26. September 2003

Tanz zwischen Kirchenburgen und literarischem Gespräch

Mit einem Linienbus startete die Bundesjugendleitung der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) am 16. August zu einer zweiwöchigen Sommerreise nach Siebenbürgen. Von den insgesamt 13 Jugendlichen, die bis auf eine Ausnahme alle siebenbürgischer Herkunft sind und aus nahezu allen Regionen Siebenbürgens stammen, bekleidet die Mehrzahl ein aktives Ehrenamt innerhalb der Bundesjugendleitung oder der SJD-Landesjugendleitungen der einzelnen Bundesländer.
Über Siegen, Frankfurt, Heilbronn und Nürnberg setzte unser Reisebus seine Route bis an die österreichisch-ungarische Grenze fort, wo bereits einer aus unserer Mitte die Heimreise wieder antreten sollte, da sein Ausweis abgelaufen war. Auf abenteuerliche Weise stieß er später in unserem ersten Quartier in Michelsberg zu uns. Auf der ersten Etappe unserer Reise, die uns vier Tage lang in die Hermannstädter Gegend und in den Unterwald führte, waren wir im Elimheim in Michelsberg untergebracht. Gleich am ersten Abend unternahmen wir auf unserem Spaziergang zum "Halben Stein" auch einen Rundgang durch Michelsberg. Tags darauf besuchten wir in Hermannstadt das Carl-Wolff-Altenheim mit seiner Pflegestation. Die einzelnen Stationen der 1994 fertig gestellten Anlage präsentierten sich in einem sehr gepflegtem Zustand. Dank der finanziellen Unterstützung verschiedener Trägervereine, auch aus Deutschland, werden in der liebevoll eingerichteten Umgebung rund 106 Bewohner, größtenteils siebenbürgisch-sächsischer Herkunft, betreut. Alsdann erwartete uns auf dem Großen Ring Stadtführer Roger zu einem Rundgang durch die Altstadt.

Teilnehmer der Siebenbürgenfahrt der SJD-Bundesjugendleitung auf der Aussichtsplattform der Warthe in Kronstadt.
Teilnehmer der Siebenbürgenfahrt der SJD-Bundesjugendleitung auf der Aussichtsplattform der Warthe in Kronstadt.


Am nächsten Tag stand der Besuch der Kirchenburgen von Heltau und Großau auf dem Programm sowie ein Abstecher zur Kellinger Gräfenburg. Beim Baden in Salzburg wuschen wir uns den Straßenstaub von unseren Füßen. Der Abend klang in Reußdörfchen aus auf einem Ferienlandheim, das in dem ehemaligen evangelischen Pfarrhaus eingerichtet wurde. Hier verbringen deutschsprachige Schulkinder aus größeren Städten ihre Ferien, wo ihnen das Landleben und Hauswirtschaften näher gebracht werden sollen.

Zu Gast bei Eginald Schlattner

Nach unserem morgendlichen Besuch der Michelsberger Bergkirche ging es nach Rothberg, wo uns Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner erwartete. Zunächst besuchten wir die evangelische Dorfkirche von Rothberg. In Rothberg leben nur noch fünf alte Sachsen. In einem der Seitenschiffe der Kirche harren fünf Holzsärge ihrer Bestimmung. Betroffenheit machte sich in vielen von uns breit. Pfarrer Schlattner forderte uns auf, in den vordersten Kirchenbänken Platz zu nehmen. Dann erzählte er aus seinem bewegten Leben, über seine Arbeit als evangelischer Gefängnispfarrer in Siebenbürgen, seine Sozialarbeit mit den Roma, für deren Belange er sich sehr einsetzt. Auch an seiner schriftstellerischen Arbeit ließ er uns teilhaben, indem er uns Einblick in sein neuestes, noch nicht veröffentlichtes Werk gewährte. Mit einem Fürbittgebet und der Segnung von uns allen verlieh Pfarrer Schlattner unserem Besuch einen feierlichen Rahmen. In seiner berühmten Kutsche drehten wir zum Abschluss eine Ehrenrunde durch die Gemeinde Rothberg. Den letzten Abend in Michelsberg nutzten wir zu einer Grillfeier mit lieben Gästen.

