8. August 2004

Dringender Spendenaufruf für Gundelsheim

So krisenhaft sich die aktuelle Situation des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim darstellt, so ungesichert erscheint dessen Zukunft. Für die Aufrechterhaltung der Bibiothek und des Archivs werden dringend Spenden benötigt. Dies ist die Quintessenz des nachfolgenden Berichts von Gustav Binder, Geschäftsführer des Institutes, in dem die Landsleute ersucht werden, Akuthilfe zu leisten.
Ab 2005 zieht sich das Land Nordrhein-Westfalen aus der jahrzehntelang gewährten institutionellen Förderung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, Träger der Gundelsheimer Einrichtungen (Siebenbürgen-Institut mit Geschäftsstelle des Kulturrates, Bibliothek und Archiv), vollständig zurück. Die öffentliche Förderung seitens des Patenlandes NRW betrug - relativ konstant - über etwas mehr als ein Jahrzehnt rund 117 000 Euro jährlich, zuletzt (2004) nur noch 89 000 Euro. Dank dieser Förderung - und einer weiteren durch das Land Baden-Württemberg - konnte in Gundelsheim eine kleine Geschäftsstelle mit Verwaltungs-, Bibliotheks- und Archivpersonal aufrecht erhalten werden. Hierzu wies der Stellenplan vier volle Arbeitsplätze auf. Drei dieser vier Stellen waren geteilt, d.h. insgesamt wurden sieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Dieses Stammpersonal ermöglichte ein Funktionieren des Institutes mit einem zeitgemäßen Service, wenn auch der Großteil der Förderung (zuletzt rund 90 %) für Personalkosten verwendet werden musste. Während die Personalkosten und Personalnebenkosten stetig wuchsen, blieb die öffentliche Förderung auf dem Stand Anfang der 1990er Jahre eingefroren.

Im Institut mit seiner Geschäftsstelle werden Projekte geplant, die Projekte der Mitgliedsverbände des Kulturrates betreut, Finanzquellen erschlossen, die Projektmittel verwaltet und bei den Geldgebern korrekt abgerechnet. In der Bibliothek wird seit 1996 auf elektronischem Wege katalogisiert und die Daten werden in die Informationsverbünde eingespeist. Was in diesen Datenbanken vorhanden ist, kann weltweit recherchiert und bestellt werden. Die Bibliothek besitzt nicht nur Bücher und Zeitschriften, sondern auch eine reichhaltige Landkartensammlung, Plakate und moderne Medien (CDs, Videos u.ä.). Im Archiv werden Persönlichkeitsnachlässe und ortspezifische Dokumente, Fotos, Dias, Postkarten, Briefmarken oder die Karteikarten samt Fotos, Luftbildern und Bauaufmaßen des Dokumentationsprojektes aufbewahrt und erschlossen.

Die Leitung des Institutes besitzt ein spezifisches und komplexes, in langjähriger Erfahrung gewonnenes Wissen, wo und wie finanzielle Mittel für unsere Projekte (z.B. Buchveröffentlichungen, Tagungen, Dokumentationen, Stipendien) erhältlich sind und wie die ordnungsgemäßen Nachweise zu erstellen sind. Das Einwerben von Projektmitteln von Bund, Ländern und privaten Stiftungen war in den letzten Jahren durchaus erfolgreich und erreichte wiederholt ein Mehrfaches der Grundförderung. Bei Projektförderungen konnte weiteres Personal eingestellt werden: z.B. für die siebeneinhalbjährige Laufzeit des Dokumentationsprojektes zuerst zwei und danach ein qualifizierter Mitarbeiter in Gundelsheim, für die zweieinhalbjährige Dauer der Erschließung evangelischer Gemeindearchive drei qualifizierte Mitarbeiter mit Dienstort in Hermannstadt oder die langjährigen Mitarbeiterinnen am Nordsiebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch in Gundelsheim.

Der Wissenschaftliche Leiter des Siebenbürgen-Institutes, Dr. Harald Roth, hat über ein Jahrzehnt in jedem Semester am Historischen Seminar für Osteuropäische Geschichte eine Seminarveranstaltung angeboten und damit Studenten und Nachwuchswissenschaftler für siebenbürgische Themen sensibilisiert. In dieser Zeitspanne sind über 50 Bücher über Siebenbürgen im Institut initiiert, geschrieben, gedruckt und vertrieben worden. Immer wieder staunen auswärtige Fachleute, wie viel der kleine Mitarbeiterstab der Gundelsheimer Geschäftsstelle auf allen Gebieten leistet. Zu dessen zukunftsweisenden Initiativen zählen u.a. der Aufbau eines Netzwerkes, das Rekrutieren und Zusammenführen von Nachwuchswissenschaftlern (über 100 Doktoranden und Diplomanden aus zahlreichen Ländern).

