24. November 2025
Der neue Jakobsweg des Balkans: „Via Transilvanica“ von Nord bis Süd erkundet
Der Weltenbummler Wolfgang Post aus Herborn im Westerwald hat die „Via Transilvanica“ in Rumänien vom Kloster Putna im Norden bis zur Hafenstadt Drobeta Turnu Severin im Süden zu Fuß erkundet. In zwei Monaten legte er 1 366 Kilometer zurück, wobei er auch Abstecher in Orte Siebenbürgens machte, die er von früheren Wanderungen kannte. Abenteuerlich wurde es, als er in einem Wald bei Deutsch-Kreuz auf einen Bären traf. Der 73-Jährige berichtet im Folgenden über herzliche und spannende Begegnungen mit Menschen, geht aber mit feiner Beobachtungsgabe auch auf die Eigenheiten des Landes ein.

Die Via Transilvanica, der neue Jakobsweg des Balkans, führt auch durch Siebenbürgen mit den alten sächsischen Dörfern und interessanten Wehrkirchen. Da ich Siebenbürgen und die Bukowina (Buchenland) von vorherigen Wanderungen kennen und lieben gelernt habe, ist es für mich eine große Freude diesen Weg zu gehen ... und entsprechende mir bekannte Ortschaften mit einem Abstecher vom Wanderweg aus zu besuchen.
Am Dienstag, dem 17. Juni 2025, flog ich die von Frankfurt/Main mit der rumänischen Fluggesellschaft TAROM über Bukarest nach Suczawa (Suceava) im Nordosten von Rumänien.
Die Bukowina oder zu deutsch Buchenland ist eines der waldreichsten Länder Europas. Inzwischen zweigeteilt im Norden zur Ukraine gehörend, im Süden zu Rumänien, ist die Bukowina eine Landschaft am Ostabhang der Karpaten, wobei mir der südlichere, bergige Teil landschaftlich besser gefällt. Auf engstem Raum haben hier verschiedene Völkerschaften gelebt. Hier waren Rumänen, Ukrainer, Deutsche, Polen, Huzulen und auch Ungarn, Lipowaner, Slowaken, Armenier und zu guter Letzt Zigeuner mit all ihren Besonderheiten und Eigentümlichkeiten zu Hause.
Aufgrund ihrer geringen Anzahl haben die Deutschen in der Bukowina kaum Chancen, ihr Volkstum zu erhalten. Am Friedhof in Sereth sagte eine Frau: „Wir sind zwar Deutsche, sprechen aber nicht mehr Deutsch.“
Das Deutsche Forum (Forum der Buchenlanddeutschen) und die Deutsche Kirche in Suczawa waren geschlossen, und ich besuchte wenigstens das Bukowina-Museum.
Mit dem Bus fuhr ich über Radautz, leider war auch hier das Deutsche Haus geschlossen. Entlang des Tales bei Oberwikow fuhr ich bis an die ukrainische Grenze bis Ulma weiter. Tatsächlich war hier der „Hund begraben“ und nach einem erfrischenden Bier nahm mich der Busfahrer wieder ein Stück des Weges zurück. So gelangte ich nach Oberbrodina, das ich von vorgehenden Reisen kannte.
Zwischenzeitlich sind auch in Rumänien Wege und Straßen ausgebessert worden, und durch den Wald gelangte ich nach Argel. Wie der Zufall es will, traf ich die liebenswerte Tochter Maria des alten Eisenbahners Niculaie, die mich zu ihren Eltern nach Râșca mitnahm, wo ich bestens verpflegt wurde und übernachten konnte. Niculaie fuhr damals auf der alten Waldeisenbahn – meiner Lieblingsbahn, woran ich immer noch herrliche Erinnerungen habe.
Nun war der Ort Moldawitza nicht mehr weit, ich erfreute mich an den vielen Störchen und quartierte mich wieder bei Eduard ein.