Sternpolka in Zeiden

Mit der Weiterfahrt ins Burzenland begann die zweite Etappe unserer Rundreise. Unterwegs besuchten wir in Kerz die evangelische Kirche und die Ruinen der ehemaligen Zisterzienserabtei, dann das orthodoxe Kloster Sâmbata. In Neustadt bezogen wir im neu renovierten Pfarrhaus unser zweites Quartier, bevor es nach Zeiden ging. Dort war die Bundesjugendleitung der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) offiziell zum Richtfest der Jugendscheune eingeladen. Nach dem Einweihungsgottestdienst in der Jugendscheune wurden wir im Garten des Pfarrhauses aufs Herzlichste bewirtet. Zur Feier des Tages führte die Tanzgruppe Zeiden einige Tänze aus ihrem Repertoire auf und es dauerte nicht lange, bis die meisten von uns den Tanzkreis erweiterten. Unter kräftigem Beifall wurden die "Reklich Med" und "Sternpolka" gemeinsam getanzt. Die Tänzer verstanden sich auf Anhieb gut, auch wenn viele Mitglieder der Zeidner Tanzgruppe nicht siebenbürgisch-sächsischer Herkunft sind. Bewundernswert, wie selbstverständlich sich diese junge Menschen die Tracht einer anderen Nation anlegen, die deutschen Tänze tanzen und sich fließend in deutscher Sprache unterhalten, obwohl es nicht ihre Muttersprache ist. Der Abend klang aus mit dem Besuch des Schlagerfestivals „Goldener Hirsch“ (Cerbul de aur) in Kronstadt.

Viele weitere Höhepunkte folgten, so unser Besuch der Kirchenburgen von Tartlau und Heldsdorf, unser Gottesdienst zum Bartholomäusfest in Bartholomä, dem ältesten Stadtteil Kronstadts. Allem voran stand der festliche Gottesdienst mit der Feier des Heiligen Abendmahls, dem sich ein reich gestaltetes Programm anschloss, begleitet von der Zeidner Blaskapelle und aufgelockert durch die Darbietungen der Tanzgruppe Kronstadt und einer gemeinsam getanzten "Sternpolka".

Durch den Geisterwald ging es erst in die Repser Gegend zu den Kirchenburgen von Hamruden und Deutsch-Weißkirch, dann ins Weinland, dem dritten Etappenziel unserer Siebenbürgenreise. Unsere Einquartierung erfolgte im Gästehaus in Birthälm. Nach Kirchenburg von Tobsdorf besichtigten wir Schäßburg, wo uns der evangelische Stadtpfarrer und Bezirksdechant von Schäßburg, Hans-Bruno Fröhlich, zu einer ausgedehnten Stadtführung empfing. In Hetzeldorf besuchten wir das Altenheim mit seinen 26 Heimbewohnern. Wie auf einem kleinen Bauernhof kümmern sich dort die noch rüstigen Heimbewohner um das Kleinvieh in den Ställen. Am nächsten Morgen bewunderten wir die Kirchenburg von Birthälm, eine der schönsten und besterhaltenen Wehranlagen Siebenbürgens. In Mediasch besichtigten wir das Kirchenkastell. Weitere Stationen waren Baaßen und die Kirchenburg von Wurmloch.

Unterwegs in Nordsiebenbürgen

In Sächsisch Regen empfing uns im Pfarrhof der evangelische Stadtpfarrer Zoran Kezdi mit Kaffee und Kuchen, bevor wir mit ihm die Stadtpfarrkirche besichtigten. In Deutsch-Zepling wurde unsere Gruppe im evangelischen Pfarrhaus vom Kurator der Gemeinde begrüßt und anschließend auf die Gastfamilien aufgeteilt. Mit einem Pferdegespann holte man uns zu einer Dorfrundfahrt ab. Unser Abendessen nahmen wir auf dem evangelischen Pfarrhof in Weilau ein, wo wir eine sehr intakte evangelische Kirchengemeinde mit 200 Gemeindegliedern vorfanden.

Am nächsten Tag besuchten wir die Kirchenburg von Lechnitz und gelangten über Jakobsdorf nach Bistritz, in die ehemalige Hauptstadt des Nösnerlandes. Die Altstadt hat ihren mittelalterlichen Charakter mit den alten Laubengängen der ehemaligen Kaufmannshäuser am Kornmarkt größtenteils beibehalten. Über die Gemeinden Senndorf und Minarken kehrten wir in unser Quartier im Pfarrhaus zu Deutsch-Zepling zurück. Dort hieß es Kofferpacken, denn um 4.00 Uhr morgens fuhren wir in unserem Linienbus über Neumarkt nach Hermannstadt. Dort stiegen die letzten Mitreisenden zu, ehe wir die Heimfahrt in Richtung Deutschland antraten.

Auf der Rückfahrt blieb uns genügend Zeit, die erlebnisreiche Reise noch einmal Revue passieren zu lassen. Beim Ausstieg noch ein letztes Gruppenfoto. Bedanken möchten sich alle Reiseteilnehmer ganz herzlich bei Rainer Lehni, Bundesjugendleiter der SJD, und Ines Grempels, stellvertretende Bundesjugendleiterin, für die ausgezeichnete Organisation und ihr unermüdliches Engagement für den reibungslosen Ablauf der Reise.

Inge Erika Knoll


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003, Seote 12)

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