9. Mai 2004

Hubert Caspari: "Es muss ein großer Hauch her und alles tragen"

Am 17. April 2004 verstarb in Ebenhausen bei München Professor Hubert Caspari, einer der bedeutendsten siebenbürgischen Architekten. Sein Lebensweg, der Architekt und der Lehrer wurden anlässlich einer Ausstellung in der Fachhochschule über das Wirken von Hubert Caspari schon einmal in der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. Februar 1996 gewürdigt. Die Trauer um diese einmalige Persönlichkeit und einen guten Freund findet ihren Ausdruck in diesem Rückblick auf sein Leben, das in den letzten Jahren in durch Krankheit erzwungener Stille verlief.
Hans Hubert Caspari wurde am 26. Oktober 1926 in Mediasch geboren als Sohn des Fabrikanten Karl Caspari und seiner Frau Ilse, geborene Leutschaft. In der Familie mit dem prägenden Vater, der warmherzigen Mutter und dem Bruder Karli (1945 gefallen) erlebte er eine sorglose und glückliche Kindheit. Die Ausbildung in der Volksschule und dem deutschen Gymnasium in Mediasch ergänzte er durch ein Jahr an einem rumänischen Gymnasium in Blasendorf, wo er auch 1946 das Bakkalaureat ablegte. Die Schulzeit war vorher durch die Wirren des Krieges und dessen Folgen unterbrochen worden. Der Deportation in die Sowjetunion entging er durch Flucht aus dem Transportzug mit einer abenteuerlichen Rückkehr nach Mediasch und dem vorübergehenden Leben im Untergrund.



Der Architekt Hubert Caspari
Der Architekt Hubert Caspari
Schon von früher Jugend an wollte Hubi, wie er unter Verwandten und frühen Freunden genannt wurde, Architekt werden. Da ihm das Studium in Rumänien wegen der sozialen Stellung des Vaters (Fabrikdirektor) verwehrt war, verließ er gemeinsam mit Freunden die Heimat. Diese äußerst gefährliche Flucht über die Grenze, durch Ungarn und die sowjetische Besatzungszone Österreichs endete in Graz. Sehr bald begann er hier das Architekturstudium, neben dem er den Lebensunterhalt durch Arbeit am Bau verdiente und dabei mit der Praxis in engen Kontakt kam. An der Technischen Hochschule Graz beeindruckten ihn die philosophisch untermauerten Vorlesungen, die ihn sehr früh zur Beschäftigung mit dem Werk von Le Corbusier „Vers une architecture führten, einer Grundlage, die auch sein späteres Schaffen mit bestimmte. Als er 1950 zur „800 Jahrfeier der Siebenbürger Sachsen nach München kam, verlockte ihn die Aussicht, sein Studium hier fortzusetzen, und die Verbundenheit mit der hier ansässigen weiteren Familie zum Wechsel seines Studienortes. An der Technischen Hochschule in München, wo er bis 1953 studierte, waren es die Vorlesungen der Professoren Döllgast, Hart, Kraus und besonders Elsässer, die sein Verständnis für Architektur bereicherten. Nach dem Diplomabschluss lernt er den Siebenbürger Professor Emanuel Lindner kennen und wird in Osnabrück Mitarbeiter dieses prominenten Architekten, dessen Zuneigung er erfährt. Dennoch wird es ihm dort zu eng, es treibt ihn wieder nach München zurück, wo er zunächst beim Architekten Max Ott als freier Mitarbeiter tätig ist, um sich bald selbstständig zu machen und auch einen Hausstand zu gründen. Mit seiner Ehefrau Elisabeth, einer Donauschwäbin, hat er zwei Söhne: Michael und Martin.