Die Schulferien begannen, und das wurde mit einer Schülerfolklore und Tänzen gefeiert. Im Eiermuseum bewunderte ich die kunstvoll bemalten typischen Ostereier. An den Ort habe ich viele gute Erinnerungen und ich besuchte Ilie, bei dem ich im Jahr 1993 Trauzeuge gewesen war. Zwischenzeitlich hatte er als Opa eine ansehnliche Nachkommenschaft. Das Haus der verstorbenen Tante Mitzi war abgerissen, und ein Neubau ließ meine Erinnerungen weit in die Vergangenheit schweifen.
Die alte Waldeisenbahn „Hutzulca“ war reaktiviert worden und fuhr nun auf einer malerischen Strecke unter Dampf nur für die Touristen, was ein großes Spektakel war und eine einzigartige Attraktion in der Bukowina ist. Natürlich war ich dabei ...
Von Moldawitza trampte ich nach Putna. Berühmt sind die Moldauklöster aus der Bukowina. Markenzeichen sind die bemalten Außenfresken. Bruder Miachel (Mihai) vom Kloster Putna gab mir den ersten Wanderstempel von der Via Transilvanica in das Wanderheft und zeigte mir mein Zimmer.
Am Montag, dem 23. Juni, begann ich meine Wanderung auf der Via Transilvanica. Leider schwächte mich Durchfall, der nach drei Tagen einige Fettreserven schmelzen ließ ... Nicht nur die bezaubernde Landschaft der Bukowina haben es mir angetan, auch die Klöster wie Sucewitza und Moldawitza sind sehenswert, und wenn man will, findet man ein ruhiges und besinnliches Plätzchen zum Meditieren.
Im Wald waren Holzfäller mit Rückepferden bei der Arbeit. Erstaunlich viele Wanderer machten sich vom Kloster Putna aus auf den Weg. So marschierte ich anfangs mit einem Rumänen und einem Deutschen.
In Dorna Watra (Vatra Dornei) trennten sich unsere Wege. Nur allzu gerne nahm ich einen Abstecher nach Cârlibaba. Die Erinnerungen gingen an viele ausgewanderte Deutschstämmige und an das alte Forsthaus, wo ich mit dem verstorbenen Förster im Jahr 1994 auf einen Auerhahn Waidwerken dufte. Zudem gab es am Sonntag in Kirlibaba ein Folklorefest, das ich mir nach dem katholischen Gottesdienst nicht entgehen ließ.
Über die Almen wanderte ich weiter, wobei ich bei passenden Gelegenheiten gerne in Scheunen mit und ohne Heu nächtigte und stets den Abendhimmel bewunderte.
Der am Borgo-Pass ansässige Verein „Tășuleasa Social“ (www.tasuleasasocial.ro) hat diesen Wanderweg von der Grenze Rumäniens zur Ukraine bis zu jener nach Serbien ins Leben gerufen und bietet für Wanderer eine Übernachtungsmöglichkeit nebst Verpflegung.
Auf meinem Weg traf ich Schäfer mit ihren Herden und deren Hunde. Diese Hütehunde waren nicht unbedingt freundlich, da sie ihre Aufgabe sprichwörtlich „sehr ernst“ nahmen; doch sollte ich in nur eine brenzlige Situation geraten.
In Bistritz, der sächsischen Festung in Nordsiebenbürgen, traf ich einen Bekannten, mit dem ich einen gemeinsamen Abend im beschaulichen Städtchen verbrachte. Allerdings wanderte er bei der Hitze nur zwei Tage mit. In Bistritz erinnert ein Evakuierungsdenkmal an 1944, als viele Deutsche aus dem Nösnerland ihre Heimat verlassen mussten.

Während ich durch dichten Nebel marschierte, erinnerte ich mich an das Gedicht von Nikolaus Lenau: „Du, trüber Nebel, hüllest mir
Das Tal mit seinem Fluss,
Den Berg mit seinem Waldrevier
Und jeden Sonnengruß.
Nimm fort in deine graue Nacht
Die Erde weit und breit!
