19. Juni 2004

Wahlkampf in Rumänien rund um die Uhr

Einen sensationellen Wahlsieg verzeichneten, wie in dieser Zeitung berichtet, die Deutschen bei den Kommunalwahlen im Kreis Hermannstadt. Bereits beim ersten Urnengang am 6. Juni wurde Klaus Johannis mit 90 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu) wieder gewählt. Das Demokratische Forum der Deutschen wurde auch stärkste Kraft im Hermannstädter Kreisrat und stellt mit Martin Bottesch den neuen Kreisratsvorsitzenden. Bei den Stichwahlen am 20. Juni haben Daniel Thellmann in Mediasch und Johann Krech in Heltau (Cisnadie) gute Chanden, als neue Bürgermeister gewählt zu werden.
Das hat es in Rumänien seit dem Umbruch von 1989 noch nie gegeben, und auch weltweit soll es in gestandenen Demokratien, wollen Journalisten hierzulande wissen, nicht der Fall gewesen sein in Städten von der Größe Hermannstadts: Knapp 90 Prozent der Wählerschaft stellten sich hier am 6. Juni hinter einen Bürgermeisterkandidaten. Noch mehr: Der Minderheitler Klaus Johannis wurde von der Mehrheitsbevölkerung für dies Amt am Zibin ein zweites Mal bevorzugt. Rund 160 000 Einwohner zählt sein Heimatort, etwa 2 000 davon sind, wie er, deutscher Herkunft. 60 Prozent stimmten zudem für die Forumsmannschaft von Klaus Johannis, die 16 von 23 Mandate und somit die absolute Mehrheit im Hermannstädter Stadtrat erzielte.




Klaus Johannis nach dem Urnengang mit seinem Lächeln, als sei er Kennedys Zwillingsbruder (Süddeutsche). Foto: Martin Ohnweiler
Klaus Johannis nach dem Urnengang mit seinem Lächeln, als sei er Kennedys Zwillingsbruder (Süddeutsche). Foto: Martin Ohnweiler


Von einem „totalen Vertrauensvotum“ sprach daher der Forumsspitzenkandidat und DFDR-Vorsitzende, Klaus Johannis, wiederholt nach den Wahlen. Allerdings hat das Hermannstädter Forumsmodell, vielerorts in Siebenbürgen sowie im Banat und im Sathmarland übernommen, nur bedingt Effekt gezeigt. In Mediasch konnte sich Daniel Thellmann mit etwa 30 Prozent der Stimmen gleich an die Spitze der Bürgermeisterkandidaten hochringen, ähnlich schaffte es Johann Krech in Heltau. Beide gehen in die Stichwahl am 20. Juni. In Kleinschelken fehlten Martin Blesch sechs Stimmen beim Rennen um den Chefsessel in seiner Gemeinde, auch in Baaßen konnte sich Albert Binder nicht durchsetzten. Dafür meldete Schäßburg einen ersten Forumserfolg seit dem Umbruch. Aber auch hier nicht so ohne. Von den rund 14 500 gültigen Wählerstimmen entfielen in dieser Kokelstadt 2 071 auf das Deutsche Forum und brachten es auf Platz 2 gleich hinter die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD). Mit drei Sitzen im Stadtrat rechnet die sächsische Gemeinschaft: Harald Gitschner, Adolf Hügel und Stefan Gorczyca werden sie im Stadtrat von Schäßburg in den nächsten vier Jahren vertreten.




Gibt es in Heltau bald einen sächsischen Bürgermeister (primar sas)? Johann Krech vor dem Wahlplakat. Foto: Martin Ohnweiler
Wählt Heltau morgen auch einen sächsischen Bürgermeister (primar sas)? Johann Krech vor dem Wahlplakat. Foto: Martin Ohnweiler


