3. Oktober 2003

"Sie sind die prädestinierten Brückenbauer"

Ihr 50-jähriges Jubiläum feierte die Kreisgruppe Reutlingen-Metzingen-Tübingen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen kürzlich mit einem glanzvollen Fest in Metzingen.
Die Gäste der Festveranstaltung wurden in der Stadthalle mit heimatlichen Klängen der Blaskapelle der Kreisgruppe Böblingen begrüßt. Im Foyer wurde eine Ausstellung mit traditionellen siebenbürgischen Handarbeiten, mit Trachten, Malerei und Keramik gezeigt. Der gemischte Chor der Siebenbürger Sachsen unter Leitung von Friedrich Menning eröffnete das Festprogramm, durch das Edda Thalmann sehr sicher und mit sensibler Wortwahl führte. Der Chor feierte zugleich sein 20-jähriges Bestehen und erfreute die Anwesenden mit volkstümlichen Liedern in Hochdeutsch und in siebenbürgisch-sächsischer Mundart. Zu diesem besonderen Auftritt des Chores waren fast alle Sänger und Sängerinnen in unseren schönen Trachten erschienen, was auf der Bühne ein farbenfrohes Bild ergab, das die einheimischen Besucher und Ehrengäste sehr beeindruckte.

Der gemischte Chor der Kreisgruppe Reutlingen-Metzingen-Tübingen bei der 50-Jahr-Feier in der Metzinger Stadthalle.
Der gemischte Chor der Kreisgruppe Reutlingen-Metzingen-Tübingen bei der 50-Jahr-Feier in der Metzinger Stadthalle.

Nach seiner offiziellen Begrüßung der Gäste vermittelte Kreisgruppenvorsitzender Ernst Michael Herberth einen Einblick in die Geschichte der Kreisgruppe, die am 11. April 1953 durch Dr. med. Hans Mooser und weitere 21 Landsleute gegründet worden war. In den 70-er Jahren wurde die Ortsgruppe Tübingen an die Kreisgruppe Reutlingen angeschlossen. Heute zählt die Kreisgruppe über 700 Mitglieder. Laut Herberths Bericht seien die einzelnen Gruppen sehr aktiv: der gemischte Chor, zwei Jugendtanzgruppen in Metzingen und Reutlingen, drei Frauenhandarbeitskreise in Metzingen und Tübingen, zwei Seniorentreffs in Metzingen und Tübingen, ebenso die Heimatstube in Metzingen. Einerseits, betonte der Kreisgruppenvorsitzende, würden durch diese Aktivitäten unsere Tradition und unser Kulturgut gepflegt, andererseits gelte: "Wir sind hier in Metzingen zu Hause".

Es folgten die Grußworte der Ehrengäste Alfred Mrass, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg, Dieter Hauswirth, Oberbürgermeister der Stadt Metzingen, und Dr. Otto Oertel, Vorsitzender des Vereins "Notnagel" Metzingen.

"Nur wer die Geschichte kennt, kann Gegenwart verstehen und Zukunft gestalten", sagte Oberbürgermeister Hauswirth. Dieser Satz berge für die Siebenbürger Sachsen eine besondere Bedeutung, da ihre Vorfahren aus der Rhein-Mosel-Gegend im 12. Jahrhundert dem Ruf des ungarischen Königs gefolgt und ins Land "jenseits der Wälder" gezogen waren. Danach haben sie auch schwierige Zeiten erlebt, mit Flucht und Vertreibung während des Krieges. Heute seien sie in Metzingen ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens, mit dem gemischten Chor, der Tanzgruppe und der Trachtengruppe. Oberbürgermeister Hauswirth hob die Bedeutung der Siebenbürger Sachsen im Hinblick auf die Osterweiterung Europas hervor: "Sie sind die prädestinierten Brückenbauer. " Dies war auch die Schlagzeile, mit welcher die lokale Südwestpresse sehr positiv über unsere Feierlichkeiten berichtete. Dr. Otto Oertel, der Vorsitzende des Vereins "Notnagel", wies auf die vielen Siebenbürger hin, die sich in diesem Verein engagieren und Notleidenden Hilfe zukommen ließen, sowohl hier vor Ort als auch in Rumänien. Er dankte allen für die wertvolle Hilfe und hoffte auch weiterhin auf gute Zusammenarbeit.