Nimm fort, was mich so traurig macht,
Auch die Vergangenheit!“
Auf den nun verschlammten Wegen zeichnete sich deutlich eine Wolfsfährte ab. Alsbald erwischte mich der Regen. Unter einer Hutebuche Schutz suchend, half auch mein Regenponcho wenig. Durchnässt und dreckig erreichte ich das Tagesziel, ließ meine Klamotten waschen und stärkte mich an einer gebratenen Forelle.
Auf meiner Wanderung erreichte ich das Szeklerland, ein Gebiet, welches von Ungarn besiedelt ist und wo ungarische Wörter im Sprachgebrauch äußert nützlich sind. Der Regen hielt bis Mittag an, als ich dann endlich weiter gehen konnte. Im Wald war ein Bach so angeschwollen, ich fand keinen Steg, keine Brücke – ich musste im Regen Schuhe und Strümpfe ausziehen, um mit Hilfe eines Stockes auf die andere Seite zu gelangen.
Da die Wege so verschlammt waren, zog ich es vor, bei passender Gelegenheit den Wanderweg zu verlassen und über Umwege auf die Straße zu gelangen und den Weg dort fortzusetzen.
Nach dem Regen war es einfach, Tierspuren zu erkennen: trotzdem beunruhigte mich eine frische Bärenfährte an der Kapelle kurz vor dem schmucken Szeklerdorf Atia im Kreis Hargita. In der römisch-katholischen Kirche suchte ich Unterschlupf. Ich hatte mich schon für die Nacht auf eine Bank hingelegt, als der Pfarrer vorbeikam, der sehr überrascht war aufgrund meiner Anwesenheit. Ich erklärte die Situation, zeigte das Foto mit der Bärenfährte und meinen Wanderausweis und Pilgerpass und durfte dann tatsächlich liegenbleiben. Ein Dankeschön unserm Herrgott und dem verständnisvollen Pfarrer.
Unterwegs kam ich in das Dorf Inlăceni, das auch als Labyrinthdorf bezeichnet wird; denn die Anzahl der Straßen übersteigt die Anzahl der Häuser.
Mittlerweile schrieben wir Samstag, den 12. Juli. Die Tage wurden mächtig heiß, so dass ich schon in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen war. So schaffte ich an manchen Tagen zwei Tagesetappen. Überall wurden Feste gefeiert und wie hier in Lupeni geheiratet. Hier boten sich hübsche Fotogelegenheiten. In der Nähe grüßte vom Gordonhügel die mächtige Statue „Herz Jesu“ mit herrlichem Ausblick auf die Landschaft.
In den Dörfern traf man auf Zigeuner, die friedlich waren: Begrüßung, ein paar nette Worte, und ich zog ungehindert weiter. Sânpaul im Kreis Mieresch ist bekannt für die Salzseen mit unbeschreiblich vielen Störchen. Erschreckend ist die Umweltbelastung durch die Rumänen. Unrat und Plastikflaschen werden einfach in den Bach geworfen ...
In Iaşu überraschte mich eine junge Frau, als ich nach Wasser fragte. Spontan bot sie mir Kaffee und Suppe an. Da ich im zurückliegenden Dorf im Magazin mixt ordentlich gegessen hatte, schien sie erstaunt, als ich weitere Essensangebote von ihr ablehnte. Vergnügt machte ich es mir auf einem Hänger mit Heu in einer Scheune gemütlich und ließ mich von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne in den Schlaf wiegen.
Am Kilometerstein „491“ erreichte ich Siebenbürgen und kurz darauf Arkeden (Archita) mit seiner schönen Kirchenburg. Leider sind nicht nur hier viele Siebenbürger Sachsen ausgewandert, und die Orte sehen teilweise verwahrlost aus. Zudem besteht Landflucht; dafür werden von Neureichen neue, aber meistens unbewohnte Ferienhäuser gebaut, die nicht in die Gegend passen und somit die hübsche Landschaft verschandeln.
