verbesserungen auf den Weg bringen.

Auch die Bemühung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates konkrete Verbesserungsvorschläge einzubringen "muss für den Bund bei allen Überlegungen außer Betracht bleiben", ließ Dr. Jürgen Martens im erwähnten Leserbrief wissen. Vor allem weil Trägerverein und Kulturrat sich nun gemeinsam gegen den vom Bund eingeschlagenen Weg der Überlegungen, die Missstände aus der Welt zu schaffen vehement wehrten: das Museum sollte aus dem Siebenbürgischen Kulturzentrumskontext herausgelöst und nach Ulm verlegt werden - in "ungeahnte Synergieeffekte mit dem Donauschwäbischen Museum", (Martens)! Der Museumsträger ist zu keiner Zeit mit einer Einzelverlegung des Museums einverstanden gewesen, denn Synergieeffekte, das heißt sinnvolles Zusammenwirken auch für die Forschung der Zukunft, sind nur durch den Zugriff und Einblick auf und in das gesamte Gefüge der siebenbürgischen Zeugnisse des Kulturzentrums möglich und sinnvoll. Das Siebenbürgen-Institut des Kulturzentrums wurde am 28. März 2003 als An-Institut der benachbarten Universität Heidelberg angegliedert, ein großartiger Schritt in die wissenschaftliche Öffentlichkeit! - sein Sitz und Standort verbleibt aber auch weiter in Gundelsheim.

Der Trägerverein des Museums hat in seinen konsequenten Entscheidungen niemals "leichtfertig", gehandelt, wie von Dr. Martens zu Unrecht behauptet wird. Vielleicht war man leichtgläubig in großem Vertrauen, weil niemand damit rechnete, dass die finanzielle Unterstützung im letzten Jahrzehnt eine Entmündigung, ja gar eine Enteignung gegen den eigenen Willen mit sich bringen könnte! In Jahrhunderten Geschaffenes, in Jahrzehnten für heute und die Zukunft Aufgebautes, fürsorglich für die Wissenschaft Bewahrtes soll nun zerschlagen werden?! Soll nun ein Teil unserer Kulturgüter, nach drastischer Reduzierung des wissenschaftlichen Personals, mit Dr. Beate Wild an das Museum für Europäische Kulturen nach Berlin wandern? Und ein anderer Teil nach Ulm, wo es keinen gewachsenen Bezugspunkt gibt? Wird mühsam wieder zusammengefügtes Kulturgut einfach auseinander gerissen? Darf das sein, nachdem der damalige Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM), Prof. Julian Nida-Rümelin, noch im September 2002 zugesichert hatte, dass es keine Entscheidung gegen den Willen der Betroffenen geben werde? Bei einem Spitzengespräch mit Bundesinnenminister Otto Schily und Volker Dürr, dem Bundesvorsitzenden der siebenbürgischen Landsmannschaft, hatte der Kulturstaatsminister einen "gemeinsamen Weg", befürwortet, bei dem die Einrichtung des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim nicht beschädigt und ihr Fortbestand gesichert sein werde.

Aufruf zum Erhalt des Siebenbürgischen Museums

Wir haben die Hoffnung auf die Unterstützung durch die Bundes- und die Landesregierungen nicht aufgegeben. Die guten und sinnvollen Konzepte zum Erhalt des Museums und des Kulturzentrums als Einheit haben wir rechtzeitig beim BKM eingereicht. Noch lassen wir unser Museum nicht totsagen oder zum musealen Schaufenster wegrationalisieren. Aber wir brauchen dazu auch Ihre Unterstützung, liebe Landsleute, so wie sie jahrzehntelang verlässlich erfolgt ist nun mehr als je! Wir haben den Förderverein des Museums als eingetragenen Verein statuiert, wir hoffen, dass die treuesten Förderer, der Freundeskreis des Museums mit seinen rund 600 Mitgliedern, kein eingetragener Verein, in diesen Förderverein eingehen wird, und wir bauen auf neue Mitglieder, Spender und Zuwender, auf dass es wieder ein „selbstständiges Siebenbürgisches Museum“, geben kann!

Karin Servatius-Speck


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2003, Leitartikel)

Die Bankverbindung für Beiträge und Spenden lautet: Verein zur Förderung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim, Kontonummer 776947, bei der Raiffeisenbank Ingolstadt, Bankleitzahl 721 608 18. Aufnahmeanträge sind an den Vorsitzenden des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums, Rolf-Dieter Happe, Sauerstraße 9, 85049 Ingolstadt, zu richten.

Leserecho zum Thema Siebenbürgisches Museum auf Seite 9 der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2003.

Weitere Artikel zum Thema Siebenbürgisches Museum:

Siebenbürgisches Museum existenziell bedroht, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. Februar 2003

Förderverein Siebenbürgisches Museum gegründet, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. November 2002

Nach den Bundestagswahlen: Zuversicht in Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. Oktober 2002

Gemeinsame Lösung für Siebenbürgisches Museum angestrebt, Siebenbürgische Zeitung-Online, 9. März 2002

Neue Intervention für Kulturzentrum Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 11. Januar 2002

Kulturzentrum in Gundelsheim als Einheit erhalten, Siebenbürgische Zeitung-Online, 24. November 2001

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