25. Oktober 2003

Woche des Neuanfangs in Hermannstadt

Zu einer Woche des Neuanfangs kam es Mitte Oktober in Siebenbürgen, freute sich der bundesdeutsche Generalkonsul in Hermannstadt, Peter Adamek. Der Diplomat war nicht nur bei der Einführung des neuen Studiengangs für Sozialmanagement an der Rumänisch-Deutschen Universität zugegen (Bericht folgt in der Siebenbürgischen Zeitung Online ), sondern tags darauf auch bei der Eröffnung der Baustelle für den Kettenfabrik-Ableger von "Rieger & Dietz GmbH".
"Die Riegers müssen Ketten in ihren Genen gehabt haben", witzelte Dr. Hansjörg Rieger, der Leiter der bundesdeutschen Kettenfabrik "Rieger & Dietz GmbH" (RUD), als er bei der Grundsteinlegung seines Firmenablegers in Hermannstadt von uns erfuhr, dass hier schon einmal eine Familie Rieger einen Muster-Maschinenbau-Betrieb seit Ende des 19. Jahrhunderts aufgezogen hatte. Und der Nachfolger dieser ersten siebenbürgischen Landmaschinenfabrik führte in der Nachkriegszeit unter dem neuen Firmenschild "Independenta" in der Tat auch Rollenketten in der Produktpalette.

Baustelleneröffnung in Hermannstadt, vorne links Hansjörg Rieger, dahinter Klaus Johannis, Florian Rieger und weitere Vertreter der Firma Rieger & Dietz GmbH. Foto: Marius Constantin
Baustelleneröffnung in Hermannstadt, vorne links Hansjörg Rieger, dahinter Klaus Johannis, Florian Rieger und weitere Vertreter der Firma Rieger & Dietz GmbH. Foto: Marius Constantin

Die Unternehmer sind vermutlich nicht verwandt, obgleich der Aalener Kettenfabrikant schon einmal auf einen Namensvetter und Maschinenbauer im "Schwabenländle" gestoßen ist und dabei verwandtschaftliche Wurzeln ausfindig machte. "Mag sein, dass auch in diesem Fall ein familiäres Kettenglied verbindend auftaucht. Ich werde mich interessieren."

Auffallend ist, dass die Riegers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast zeitgleich ihr Industrieimperium als Familienunternehmen in Deutschland bzw. Hermannstadt aufbauten. Die Aalener sind das heute noch in fünfter Generation, die Hermannstädter Riegers indes waren es nur bis zur Enteignung von 1948 mit damals noch über 87 Prozent der Aktien im Familienbesitz der dritten Generation. Seither trennten sich die Firmenschicksale. Die RUD GmbH ist mittlerweile zu "den weltweit Besten auf Ketten" (Dr. Rieger) aufgerückt, "Independenta" hingegen beinahe ins Unbekannte abgesackt.

Mit dem neuen bundesdeutschen Firmenableger steigt Hermannstadt in die Weltrangliste dieser Branche auf, denn mit der Grundsteinlegung wurden ins Fundament der künftigen Produktionshalle von "RUD-Ketten GmbH Hermannstadt" vis-à-vis vom Flughafen auch zwei sich bindende Kettenglieder gelegt: das Firmenlogo "als Symbol der innigen Freundschaft und Verbundenheit zwischen Hermannstadt und dem Mutterhaus" (Dr. Rieger). Das Mutterhaus ist mit seiner Produktpalette von Förder- über Hebe- bis hin zu Anschlagketten bereits präsent in Australien, Brasilien, China, Frankreich, Finnland, Großbritannien, der Schweiz, in Südafrika und den USA. Zu seinen Abnehmern allein in der Automobilindustrie zählen DaimlerChrysler, BMW, Porsche u.a.

Und überraschend schnell wurde diese Kette mit Hermannstadt geknüpft. Im Sommer 2002 gab es erste Sondierungen für den Standort rund um den Zibin, im Frühsommer dieses Jahres traten die Verhandlungen mit Bürgermeister Klaus Johannis in die Endphase. Beratend zur Seite stand den Aalenern die Hermannstädter Consulting-Firma des Müncheners Detlef Barthmes, den Zuschlag für den Entwurf erhielt das Architektenbüro von Hermann Fabini, mit der Bauausführung wurde das Unternehmen "Kirschbaum" beauftragt. 2004 sollen auf rund 30 000 Quadratmetern Baugrund und in einer ersten Industriehalle etwa 100 Arbeitnehmer die komplette Produktion von Schneeketten aufnehmen. Das sei "ein erster Bauabschnitt und der Beginn einer weiteren Entwicklung", versicherte uns Florian Rieger, der Nachfahre in fünfter Generation des Familienbetriebs und künftiger Leiter der Hermannstädter Kettenfabrik. Gleich seinem Vater schätzt er die Weltoffenheit, den Fleiß und die Ehrlichkeit der Bürger und der Verwaltung dieser Stadt. Das war denn auch ausschlaggebend neben der guten Infrastruktur und "einem aktiven Bürgermeister" für diese unsere Standortwahl, meinte Dr. Hansjörg Rieger. Fast ganz Osteuropa habe er zuvor abgeklappert, lediglich in Hermannstadt wurde er zufriedenstellend fündig. Auch darum: "Ihr Bürgermeister ist nicht korrupt."

So kam es zu diesem Neuanfang, wie jene Woche Mitte Oktober überhaupt von solchen Ereignissen geradezu übersät war, freute sich BRD-Generalkonsul Peter Adamek. Tags zuvor war der Diplomat bei der Einführung des neuen Studiengangs an der Rumänisch-Deutschen Universität zugegen, am gleichen Wochenende sollte er im Norden Siebenbürgens ein weiteres bundesdeutsches Unternehmen einführen und bis Monatsende noch eines in Hermannstadt unter dem Zibinsgebirge, wo Dr. Rieger auch schon den Neuschnee sah und sich freute: "Den Schnee brauchen wir nun einmal für unser Hermannstädter Produkt."

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2003, Seite 4)

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