„Siebenbürgen, Land des Segens,/ Land der Fülle und der Kraft/ mit dem Gürtel der Karpaten/ um das grüne Kleid der Saaten,/ Land voll Gold und Rebensaft!“
An der Kirchenburg in Radeln (Roadeș) hat der Musiker Peter Maffay das Tabalugahaus (Peter Maffay-Stiftung) errichtet. Allerdings hatte ich bei meinem letzten Besuch (2014) an diese Einrichtung keine guten Erinnerungen. In der Nähe von Radeln wurde kürzlich ein Abstecher auf der Via Transilvanica bis nach Kronstadt eröffnet. Was mich betrifft, blieb ich auf dem Hauptweg in Richtung Donau. Ich nahm ein Frühstück im Geschäft und zog nach Deutsch-Kreuz (Criţ) weiter, wo noch die alten Bräuche der Nachbarschaften gelebt werden.

Der Morgen ist eine herrliche Zeit, um viele Tiere wie Marder, Fuchs und Rehwild zu beobachten, die ich in der Hitze ab mittags nicht mehr zu Gesicht bekommen hätte. Im nächsten Ort Klosdorf (Cloașterf) im Geschäft – gegenüber einer alten sächsischen Wehrkirche – genoss ich den Capucino und erzählte mein Bärenabenteuer und zeigte stolz die Fotos dazu.
Siebenbürgen ist bekannt für seine schmucken Wehrkirchen, und ich konnte einige von ihnen besichtigen. Gegen Abend überraschte mich wieder der Regen, und in Șapartoc kam ich in ein kleines fast menschenleeres Dorf, das aber immerhin drei Kirchen hat. Der Regen hatte die Wege so stark aufgeweicht, dass man kaum noch gehen konnte, ohne auszurutschen. Auf eine befestigte Straße ausweichend, erreichte ich Schäßburg (Sighișoara), das siebenbürgische Rothenburg.
Viele sächsische Dörfer scheinen verlassen, nicht so Malmkrog (Mălâncrav), das von der Kirchenburg und dem Apafi-Herrenhaus beschützt wird. Einige der ausgewanderten Sachsen kehrten zurück: in Deutschland ist ja auch nicht alles Gold, was glänzt … Zusätzlich sind Deutsche zugezogen. Auf unzähligen Reisen habe ich mich in diesem Ort immer wohl gefühlt.
Im benachbarten Birthälm (Biertan) steht die stärkste sächsische Bauernburg, und in der Kirche von Reichesdorf (Richiș) grüßt der „Grüne Mann“. Aus seinen Augen und Ohren wachsen grüne Blätter, daher der Name.
Bei der Hitze klebte der Rucksack auf dem Rücken, und ich war mehr als froh, in einer Herberge in Baaßen (Bazna) baden zu können und in der Hängematte mit einem Bierchen zu dösen.
Manche Wegabschnitte waren schlecht oder gar nicht markiert, da half nur die Wander-App. Außerdem waren einige Wege zugewachsen, was bei Nässe nicht unbedingt ein Vergnügen war. Eigens für die Via Transilvanica hat man ein Stempelheft herausgegeben, damit die Wanderer auf der Wegstrecke Stempel sammeln können. Diese Stempel sind bei Privatpersonen, Pensionen, Hotels usw., um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Gut gedacht, doch ist das Ganze nicht ausgereift, denn oft waren diese Personen unterwegs oder Übernachtungsbetriebe waren geschlossen. So fehlen mir halt einige der Stempel ...
Nach der letzten sächsischen Ortschaft Feigendorf (Micăsasa) zeigten die Kilometersteine noch die „700“ an. Weil anschließend die Kilometerangaben fehlten, stellt sich die Frage, ob die Rumänen nur bis zur Zahl 700 zählen können?