Der nun selbstständige Architekt erhält nach der Planung von zwei Einfamilienhäusern Aufträge für ein größeres Industrie- und Verwaltungsgebäude der Firma Agrob in Ismaning (1959) und für die Privatklinik Dr. Decker in München-Schwabing (1960). Diese Projekte machen ihn in Fachkreisen erstmals bekannt. Eine bald einsetzende Rezession veranlasst ihn und vier weitere junge Architekten, sich zur "Gruppe 5" zusammenzuschließen, die bei Wettbewerben auch Erfolge hat (z.B. 3. Platz beim Zentrum Perlach). Der Durchbruch als "Einzelkämpfer" gelingt ihm aber mit seinen Wettbewerben für Schulen, Freizeiteinrichtungen und kirchliche Bauvorhaben. Bei der Bearbeitung dieser anspruchsvollen Projekte wird er von jungen qualifizierten Mitarbeitern unterstützt. Im weiteren Verlauf gründet er die „Planungsgruppe Caspari, der auch Fachingenieure verschiedener Richtungen angehören, wobei sämtliche Organisations- und Treuhandaufgaben unter der Federführung des Architekten gebündelt werden. Wichtiger Mitarbeiter in dieser Gruppe wird 1986 auch sein ältester Sohn Michael, der später das Werk fortsetzt. Ein Herzinfarkt und dessen Folgen zwingen den Vater zu einer reduzierten Tätigkeit. Die wichtigsten Projekte von Hubert Caspari in den Jahren 1969 bis 1996 waren insbesondere: Verwaltungsgebäude der Firma Dorst in Kochel, zwei Grundschulen in Heufeld, Freizeit- und Erholungszentrum Freilassing, Lager- und Verwaltungsgebäude der Firma Stollsteimer in Karlsfeld, Realschule Neubiberg, Katholisches Gemeindezentrum St. Albertus Magnus Ottobrunn, Realschule Vaterstetten, Evangelische Kirche Schaftlach, Evangelische Kirche Emmering, Reifen-Service-Zentrum Reiff in Reutlingen, Hanfstingl-Verlag Geretsried, Umspannwerk Moosfeld, Grundschule Bruckmühl Mitte, Sonderpädagogisches Förderzentrum Dorfen, Kirchenzentrum St. Maximilian Kolbe in Neu-Perlach Süd. Daneben gibt es aus dieser Zeit und früheren Jahren zahlreiche Einfamilienhäuser und bedeutende Wettbewerbsprojekte, z.B. Neue Pinakothek, Bayerische Staatskanzlei, Richard-Strauss-Halle München.

Bemerkenswert unter Casparis Projekten ist das Siebenbürger Heim in Lechbruck. Als Mitte der sechziger Jahre durch die Initiative von Maja Engelbrecht eine Gruppe von Spendern - überwiegend Siebenbürger - den finanziellen Grundstock und das Grundstück für den Bau eines Altenheims für Siebenbürger übernehmen wollte, erklärte sich der Siebenbürger Hubert Caspari spontan bereit, die Planung für dies mit ursprünglich zwei Millionen DM veranschlagte Projekt ehrenamtlich, also ohne Honorar zu realisieren. Nachdem er seine Arbeit mit dem Genehmigungsplan abgeschlossen hatte, zog der Grundstücksbesitzer aus partikulären Gründen sein Spendenangebot zurück. Es musste ein neues Grundstück käuflich erworben werden. Für Caspari bedeutete dies erhebliche Umplanungsarbeiten, der Baubeginn verzögerte sich um mehrere Jahre und dementsprechend auch die Überwachung der Bauausführung, die allerdings nicht verhindern konnte, dass einzelne Details ohne sein Wissen geändert wurden.

Der Architekt Caspari sieht sein Werk in der Nähe von Le Corbusier. Die geistige Verwandtschaft zu diesem Protagonisten moderner Architektur findet in seinen Werken ihren Niederschlag. "Es muss ein großer Hauch her und alles tragen, Details sind untergeordnet" und auch "das Schlechte schwierig und das Gute leicht machen". Einerseits hat Caspari manche konstruktive Details den Ingenieuren überlassen, die den Bau ausgeführt haben, andererseits sind seine Bauten bereits im Entwurf sorgfältig detailliert und erstaunlich baumeisterlich gefügt, so dass eine Einheit von Baukunst und Technik zu spüren ist. Sein Anliegen war ein sozial verantwortliches, der Landschaft gerechtes, mit Mitteln der heutigen Zeit realisierbares Bauen. Hubert Caspari hat sich selbst als Sozialromantiker bezeichnet. Die daraus entstehende Verpflichtung findet bei seinen Schulbauten ein entsprechendes Wirkungsfeld. Der siebenbürgische Architekt ist vor allem bemüht, in den zentralen Erschließungsbereichen Orte zu schaffen, die Gemeinschaft stiften. Nach Meinung einiger seiner Kollegen hat dies Bestreben auch mit seiner siebenbürgischen Herkunft zu tun. Man denke unter anderem an die Kirchenburgen.

