27. Februar 2004

"Jenseits der Abstraktion"

Die Ausstellung Henri Nouveau / Henrik Neugeboren in der Galerie der Stadt Kornwestheim, ein erfolgreiches Medienereignis, ist noch bis zum 7. März dieses Jahres zu sehen.
Im kulturellen Zentrum Kornwestheim bei Ludwigsburg steht seit 1989 die Museums-Galerie der Stadt, ein beeindruckender Bau des Berliner Architekten J. P. Kleinhues, dar unter anderem die Hamburger Deichtorhallen und das Museum of Contemporary Art in Chicago entworfen hat. Die klare Formgebung des Gebäudes - man spricht von "poetischem Rationalismus" des Baukonzeptes - verwendet die Vokabeln der modernen Formensprache und verweist suggestiv auf Kornwestheim als weltoffene Industriestadt.

Seit Oktober letzten Jahres macht der Kunstkenner Gert Nagel (Kunst & Krempel) im Obergeschoss des Baus seine umfangreichen Privatsammlungen der Öffentlichkeit zugänglich. Seit November 2003 zeichnet Irmgard Sedler, Leiterin der Museen der Stadt Kornwestheim, ehemals Brukenthal-Museum Hermannstadt, auch für die Kunstgalerie und ihre Wechselausstellungen im Erdgeschoss verantwortlich.



Henri Nouveau: Komposition, circa 1958, Öl auf Papier, 71 x 51 cm.
Henri Nouveau: Komposition, circa 1958, Öl auf Papier, 71 x 51 cm.


Mit der „bislang größten Retrospektive“ des bildnerischen Werks von Henri Nouveau (geboren 1901 als Henrik Neugeboren in Kronstadt, Siebenbürgen, gestorben 1959 in Paris) unter Einbeziehung seines musikalischen und poetischen Schaffens, ist der Ausstellungsmacherin in bewährter Zusammenarbeit mit Marius Joachim Tataru (Siebenbürgisches Museum Gundelsheim) und dem Architekturbüro Jakobi + Zein ein sehr erfolgreiches Ausstellungskonzept gelungen.

Marius Tataru, der für die Inhalte der gleichnamigen Ausstellung auch in Pontoise/Paris, in Regensburg und in Gundelsheim verantwortlich gezeichnet hatte, gibt auch dieser Ausstellung den sehr anspruchsvoll gelungenen Kunstkatalog bei.

Das außergewöhnliche Ausstellungskonzept wird dem Werk des Ausnahmekünstlers gerecht, der in seinen Bildern nie über ein Format von 70 x 52 hinausgeht, "Kammermusik", wie er selbst die Bilder bezeichnet. Vielerart hat Henri Nouveau versucht, die Synekdoche zwischen Klang und Bild zu vergegenständlichen, seine hier ausgestellte Raumplastik ''Gefrorene Architektur und Bachmusik" aus dem Jahr 1928 vollzieht es zeichenhaft. Dem Besucher scheint es, als liege dem gesamten Ausstellungsaufbau dies nämliche Konzept zugrunde: module Wände, auf über 300 qm rhythmisch zu Kammern geordnet und zu Durchgängen wie Übergänge, leiten den Besucher unaufdringlich in Räume der Konzentration auf das Wesentliche, gliedern 107 Exponate, deren Thematik, Chronologie und Ästhetik zu eigenwilliger Anordnung, einer inneren Logik entsprechend, einander zu. Der Betrachter lauscht einem spannungsreichen Dialog der Bilder.

Diese Bilder "Jenseits der Abstraktion" – so der Titel der Ausstellung – üben eine eigenwillige Faszination aus, ihre klare Schönheit besticht, durch trügerische Schlichtheit wird angelockt, und dann beginnt, schon durch die häufige subtile Ironie des Titels , ein Verwirrspiel der Phantasie, des Denkens auf Entdeckungsreise, das schon bei der Zuordnung der Malerei zu den Avantgarde-Strömungen der Zeit wie Kubismus oder Surrealismus seinen Schwierigkeiten begegnet.

Dem Ausnahmemenschen Henrik Neugeboren, studierter Pianist, Komponist von Klavier-Kammermusik, Liedern, tiefsinniger Poet, 1925 in Paris als Henri Nouveau der Maler, sozusagen neu geboren, wird diese Ausstellung in hohem Maße gerecht. Mit Respekt, Wissen und Einfühlungsvermögen vergegenständlicht sie Grundsätzliches im Schaffen Nouveaus: „Die gemeinsamen Merkmale in seinen Kompositionen und in seinen Bildern sind gesetzmäßig erscheinende konstruktive Rhythmen, die die unendliche Freiheit des Organischen in sich enthalten.“ (Udo Kultermann)

Die in der Galerie Kornwestheim gezeigten Arbeiten: Bilder, Plastiken, Schriftstücke, fügen sich in den Zeitraum 1927 bis zum Tod des Künstlers. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. März zu besichtigen.

Karin Servatius-Speck




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