18. April 2004

Evakuierung aus Nordsiebenbürgen: "Ist das noch unsere Heimat? "

Einen Vortrag zum Thema "Ist das noch unsere Heimat? - Vor 60 Jahren: Nordsiebenbürger Sachsen 1944/1945" hielt Studiendirektor Horst Göbbel, Nürnberg, am 19. März im Haus der Heimat in Wien.
Beim gut besuchten Abend des Vereins Wien der Siebenbürger Sachsen konnte Obmannstellvertreter Horst Hennrich den Vortragenden mit Gattin begrüßen. Hennrich stellte Göbbel kurz vor: Bauernsohn aus Siebenbürgen, geboren auf der „Flucht“ der Nordsiebenbürger Sachsen im Oktober 1944 in Ungarn. Gymnasium in Bistritz, Studium der Geschichte in Klausenburg, Gymnasiallehrer in Bistritz. 1973 Aussiedlung in die Bundesrepublik. 1974-1977 Studium der Germanistik in Erlangen. Seit 1979 am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg tätig, wo er gegenwärtig als Studiendirektor Geschichte, Deutsch und Sozialkunde unterrichtet und Bezirksinspektor ist. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist vielseitig ehrenamtlich aktiv (u.a. Landsmannschaft, Aussiedlerintegration und Vorsitzender des Vereins "Haus der Heimat", Nürnberg).

"Ist das noch unsere Heimat? ", fragte Horst Göbbel einleitend, der diesen Vortrag seiner genau vor einem Jahr verstorbenen Mutter widmete. Er ging auf die nach der Evakuierung wieder in Siebenbürgen gelandeten Nordsiebenbürger ein. Ihre Häuser waren von Rumänen besetzt. Anhand von Erlebnisberichten von Nordsiebenbürgern zeigte der Referent Schicksale auf. Die Heimkehrer sollten nicht in ihre eigenen Dörfer hineingelassen werden. In Nachbardörfer ausgewiesen, wurde der Ruf laut: „Ist das noch unsere Heimat?“ Göbbel zeigte angesichts dieser Geschehnisse den „Überlebenswillen der Siebenbürger Sachsen“ auf. So brachte er u.a. auch einen Bericht von Georg Breckner aus Tschippendorf, der die Heimkehr seines Trecks vom April 1945 schildert. Schon unterwegs wurden die Heimkehrer mit den sie in Großrumänien erwartenden Veränderungen bekannt gemacht: „Ihr müsst jetzt rumänisch reden, in der sächsischen Sprache zu sprechen ist verboten“. Dazu Breckner: „Wir waren wieder daheim und doch heimatlos“. Göbbel unterlegte seine Ausführungen immer wieder mit auf die Wand projizierten Großbildern.

Die Evakuierung hat Nordsiebenbürgen vollkommen verändert. Erschütternd die Erlebnisberichte über die verlassenen Dörfer: "Die verlassenen Dörfer schrieen vor Sehnsucht, der traurigste Eindruck meines Lebens", schrieb ein Zeitzeuge. Die den Treck der Flüchtlinge auf der ganzen Fahrt begleitenden Soldaten machten Fotos und dokumentierten so die Trecks bildhaft.

Horst Göbbel zeigte in Bildern auf, welche Schätze von siebenbürgischen Goldschmieden geschaffen worden waren. Die Kelche, Altargeräte usw. sind heute im Germanischen Museum in Nürnberg zu sehen. Er las einen Bericht seiner Mutter vor, der die Tage und Wochen der Rückkehr mit der Eisenbahn aus Ungarn nach Siebenbürgen schildert, so auch seine eigene Geburt und die seiner Zwillingsschwester, die diese Monate nicht überlebte.

Anhand von Bildern ging der Referent auch auf die sich in Österreich niedergelassen habenden Siebenbürger Sachsen ein und auf das, was sie hier geschaffen haben. An der Wand blieb lang ein Luftbild von Bistritz zu sehen, auf dem die anwesenden Bistritzer in Gedanken durch die heimatlichen Gassen spazieren gingen. Dem von Horst Göbbel mit wunderbarer Ausdruckskraft gesprochenen Vortrag folgte lebhafter Applaus. Horst Hennrich dankte dem Redner, dass er „ein Farbenspiel der Erinnerung“ vorgestellt habe. Anschließend langes Beisammensein bei einem von Christa Hennrich gezauberten köstlichen Büffet.

Traute Zoltner

>(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2004, Seite 10)

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