3. April 2004

Begegnung auf hoher See

Mit 83 Jahren tritt Hermann Ongyert in die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland ein. Auslöser war ein Handyanruf aus Griechenland. Johannes Kravatzky schildert die näheren Umstände einer bemerkenswerten Begegnung von Landsleuten auf hoher See.
Im vergangenen Jahr machte ich auf einer 13-tägigen Schiffsreise nach Griechenland auf der Überfahrt von Ancona nach Patras Bekanntschaft mit einem Ehepaar, das unterwegs war, um sich nach einer neuen Existenz umzuschauen. Eine Insel in Griechenland wäre doch schön, um einige Jahre dort zu verbringen. Nach ihrem Namen gefragt, erwiderten sie: "Claus und Marion Ongyert." Er wäre wohl siebenbürgischer Abstammung, doch wüsste er nicht viel über seine Vorfahren, erklärte Claus Ongyert. Mir war der Name Ongyert aus Kronstadt bekannt. Sein Vater war in Duisburg geboren, in Buschteni in Rumänien zur Schule gegangen, bei der deutschen Wehrmacht im Krieg und lebt jetzt als Rentner im hessischen Weißenborn bei Eschwege. Der Hinweis auf Buschteni weckte in mir die Erinnerung an die Papierfabrik der Brüder Schiel und an meinen Cousin Erhard Jirkowsky, der dort Meister war. Da sie mir zu diesen Details beim besten Willen keine Auskunft mehr geben konnten, rief Marion Ongyert per Handy den Schwiegervater Hermann Ongyert in Deutschland an. Nach kurzer Berichterstattung bekam ich den Apparat. Rasch war klar: „Eu vorbesc româneste si l-am cunoscut pe Jirkowsky, zis Jim“.

Ich stieß auf eine interessante siebenbürgische Familiengeschichte: Johann Ongyert aus Hermannstadt und seine Frau Regine (geborene Wagner aus Großprobsdorf) hatten sich 1907 in Duisburg niedergelassen. Der Erste Weltkrieg veränderte nicht nur die politische Landkarte Europas, sondern auch das Leben der Familie Ongyert. Sie kamen 1921 als staatenlose Siebenbürger Sachsen nach Buschteni in Rumänien, in die von den Kronstädter Brüdern Schiel 1882 gegründete Papier- und Zellulosefabrik. Hermann Ongyert, Jahrgang 1920, wuchs in Buschteni auf, ging dort zur Schule, lernte perfekt Rumänisch und am Butschetsch Ski fahren. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ließ er sich aufgrund seines Geburtsscheines in Bukarest einen deutschen Pass ausstellen. 1942 wurde er zu den deutschen Gebirgsjägern einberufen. Nach Kriegsende kam er nach Darmstadt, gründete seine Familie und trat in die Firma des Schwiegervaters ein. Nach 1963, besuchte Hermann Ongyert mit seiner Frau und den zwei Kindern öfters seine Eltern in Buschteni. Die Erinnerungen an Buschteni, Hermannstadt, Kronstadt, ja sogar Ada Kalee und die rumänische Sprache haben Hermann Ongyert nie verlassen. Gerne fährt er seit 1998 wieder jedes Jahr ans Schwarze Meer und genießt die rumänische Gastfreundschaft und Gastronomie. Auch seine Lebensgefährtin Eva Lischewski, eine gebürtige Ostpreußin, ist vom Schwarzen Meer, dem Badeort Neptun und den Menschen dort begeistert. Unsere Begegnung mit seinem Sohn Claus und unsere Gespräche haben den rüstigen 83-Jährigen dazu bewogen, im Sommer 2003 Mitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen zu werden. Sein Fazit ist, dass er seinen Lebensmut und Erfolg nur seiner siebenbürgischen Erziehung, der erlernten und gelebten gesunden Lebensführung zu verdanken hat. Diese hat er auch an seine Kinder weiter gegeben. Claus und Marion Ongyert haben zwischenzeitlich auf der Insel Levkas ein passendes Grundstück erworben und werden sich dort auch niederlassen. Damit wären die Siebenbürger auch auf Levkas vertreten!

Johannes Kravatzky

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