Die Streichung der öffentlichen Förderung durch das Land NRW belässt der Geschäftsstelle des Siebenbürgen-Instituts die Mittel zur Finanzierung einer Personalstelle. Hinzu kämen gegebenenfalls noch einige Aushilfen, d.h. aus regulären Arbeitsverhältnissen entlassene Mitarbeiter, die über ihr Arbeitslosengeld oder ihrer Rente hinaus noch etwas dazuverdienen dürfen und auf deren Wissen und Können nicht verzichtet werden kann.

Den verantwortlichen Personen und Gremien des Kulturrates und des Instituts kommt nun die Aufgabe zu, aus dem bisherigen Aufgabengebiet die wichtigsten Bereiche zu definieren, die unbedingt erhalten werden müssen. Es ist eindeutig, dass ein Großteil der Arbeit nicht bewältigt werden kann. Das beginnt damit, dass einige der bislang zehn Telefonanschlüsse (für jeden Arbeitsplatz) wegfallen werden. Es bestünde dann keine Möglichkeit, eine Anfrage weiterzuleiten. Gleiches gilt für Briefe und elektronische Post. Es dürfte nicht einmal möglich sein, alles zu öffnen, zu lesen, geschweige denn zu beantworten.

Der letzte verbleibende Mitarbeiter sollte die Qualifikation eines Bibliothekars und Archivars haben, damit wenigstens die vorhandenen Bestände wissenschaftlich interessierten Nutzern zugänglich bleiben. Was geschieht jedoch mit der Geschäftsführung des Kulturrates, den Projekten und ihrer Betreuung? - Zwar war die Bibliothek auch in den Anfangsjahren nur ein Einpersonenbetrieb mit unterstützendem Ehepartner und ehrenamtlichen Helfern, doch haben die Bestände der Bibliothek und die Nutzungsfrequenz um ein Vielfaches zugenommen. Außerdem haben sich viele Bereiche ausdifferenziert und benötigen spezifisches berufliches Wissen (EDV, Verwaltung, Projektentwicklung, diverse Forschungsbereiche).

Um mehr als nur einen Einpersonenbetrieb in Gundelsheim aufrecht erhalten zu können, muss angestrebt werden, in kürzester Zeit so viele Rücklagen zu bilden, dass das hoch qualifizierte Personal wenigstens teilweise und übergangsweise weiter beschäftigt werden kann. Für diese Akuthilfe stellt der Verein der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek seine Konten zur Verfügung. Im Unterschied zur Stiftung Siebenbürgische Bibliothek kann der Förderverein die eingeworbenen Gelder sofort für die Notmaßnahmen verwenden, die Stiftung hingegen ist um die langfristige Sicherung der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen bemüht. Diese Abgrenzung geschieht in gegenseitigem Einvernehmen. Gezielte Spendenmittel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gundelsheimer Geschäftsstelle sollen auf das Konto Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek e.V., Kontonummer: 192 45 49, Kreissparkasse Heilbronn, BLZ 620 500 00, überwiesen werden. Die Zuwendungen sind steuerlich absetzbar (ab 100 Euro wird eine Spendenquittung zugeschickt, bis 100 Euro genügt der Bankbeleg). Es besteht durchaus Hoffnung, dass sich die öffentlichen Förderer der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst werden und unsere allseits anerkannte, langjährige und grenzüberschreitende Tätigkeit künftig wieder unterstützen werden - wenn substanzielle Rücklagen vorhanden sind.

Gustav Binder

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2004, Seite 5)
Weitere Artikel über existenzielle Bedrohung der Kultureinrichtungen in Gundelsheim:

Siebenbürgen-Institut existenziell bedroht, Siebenbürgische Zeitung Online, 31. Januar 2004

Sorge um Kultureinrichtungen in Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung Online, 29. März 2004

Gundelsheim: Bewährter Gemeinsinn dringend gefragt, Siebenbürgische Zeitung Online, 19. April 2004

Siebenbürgische Solidarität ist gefragt, Siebenbürgische Zeitung Online, 4. Mai 2004

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