Suczawa – Oberbrodina – Rasca – Moldawitza – Kloster Putna -
Via Transilvanica – Bukowina: Sucewitza – Moldawitza – Sadova – Pass Mestecăniș – Dorna Watra (Vatra Dornei) + Abstecher nach Cârlibaba – Dorna Watra – Poiana Negrii -
Hochländer: Lunca Ilvei – Tășuleasa Social – Bistritz Bârgăului - Bistritz – Jeica (Schelken) – Monor (Mindorf) – Deleni – Schäferhütte bei Uricea-Bradatel – Câmpu Cetăţii (Burgfeld) -
Szeklerland: Sovata – Atia – Lupeni (Schylwolfsbach) - Odorheiul Secuiesc (Oderhellen) – Iașu - Siebenbürgen: Arkeden (Archita) – Deutsch-Kreuz (Criţ) – (Begegnung mit einem Bären) – Șapartoc – Peschendorf (Stejăreni) – Malmkrog (Mălâncrav) – Niemesch (Nemșa) – Baaßen (Bazna) – Frauendof (Axente Sever) –
Land der Daker: Langenthal (Valea Lungă) – Heidendorf (Secășel) – Abstecher über Hermannstadt nach Holzmengen (Hosman)
Ich marschierte noch bis Karlsburg (Alba Iulia), wo ich vor drei Jahren meine Fahrt ins Motzenland angetreten hatte. Von hier nahm ich den Bus nach Hermannstadt (Sibiu), um einen Abstecher zu unternehmen. In Holzmengen (Hosman), mit Blick auf die Karpaten, nächtigte ich in einem halbseitig offenen Turm der äußeren Ringmauer an der alten Wehrkirche. Ein leises Lüftchen wehte und ich fühlte mich frei als Wandervogel, während vom Dorf her Zigeunermusik schallte: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen,/ den schickt er in die weite Welt,/ dem will er seine Wunder weisen/ in Berg und Wald und Strom und Feld.“
Die Harbachtalbahn, eine Schmalspurbahn, im Volksmund „Wusch“ genannt, ist wieder teilweise in Gang gesetzt worden. Jetzt von einer Diesellok gezogen, fährt diese von Harbachsdorf (Cornăţel) bis nach Holzmengen und zurück. Natürlich wollte ich mir diese Fahrt nicht entgehen lassen.
Die nächsten Tage verbrachte ich in der bewundernswerten Stadt Hermannstadt. Zu viel zu sehen gibt es, als dass ich das alles aufzählen könnte... Am Samstagabend gab es ein Konzert mit in Schwarz gekleideten Zuhörern. Bei lauter Musik und Hitze war an ein Einschlafen nicht zu denken.
Hermannstadt/Sibiu – Mühlbach (Sebeș) – Rumänisch Pien (Pianu de Sus) – Kudsir – Kloster Măgureni – Pension Căsuţa din Valea Regilor – Alm Fundătura Ponorului – Nucșoara – Sarmizegetusa Ulpia Traiana – Bucova -
Banat: Ferdinandsberg (Oţelu Roșu) – Karansebisch – Lindenfeld – Wolfsberg (Gărâna) – Șura Banatului am Secusee – Reschitz – Jabalcea – Canton Cosava – Prigor – Crușovăt –
rumänischer Teil: Bergdorf Prisăcina – Cernatal – Obârșia Cloșani – Isverna – Cireșu – Balotești – Drobeta Turnu Severin.
Am 28. Juli nahm ich wieder den Bus von Hermannstadt nach Karlsburg, um die Wanderung auf der Via Transilvanica über Mühlbach (Sebeș) fortzusetzen. Ab jetzt hatte ich Glück mit dem Wetter, denn wenn es regnete, fand ich rechtzeitig eine Unterbringung. In einem Dorf fragte ich einen Rumänen nach Trinkwasser. Sofort nahm er mich mit zu seinem Haus und es gab noch obendrein Kaffee und Kuchen. So gestärkt erwanderte ich die Rumänische Schweiz. Da es in den Bergdörfern keine Geschäfte gab, machte ich Rast an einer Pension, die auch als Stempelstelle diente. Die Tochter des Hauses machte mir belegte Brote. Auf dem Tisch standen je eine Flasche mit rotem und weißem Schnaps. Selbstverständlich habe ich den Kirsch- und auch die Pflaumenzuika probiert. Und weil mir der weiße Pflaumenzuika besser mundete, trank ich zum Abschied noch einen.