Die Festrede hielt anschließend Prof . Dr. Dr. Harald Zimmermann aus Tübingen. Dem brillanten Redner gelang es, alle Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Diese nun gefeierten 50 Jahre, so Prof. Zimmermann, seien eigentlich 900 Jahre, bezogen auf den ersten Siebenbürger Sachsen, der Anselm hieß und Ritter war: Anselm von Braz, der mutmaßliche Gründer der Stadt Broos. In seinen weiteren Ausführungen erwähnte der Mediävist bedeutende geschichtliche Ereignisse wie den Goldenen Freibrief aus dem Jahr 1224, den Bau der vielen Kirchen, Wehrkirchen und Kirchenburgen sowie die Reformation, als die Siebenbürger Sachsen geschlossen und friedlich dem evangelischen Glauben beitraten, und, nicht zu vergessen, auch das Schulwesen in Siebenbürgen, eines der ältesten der Welt. Ein Lehrer in Schäßburg habe seinen Schülern einmal auf die Frage nach den vielen Kirchen und Burgen geantwortet: "Und fragst du nach dem Rittersmann, der diese Festen baute / der Bürger war's, der Bauersmann, der solches sich getraute." Prof. Zimmermann erklärte abschließend, er sei stolz auf unsere Geschichte und zufrieden mit ihr, wenn auch nicht in allen Details.

Als nächster Programmpunkt folgten einige beschwingte Tänze der Jugendtanzgruppe Metzingen, die die jungen Akteure unter der Leitung von Rosa Schulz einstudiert hatten. In den 50 Jahren des Bestehens der Kreisgruppe hat es immer Landsleute gegeben, die sich in der neuen Heimat für die Tradition und den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes einsetzen. Für ihre besonderen Leistungen wurden mit Urkunden geehrt: Josef Reckert, Christa Müller, Walter Klein, Friedrich Menning und Marianne Klein. Mit dem Silbernen Ehrenwappen der Landsmannschaft wurden Egon Petri, Hilde Hain, Gertrud Brenner, Rosa Schulz, Renate Preiss, Horst Preiss und Katharina Klein ausgezeichnet. Für seine besonderen Verdienste um die Landsmannschaft erhielt Ernst Michael Herberth das Goldene Ehrenwappen. Er ist seit über 14 Jahren Vorsitzender der Kreisgruppe, gehörte zum Kreisvorstand seiner drei Vorgänger und kann auf eine 31-jährige engagierte ehrenamtliche Tätigkeit im Dienste und zum Wohle aller Siebenbürger Sachsen der Kreisgruppe Reutlingen-Metzingen-Tübingen zurückblicken. Alle Ehrungen wurden von Alfred Mrass, dem Vorsitzenden der Landesgruppe Baden-Württemberg, und seinem Stellvertreter Michael Konnerth vorgenommen.

Anschließend begeisterte die Tanzgruppe der Kreisgruppe Nürtingen unter Leitung von Rosi Henning die Zuschauer mit ihren Tänzen und Trachten. Zum Ausklang der Feierlichkeiten spielte die Blaskapelle Böblingen zum Tanz auf. Die Organisatoren und Verantwortlichen hatten allen Grund zur Freude und Zufriedenheit, denn von allen Seiten erhielten sie Lob und Anerkennung für ihre mühevolle Arbeit. Es gebührt ihnen ein herzlicher Dank.

Über unser Fest schrieb die Südwestpresse: "Prächtig sehen sie aus in ihren Trachten. Fein und kunstfertig bestickt sind ihre Hemden, Blusen und Schürzen. Und man sieht den Siebenbürger Sachsen an, dass sie stolz sind. Auf ihre Trachten, ihren Gesang, ihre Tänze und die gesamte Kultur, die sie aus dem rumänischen Landstrich einst in die hiesige Region mitgebracht haben." Wie wahr das Zitat ist, wissen viele von uns, und wir hoffen, dass es von Dauer ist.

Anneliese Lipp



(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.