10. April 2004

Teeny Dolores Köber spielt in Bundesliga

Augsburg, Anfang April – „Es wird sehr, sehr schwer“, antwortet Dolores Köber auf die Frage, wie sie jetzt die Chancen ihres Vereins auf den Klassenerhalt in der 1. Volleyball-Bundesliga der Frauen beurteilt. Tags zuvor hatte die Nummer 6 des VC Augsburg in der Abstiegsrunde eine schmerzliche 1:3-Niederlage in Braunschweig erlitten. Es wird immer enger. Die erst 17-jährige Profisportlerin verspürt nach der siebenstündigen Rückreise im Bus eine gewisse Erschöpfung. Zuhause wird sie von ihren Eltern mit tröstenden Worten aufgebaut. Dolores Köber wurde 1986 in Hermannstadt geboren.
„Wir reisen uns doch zu Tode“, stöhnt der Ulmer Coach Mathias Eichinger angesichts des Spielplans der nächsten Wochen. Die Ulmer stehen in der Meisterrunde, Augsburg kämpft gegen den Abstieg, hat aber ähnliche Reisestrapazen zu bewältigen. Gespielt wird, freitags und sonntags, mal auswärts, mal in heimischer Halle. Vilsbiburg, Erfurt, Braunschweig, Hamburg und Berlin heißen die Stationen. Zwei der sechs Teams werden in die 2. Liga absteigen, der Drittletzte spielt in der Relegation um den Verbleib im Oberhaus. VC Augsburg ist nach dem 2. Spieltag der Abstiegsrunde Vorletzter. Wie geht der Teenieprofi, im Team nur „Dolo“ gerufen, mit dem Stress um? Einerseits der psychische Druck im Abstiegskampf, dann diese anstrengenden Flug- und Busreisen. Die Spielerinnen müssen gleich nach der Ankunft ihr volles Leistungspotenzial abrufen: „Lange Fahrten sind sehr nervenaufreibend. Man muss versuchen, trotz langer Anreise im Kopf fit zu werden, um sich auf das Spiel konzentrieren zu können.“

Seit Herbst 2002 spielt Dolores Köber in der höchsten deutschen Spielklasse. In der laufenden Saison kommen durchschnittlich rund 450 Zuschauer in die Sporthalle des VC Augsburg. Der erst Juli 2001 gegründete Verein muss sich mit einem bedenklich knappen Budget über Wasser halten. Köbers sportliche Karriere begann 1997 bei der DJK Hochzoll Augsburg. Auf Anraten des Trainers der Bayernauswahl sollte sie beim VC Harlekin (heute VC Augsburg) ursprünglich nur mittrainieren, um sich fit zu halten.



Willensstarker Jungprofi: Dolores Köber hat sich beim VC Augsburg einen Stammplatz erkämpft. Foto: Siegfried Krepf
Willensstarker Jungprofi: Dolores Köber hat sich beim VC Augsburg einen Stammplatz erkämpft. Foto: Siegfried Krepf


VCA-Trainer Peter Götz erkannte ihr Potenzial und verpflichtete sie sogleich als Libera, als Annahmespezialistin. Seither spielt sie Profivolleyball. Ihr Entdecker Götz wurde zu Jahresanfang abgelöst durch Nikolaj Roppel. „Es kam alles sehr überraschend. Peter hat mir viel beigebracht und hat es mir ermöglicht, Bundesligaerfahrung zu sammeln.“, kommentiert Dolores den Wechsel.

Wie verkraftet jemand, der noch Teenager ist, eigentlich den Sprung ins kalte Wasser? Ihre Bundesligapremiere erlebte sie in Sinsheim gegen die Juniorennationalmannschaft VC Olympia Sinsheim: „Ich merkte gar nicht, was um mich herum alles passierte. Nicht einmal das Publikum nahm ich wahr. Ich habe einfach nur Volleyball gespielt.“

Der Trainingsalltag eines Profis geht an die Substanz und lässt einem wenig Freizeit. Neben den Punktspielen am Wochenende "haben wir jeden Tag zwei bis drei Stunden Volleyballtraining und zweimal die Woche Krafttraining." Geld verdient man auch. Gegenüber den männlichen Kollegen sind es aber kleine Beträge. Dolores Köber muss von ihrem Profigehalt immerhin noch nicht den Lebensunterhalt bestreiten. Sie wohnt noch im Elternhaus. Die ältere Schwester Barbara ist schon ausgezogen. Dolores genießt den familiären Rückhalt. Vater Michael, aus Neppendorf gebürtiger Landler, und Mutter Sophia, die aus Kleinscheuern stammt, unterstützen ihre Tochter nach besten Kräften. Parallel zur Profikarriere besucht Dolores die Fachoberschule in Friedberg (Landkreis Aichach). Wenn alles gut geht, schafft sie 2005 den Abschluss und beginnt danach eine Ausbildung bei der Polizei. Dafür malocht sie nun eben zweigleisig. Ihr Sternzeichen: Stier.

Welche Bedeutung hat ihre siebenbürgische Herkunft? Im Alter von vier Jahren übersiedelte sie 1990 mit ihrer Familie in die Bundesrepublik. "Vor vier Jahren", erinnert sie sich, "haben wir am Schwarzen Meer Urlaub gemacht und uns natürlich Siebenbürgen angeschaut. Mit meinem Vater spreche ich teilweise noch landlerisch, soweit mir das noch gelingt".

Natürlich sind ihre persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten hier in Deutschland ganz andere, als sie es in Hermannstadt gewesen wären. Ihre Karriere steht erst am Anfang. Von gravierenden Verletzungen blieb sie bislang verschont. Mit der Bayernauswahl gewann die athletische, 1,70 m große Spielerin von 2001 bis 2004 vier Mal den Bundespokal der Deutschen Volleyballjugend. Ihre sportlichen Ambitionen formuliert Dolores Köber so: "Der Höhepunkt wäre für mich, an den olympischen Spielen teilzunehmen." - Einen Vereinswechsel, eines Tages, kann man da nicht definitiv ausschließen, zumal, sollte der VCA in die 2. Bundesliga runtergehen. Vorläufig halten sie Familienbande, Schule und Freundeskreis in Augsburg. In einem Fragebogen gibt "Dolo" als Hobbies Schlafen, Computerspielen, Telefonieren, Trainer ärgern und Beach-Volleyball an. Ihre Ziele: "Schulabschluss und nie wieder verlieren!" Zu ihrem 18. Geburtstag am 2. Mai kann sie hoffentlich den Klassenerhalt des VC Augsburg feiern - und die bestandene Führerscheinprüfung.

Christian Schoger

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