2. Februar 2004

Aus der rumänischen Presse: "Ein schmerzhafter Exodus"

In der Ausgabe Nr. 599, Januar 2004, der bekannten Bukarester Wochenschrift Formula AS hat Sânziana Pop in rumänischer Übersetzung eine Reportage von Claus Stephani, „Die Hexe vom Schlangenberg“ nachgedruckt. Der Text ist unter dem Titel „Ich glaube an die gute Waldfee“ in Stephanis Buch „Wie das Wiesengras im Wind – Frauenschicksale/Protokolle“ 1986 im Klausenburger Dacia Verlag erschienen. In dem Band hatte der siebenbürgische Autor von ihm aufgezeichnete Lebensberichte und Erinnerungen von Zipser Frauen veröffentlicht.
Sânziana Pop, Herausgeberin und Chefredakteurin der „Formula AS“, eröffnet mit Stephanis Beitrag eine „Anthologie von Reportagen und Texten, die von Lesern der Zeitschrift vorgeschlagenen wurden“. Eingeleitet wird diese Reihe mit einer Einführung von Sânziana Pop, die hier in eigener Übersetzung auszugsweise wiedergegeben wird. Bemerkenswert ist die mutige Einschätzung des Exodus der Siebenbürger Sachsen, den die bekannte rumänische Schriftstellerin bedauert.

„Bevor er auswanderte“, schreibt Sânziana Pop, „war Claus Stephani, der Autor der hervorragenden Reportage, die wir hier veröffentlichen, stellvertretender Chefredakteur der deutschsprachigen Zeitschrift ‚Neue Literatur‘. Er studierte Philologie in Bukarest und war vorher Abendschüler des Kronstädter ‚Honterus‘-Lyzeums gewesen. Dort wurde er auch geboren (...) Hat sich je jemand vorgestellt, dass Claus Stephani auf seinen Schatz althergebrachter siebenbürgischer Vergangenheit verzichten wird, um nach Deutschland zu ziehen? Aber er ist ausgewandert. Er hat seine Frau Brigitte mitgenommen, Jens, seinen kleineren Sohn, das Andenken an Swen, seinen älteren Sohn, der in einem grausamen Unfall ums Leben gekommen ist (...).

Sein Weggang ist Teil der dramatischen Auswanderung der deutschen Bevölkerung aus Rumänien. Ein schmerzhafter Exodus, der die Rumänen mit Schande bedeckt und die Sachsen mit Schmerz erfüllt. Doch 1 000 Jahre Geschichte werden so von Kronstadt bis Heidelberg nicht vergessen.

Als getreuer Chronist der Siebenbürger Sachsen fühlte sich Claus Stephani vor allem vom Leben und Alltag der Zipser angezogen – einer kleinen deutschen Bevölkerungsgruppe, die sich im 18. Jahrhundert in den Bergtälern der Südbukowina und der Maramuresch niedergelassen hatte. Es waren Waldarbeiter, Steinmetzmeister, Forststraßenbauer und Flößer, die sich in Gemeinschaften auf abgelegenen Waldwiesen und Berghöhen der Waldkarpaten ansiedelten.

Die Zipser widersetzten sich eine Zeit lang der Abwanderung der Deutschen nach dem Westen. Doch schließlich verschlang auch sie die Aussiedlerwelle, und sie überließen ihre Häuser der Obhut des Windes und ihr Andenken den Aufzeichnungen von Claus Stephani, dem Chronisten ihres Lebens, der sie für immer vor dem Vergessen und der Anonymität bewahrt hat. Auch wir sollen sie entdecken, jetzt, in letzter Stunde, und da wir nun erfahren, dass es sie gibt, sind sie eigentlich schon für immer aus Rumänien, dem Land, das sie in einer anderen Sprache – aber so, wie auch wir – HEIMAT nannten, verschwunden“.

Die „Hexe“ vom Schlangenberg ist übrigens auch ausgesiedelt, wie Claus Stephani kürzlich in einem Interview den „Südostdeutschen Vierteljahresblättern“, Heft 4/2003, mitteilte. Somit wurde auch diese Reportage vom Zeitgeschehen beendet.

Manfred Kravatzky

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 5. Februar 2004, Seite 7)

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