Alle 16 Hermannstädter Stadträte anzuführen, würde den Rahmen sprengen. Mit von der Partie sind die bisherigen fünf Stadträte, hinzu kommen Raimar Wagner (bislang ADZ-Korrespondent), Benjamin Jozsa (ADJ-Vorsitzender), Dr. Paul Niedermaier (Leiter der Forschungsstelle), Gertraud Nowak vom Brukenthalgymnasium, Gertrud Krech vom Landeskonsistorium u.a.m. Zudem hat Architekt Dr. Hermann Fabini auf den Listen der Liberalen (PNL) den Sprung geschafft. 17 Deutsche werden zusammen mit sechs Vertretern der übrigen Parteien die Amtsgeschäfte der Stadt bestimmen. Dazu Hans Klein, dienstältester Stadtrat am Zibin, auf einer Pressekonferenz: „Wenn wir nach dem Umbruch viele unserer Landsleute verloren haben, so haben wir unterdessen nun viele neue Freunde gewonnen.“ Denn von den rund 83 000 gültigen Stimmen am Zibin entfielen gut über 73 000 auf Klaus Johannis, etwa 50 000 von 81 000 gültigen Wählerstimmen entschieden sich für die Forumsmannschaft im künftigen Stadtrat.

Die Deutschen in Kronstadt und Umgebung erlitten wie vor vier Jahren eine Wahlschlappe. Obgleich man heuer rund um die Zinne erstmals mit einer vollständigen Forumsliste und sogar mit einem Spitzenkandidaten für das Bürgermeisteramt (Wolfgang Wittstock) in den Wahlkampf schritt, blieben unter dem Strich für das Forum bloß 2,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. Nicht genug für einen Einzug in den Stadtrat. Selbst in den Gemeinderäten in Reps, Petersberg und Honigberg, wo das Forum bisher vertreten war, hat man es am 6. Juni nicht mehr geschafft. Die Forumskandidaten erzielten sogar weniger Stimmen, als es Deutsche in diesen Ortschaften gibt. Lediglich in den Bodendorfer Gemeinderat konnte Caroline Fernolend aus Deutsch-Weißkirch wieder einziehen.

Im Schwaben- und Berglandland sieht es nicht besser aus. Selbst im Sathmarland, wo man vergleichsweise gut abgeschnitten hat, zeigte sich der Regionalvorsitzende des Forums, Johann Schwartz, nur bedingt zufrieden: „Der Wahlerfolg ist nicht so umfassend wie vor vier Jahren, aber doch ziemlich gut.“ Das Deutsche Forum verlor schließlich zwei Sitze im Kreisrat und knapp zehn Sitze in den verschiedenen Gemeinderäten, konnte aber auf Anhieb immerhin vier Bürgermeister durchsetzen.

Da bleiben Hermannstadt und der Hermannstädter Kreis durchaus die Ausnahme. Denn erstmals stellte sich auch im Bezirk die Wählerschaft mehrheitlich hinter das Deutsche Forum. Mit rund 55 000 Stimmen errang es die Spitzenposition und elf Mandate, die PSD wird acht Sitze im Kreisgremium haben, die Demokratische Partei (PD) sechs, die Liberalen (PNL) fünf und die Humanisten (PUR) drei. Das Forum stellt als stärkste Kraft mit Martin Bottesch den neuen Kreisratsvorsitzenden.




Das Forumsmobil legte in einem Monat 2 000 Kilometer zurück und suchte alle Ecken und Enden Hermannstadts auf. Foto: Martin Ohnweiler
Das Forumsmobil legte in einem Monat 2 000 Kilometer zurück und suchte alle Ecken und Enden Hermannstadts auf. Foto: Martin Ohnweiler



Dem Forumsspitzenkandidat und DFDR-Vorsitzenden Johannis geht und ging es ja darum, wie auch sein Wahlslogan verkündete: „Damit die Dinge wie ein Uhrwerk laufen“ (pentru ca treaba sa mearga ceas). Sand in dies Getriebe gestreut hat indes noch während der Wahlkampagne der PSD-Bürgermeisterkandidat Petre Inclezan, der seine Wählerschaft aufgefordert hatte, die Uhr gemeinsam zurückzustellen, aufzuziehen oder umzudrehen. Die rumänischen Wähler haben diese Aufforderung jedoch nicht verstanden: „Impreuna sa intoarcem ceasul.“ Deshalb wurde gemeinsam an den Zeigern nicht gedreht. Auch im Hermannstädter Kreisrat zeigen sie - entsprechend dem „totalen Vertrauensvotum“ der Wählerschaft - auf das deutsche Forum.

Martin Ohnweiler

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