Der Name Hubert Caspari wird untrennbar mit der Gründung des Fachbereichs Architektur der Fachhochschule München verbunden bleiben. Als die frühere Staatsbauschule zu diesem Fachbereich umgestaltet wurde, waren in der Praxis bewährte, mit einer Konzeption moderner - nicht modernistischer - Architektur vor Augen und zur Teamarbeit befähigte Hochschullehrer gefragt. Die Visionen des Vordenkers Caspari und seine praktische Erfahrung ließen ihn zum primus inter pares werden. Er wird von 1980 bis zu seiner Emeritierung 1991 immer wieder zum Dekan des Fachbereichs gewählt. "Seine Bereitschaft und Fähigkeit, zu jedem einzelnen Kollegen eine ganz persönliche Beziehung zu knüpfen, und seine offene, liberale und großzügige Grundeinstellung überzeugen und bewegen alle." So urteilt der ihm nachfolgende Dekan, Professor Rüdiger Möller. Caspari ist es gelungen, im Laufe der Jahre viele talentierte Architekten zur Fachhochschule zu bringen. So konnte der Studiengang Architektur auf wissenschaftlich-künstlerische Grundlagen mit Praxisbezug gestellt werden.

Den Studierenden war Hubert Caspari auf dem Gebiet Konstruktion und Entwerfen ein begeisternder, zum Nachdenken und zur Phantasie anregender begnadeter Lehrer. Ein ehemaliger Schüler schreibt: "Caspari lehrte, die Elemente zu analysieren, die den Charakter der Zeit bestimmen. Nicht nur die äußere Erscheinungsform galt es zu verstehen, sondern den tieferen Sinn der Architektur. Modespielereien waren verpönt. Klarheit der Konzeption war immer Ausgangspunkt jedes Entwurfs. " Auf Exkursionen lernten die Studierenden neben den architektonischen Zielen auch den privaten Menschen Caspari kennen mit seiner Liebe zum Philosophieren, zur Musik und zur Geselligkeit. Diese Einheit als Architekt und Mensch begeisterte die Studierenden. Für manche blieb er auch nach dem Studium der Mentor. - Wer mehr über den Architekten und Hochschullehrer Hubert Caspari und sein Wirken wissen möchte, findet eine Quelle in "Hubert Caspari - Architekt, Lehrer, Mentor", Schriftenreihe der Fachhochschule München - Fachbereich Architektur 1995, ISBN 3 - 9804334-0-4.

Siebenbürgen hat sein Leben und in gewisser Weise auch sein Wirken bestimmt. So oft er konnte, besuchte er die alte Heimat, auch mit seinen Söhnen und sogar mit Studenten. Für den Verfasser dieser Zeilen war es ein einmaliges Erlebnis, mit dem Vetter, Freund und kundigen Architekten durch Südsiebenbürgen nach Mediasch zu reisen. Seine Anhänglichkeit zur alten Heimat übertrug sich auch auf die Zusammengehörigkeit mit seinen in Deutschland lebenden siebenbürgischen Verwandten. Diese Gemeinschaft verdankt Hubert unvergessliche Stunden, sie stand ihm und seiner Familie auch hilfreich zur Seite. Die Erinnerungen an den Freund und Verwandten verbinden einen großen Kreis, der um ihn trauert. Er war der offene und herzliche Mensch. Seine Neigung zur Geselligkeit war von besonderem Humor und hintergründiger Tiefe begleitet. Trotz des freundlichen Wesens und seiner Aufgeschlossenheit war er nie angepasst. Wer wie ich das Glück hatte, sein Freund zu sein, hat nun sehr viel verloren.

Gerhard Terplan

Bewerten:

14 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.