Verborgen im Wald liegt Sarmizegetusa Regia, die dakische Festung und einst Hauptstadt im dakischen Königreich. Die Waldwege waren nicht einfach zu gehen, zu oft hatten Stürme und Unwetter die Wege zerstört. An einer schönen Stelle nahm ich meine Wegzehrung und lauschte der Natur: mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemüte, dabei fiel mir die Geschichte „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Eichendorff ein. Auf der Alm Fundătura Ponorului waren die Bauern dabei, das Heu auf die dort typischen Heuhaufen aufzuschichten. Von hier hatte man einen atemberaubenden Blick in eine Karstschlucht.
In Sarmizegetusa Ulpa Traiana hatten die Römer ihre Macht nach dem Sieg gegen die Daker demonstriert und eine große Stadt mit Amphitheater protzend aufgebaut. Heute sind das antike Forum und das Museum Publikumsmagnet.
Über das Siebenbürgische Eiserne Tor erreichte ich das Banat. Der Weg führte oft durch riesige Farnwälder. Schon am frühen Morgen schien die Sonne stark und warf lange Schatten. Im Kolpinghaus von Karansebesch aß ich mit Heißhunger ein Schnitzel, das hatte ich seit Wochen nicht mehr gehabt.
Im Banater Bergland fühlte ich mich wohl. In Lindenfeld, einem verlassenen Ort, wo nur noch die Kirche steht, ruhte ich aus. Ein Schäferehepaar mit Hunden und Schafen kam vorbei, und ich genoss unter dem Dach einer Hütte einen herrlichen Sonnenuntergang über der Banater Ebene.
„Wie schön ist die Erkenntnis, einen neuen Tag geschenkt zu bekommen.“
Bald darauf war ich in Wolfsberg (Gărâna), wo ich bei den liebevollen Banater Schwaben Helmuth und Gerlinde gut aufgehoben war. Uns war es recht, dass in Wolfsberg Bierfest gefeiert wurde. Eine Banater Volkstanzgruppe übte deutsche Volkstänze ein, und Laura stellte sich in Schwabentracht mit ihren Kindern für ein Foto zur Verfügung. In früheren Zeiten war Wolfsberg wegen seiner frischen Luft und der nahrhaften Milch berühmt. Lustig wurde es, als ein Bierfaß angeschlagen wurde und Freibier floss. Zudem spielte die Kapelle und die Volkstanzgruppe tanzte dazu. Angenehm überrascht war ich, als ein Tanz aus Deutsch-Mokra aus den ukrainischen Waldkarpaten aufgeführt wurde.
Nach einem guten Frühstück nahm ich am 12. August Abschied von Wolfsberg. Durch den Wald führte der Weg an Aquädukten und Wasserfassungskanälen (hydrologisches Becken) vorbei. Der Wanderweg war umgeleitet, was ich nicht wusste, und so musste ich über einige Zäune klettern, was nicht ganz ohne Blessuren blieb.
Am Campingplatz am Secusee angekommen, war ich enttäuscht, kein Bad nehmen zu können. Der trockene Sommer hatte die Wasserreserven schmelzen lassen.
In der hässlichen Industriestadt Reschitz war lediglich das Lokomotivenmuseum sehenswert. In der Nachbarschaft befanden sich kroatische Dörfer, die typisches Aussehen bewahrt haben. Leider war wie hier in Jabalcea der Lebensmittelladen ganz geschlossen. Da auf dem Weg für die nächsten Tage keine Einkaufsmöglichkeit mehr bestand, fragte ich an einem Haus. Der Besitzer, der auch einen Wanderstempel hatte, zeigte absolutes Verständnis, holte mich in die Stube und machte mir einige belegte Brote. Wir bestaunten die Jagdtrophäen und es gab noch Kaffee und Schnaps dazu. Auf so einer langen Wanderung ist Schmalhans Küchenmeister. Was das Essen betraf, waren die Rumänen nicht nur gastfreundlich, sondern auch sehr hilfsbereit. Lediglich einige wenige Übernachtungsherbergen, die in der Einsamkeit lagen, nutzen die Abgeschiedenheit, um überhöhte Preise zu nehmen.
