22. Februar 2004

Elisabeth Breckners Salzburger Inszenierung endet "tödlich"

Salzburg – Drei Idiome in Gestalt eines Schweizers, einer Deutschen und einer Hiesigen, sprich einer Salzburgerin. Lässig lagern die jungen Leute auf dem B(ühnenb)oden, plaudern drauf los. Über Shakespeare und das Glück, das angeblich noch jeder vom Dichter ersonnenen Frauenfigur zuteil werde, selbst Julia: ihr Ende sei „nur schlechtes Timing“. Alle kommen sie unter die Haube, tönt der Schweizer, ums nasse Haupt einen Turban geschlungen. Spontan kommt ihnen der Einfall, in Shakespeares Rollen zu schlüpfen, um die These im Selbstversuch zu überprüfen. Dunkel. Momente später erleiden ein Mann und eine Frau Schiffbruch, stranden „im Sturm“ auf einer Insel, Gestrandete also. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, heißt es. Auch die Darsteller werden ihre wechselvollen Rollenerfahrungen bezahlen, jeder in seiner Währung.
Das Vorspiel des tragikomischen Stücks Wie es uns gefällt: Was ihr nicht wollt! verspricht einen unterhaltsamen Abend. Es ist – nach Die Tanzstunde (2003) – die zweite Regiearbeit der gebürtigen Mediascherin Elisabeth Breckner im Salzburger Toihaus, Theater am Mirabellplatz. Die Akteure zeigen sich an diesem Samstagabend (14. Februar) in konzentrierter Spiellaune. Immer wieder müssen sie sich neu verpuppen: mal Rosalinde und Orlando („Wie es euch gefällt“), dann Viola alias Cesario und Olivia (Was ihr wollt), Miranda und Ferdinand (Der Sturm), nicht zu vergessen Ein Sommernachtstraum, Der Widerspenstigen Zähmung und vor allem Der Sturm. Die rasche Szenenabfolge wird meist eingeleitet durch einen „von oben“ herabgelassenen Korb mit symbolhaften Utensilien (Besen, Blume, Blaulicht), Spiel-Waren. Dazu erklingen noch elisabethanische Begleitmotive aus Henry Purcells Live long and prosper. Ebenso zeitgenössisch die moderne Musik aus den Charts zwischendurch, die verrät, dass die Spieler doch ihrer Zeit verhaftet bleiben, trotz permanenter Metamorphose. Als würden sie sich erinnern. Mehrere glückliche Regieeinfälle sorgen für Erlebnistheater. „Leidtragende“ sind die drei Testkandidaten, die sich auch physisch verausgaben (ohne quotenträchtige Ekelproben ablegen zu müssen, wie in gewissen TV-Inselcamps). Gleich in welche Rollen die Akteure geworfen werden; immer geht es um die Macht zwischen den Geschlechtern. Wer dominiert wen, wer lässt sich zähmen? Selbst die glückliche Fügung der Hochzeit, (nicht nur) bei Shakespeare eine beliebte Variante, entlarvt sich letzthin als durchsichtig arrangierte Herrschaftsordnung, in die es sich zu fügen schickt. Während „Katharina“ (im wirklichen Leben Katharina Schrott) ihre Spiel-Gefährten distanziert beobachtet und am Ende in dem ihr zugeeigneten Kokon erstarrt, scheiden die beiden Anderen (Thomas Beck und Dorit Ehlers) beim Verlassen des Rollenspiels aus dem Leben. Eine Überdosis Glück à la Shakespeare?

Eine Stunde währt dieser Bühnenzauber. Den anregenden Shakespeare-Cocktail hat die Theaterfrau Breckner „wie es uns gefällt …“ mit phantasievoller, rasanter Choreographie angereichert. Immer wieder bricht Heiterkeit im Publikum aus. Gelegentlich scheinen die szenisch bedingten Brüche im Spiel aber eine Spur zu glatt. Rauschhaft reißt es einen in der Handlung fort, kein „verweile doch“, Schau und Show in einem. Die eingestreuten Zitate bedienen nicht nur den Literaturbeflissenen, sind vielmehr allgemein verständlich platziert. Dennoch war der Theater-Genuss nicht voraussetzungslos; mit Shakespeare-Grundkenntnissen fiel die Orientierung leichter in dieser bunten Welt aus männlicher Weiblichkeit und weiblicher Männlichkeit. Wie entgrenzt doch ein eher kleinflächiger Bühnenraum wirken kann, bewies die ausgeklügelte Lichtregie (Technik und Lichtdesign: Yowga Gruber), die nicht mit Farben geizte und so der Phantasie tiefen Raum bot. Die karge Kulisse (Bühne: Arthur Zagubic) ließ den Schauspielern reichlich Auslauf, und Bewegungsfreiheit war von Nöten: Ehlers, Beck und Schrott liefen, sprangen, zeigten Bodengymnastik und Stimmakrobatik. Rein technisch sicher keine Routineübung, wussten die Akteure ihren Parforceritt durch Breckners Tragikomödie nach Shakespeare „Wie es uns gefällt: Was ihr nicht wollt“ beseelt und weitgehend nachempfindbar auszuleben. Das im wahren Wortsinn, denn das einstündige Experiment endet tödlich – und für den Betrachter durchaus nicht nur vergnüglich. Die von Elisabeth Breckner geschickt komprimierten Shakespeare-Motive fügten sich im Ganzen in ein Kaleidoskop der furiosen Glücksjagd. Man findet sich wieder im Taumel der Protagonisten, in der Lust wie in ihrer Bitterkeit. Dem Ensemble – und William Shakespeare – sei Dank.

Die letzten Vorstellungen von Wie es uns gefällt: Was ihr nicht wollt! finden im Toihaus, Theater am Mirabellplatz, Franz-Josef-Straße 4, jeweils um 20.02 Uhr am 25., 26., 27. und 28. Februar statt.

Christian Schoger


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