Ich wanderte durch eine Karstlandschaft mit vielen Höhlen, wie ich es von zu Hause kannte. Bekannt war hier die Comarnic Höhle. Die Wege schienen endlos, und ich war erfreut, in Borloveni Vechi endlich Häuser zu sehen. Ein Müller erkannte sofort den Wanderer, begrüßte mich auf der Via Transilvanica, lud zum Essen ins Haus ein und zeigte die alten Mühlensteine. Ja, das lasse ich mir auf einer Wanderschaft gerne gefallen. Auch in den kommenden Ortschaften gab es alte Mühlen, die die Wasserkraft von unten nutzen.
Zum Sonnenuntergang konnte ich in Prigor ein erfrischendes Bad nehmen.
An den Wochenenden war irgendwo immer ein Fest. In Petnic gab es ab der Kirche eine Prozession. Ich hatte den Ort kaum verlassen, als ein Gewitter aufzog, und ich in einem Schafstall Unterschlupf fand. Nachdem die Schafherde mit dem Hirten zurückgekommen war, wurden die Schafe gemolken. Zu gerne esse ich Schafskäse. Als es aufhörte zu regnen, verabschiedete ich mich, was ein Hund aber anders gesehen haben muss. Im letzten Moment konnte er abgehalten werden, mich zu beißen. Trotz des ergiebigen Regens blieben das Gras und die Wege trocken, so warm war es vorher gewesen.
In Crușovăţ wurde gefeiert, ich fand kein Quartier, so gesellte ich mich dazu und erfreute mich an der Musik und den rumänischen Tänzen. Beim „Hora“ fassten sich Jung und Alt an den Händen, und tanzten im Kreis herum. Bei der Schwüle des Tages hatte ich einen Riesendurst: 5 halbe Bier und 1 Schnaps ließen die Zeit verrinnen. Weit nach Mitternacht verklang die Musik, keiner achtete mehr auf mich und ich verdrückte mich still und leise und suchte mir ein Plätzchen hinter der Dorfkirche zum Übernachten.
Über Bergdörfer und Nebel verhangenen Berge gelangte ich in das bezaubernde Cernatal. Mit der Pension hatte ich Glück: Ich kannte die leckeren Cernaforellen vom letzten Besuch und Frau Wirtin zauberte eine Riesenplatte mit drei Forellen und weiteren Braten mit den entsprechenden Getränken auf den Tisch. Natürlich konnte ich das nicht alles verdrücken und ich hatte Proviant für den nächsten Tag.
In Isverna tritt der Bach aus einem Felsen hervor und plätschert das Tal entlang. Ein idealer Ort zum Übernachten... ja, wenn es nicht um 4 Uhr morgens angefangen hätte zu regnen. Doch meine Sachen waren schnell getrocknet. Mehr Glück hatte ich dann in Cireșu. Einmal im Jahr feiert man das Topolniţa Höhlenfest, und da blieb ich gerne noch einen weiteren Tag. Die Höhle ist ansonsten für Besucher geschlossen und öffnet nur einmal im Jahr zum Patronatsfest die Tore. Die Höhle ist die zweitlängste Höhle in Rumänien mit einzigartigen Formationen auf der Welt. Mit einem Kajak fuhr ich in die unterirdische Höhlenwelt. Am Abend wurde auf einer Wiese zünftig mit Musik und Tanz gefeiert.
An einem Sonntag besuchte ich in einem kleinen Dorf die Kirche. Zum Abschluss schüttelte der Priester allen Anwesenden die Hände und segnete dargebrachte Speisen. Mir deutete er an, eine Minute zu warten, um mir dann eine Tüte als Marschverpflegung mitzugeben. Diese sollte bis zur Donau reichen. Ja, und dann sah ich in der Ferne das blaue Band der Donau.

Mehr unter www.viatransilvanica.com.
Über Temeschburg (Timișoara) und Arad ging es zurück in die Heimat.
Wolfgang Post
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Schlagwörter: Wanderung, Reisebericht, Via Transilvanica
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- 24.11.2025, 11:16 Uhr von Johann0,3: Hallo Herr Wolfgang Post, ich glaube so einen Wanderbericht kann man nicht besser schreiben. Alle ... [weiter]
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