5. Dezember 2004

Friedrich Miess: erster "freier Künstler" Siebenbürgens

Aus Anlass des 150. Geburtstags des Kronstädter Malers und Grafikers Friedrich Miess (1854-1935) haben das Kronstädter Kunstmuseum und das Hermannstädter Brukenthalmuseum eine Gedenkausstellung vorbereitet, einschließlich eines kleinen Begleitkataloges. Im August wurde die Ausstellung in Kronstadt gezeigt, und seit dem 20. Oktober 2004 ist sie, leicht verändert, in Hermannstadt zu sehen.
Nach der politischen Wende von 1989 haben die Ausstellungsveranstalter versucht, die während des Kommunismus vernachlässigte „siebenbürgisch-deutsche Kunst“ in die rumänische Kunstgeschichte zu integrieren und durch Sonderausstellungen bekannt zu machen. Mit Friedrich Miess wird jetzt die Serie dieser Veranstaltungen fortgesetzt. In Hermannstadt ist die Ausstellung (17 Ölbilder und 22 Grafiken) in vier Sälen im zweiten Stock des Brukenthalpalais untergebracht.



Friedrich Miess: Selbstbildnis vor anatolischem Teppich, 1924. Öl auf Leinwand, Honterusgemeinde Kronstadt. Foto: Konrad Klein
Friedrich Miess: Selbstbildnis vor anatolischem Teppich, 1924. Öl auf Leinwand, Honterusgemeinde Kronstadt. Foto: Konrad Klein
Friedrich Miess (geboren am 21. August 1854) entstammt einer Kronstädter Kaufmannsfamilie und erhielt folglich eine entsprechende Ausbildung. Eine Zeitlang arbeitete er im elterlichen Geschäft, doch 31-jährig entschloss er sich, Künstler zu werden. In der Zeit von 1883 bis 1885 studierte er an der Kunstakademie in Wien, danach vier Jahre lang in München an der Kunstakademie. Nach Abschluss des Studiums bereiste er zwischen 1890 und 1891 Italien. Ein zweites Italienerlebnis (1894-1896) beeinflusste seine Malweise entscheidend: Die Landschaft der Sabiner Berge und das warme Licht der Region bewogen den Künstler, seine Farben aufzuhellen und das Spiel von Luft und Licht in und um die Objekte „einzufangen“. So näherte sich der Kronstädter Künstler dem Stil der deutschen Impressionisten. Miess revolutionierte die siebenbürgische Kunst nicht, wurde jedoch im ausklingenden 19. Jahrhundert ein Wegbereiter der Moderne in seiner Heimat. Aus Italien zurückgekehrt, hatte er den Mut, in Kronstadt ein Atelier zu eröffnen und als freischaffender Künstler zu leben, der erste „freie Künsler“ in Siebenbürgen. Sein Atelier wurde zum Treffpunkt für Berufskollegen, zahlreiche junge Talente erhielten hier die ersten Anweisungen vom geschätzten Altmeister.

Friedrich Miess war ein begabter Bildnismaler, seine Spitzenleistungen verzeichnete er jedoch im Bereich der Landschaftsmalerei, so wie es auch in der Ausstellung deutlich wird. Im ersten Saal fallen zwei großformatige Frauenporträts auf, das eine, 1890 datiert, stellt eine elegante „Dame in einem Garten“ in Ganzfigur dar, während das zweite, 1898 datiert, eine Frau in Burzenländer Volkstracht darstellt. Beide Arbeiten wirken dekorativ und geben Aufschluss darüber, dass der Maler mit den Prinzipien des Jugendstils vertraut war. Einige Herrenporträts (z.B. das von Peter Traugott Lange von Burgenkron, dem Begründer der Allgemeinen Kronstädter Sparkassa, von Christian Miess, dem Direktor derselben Institution, von Franz Hiemesch, Königlicher Rat und Bürgermeister, oder das des Bürgermeisters Ernst Schnell) sind noch recht akademisch. Mehr Freiheit nimmt sich der Maler dann, wenn er sein Modell, einen unbekannten eleganten Herrn, in einen Garten stellt und sowohl dessen Gesicht als auch die Bäume im Hintergrund mit kurzen Pinselstrichen impressionistisch behandelt. In seinem nicht datierten „Selbstporträt“ erzielt der Künstler mit sparsamen Mitteln ein Maximum an malerischen Effekten. Das Bild gehört zu den besten Selbstporträts der siebenbürgischen Malerei.

Das „Landschaftsbild aus Cervara“, das auch auf der Titelseite des Katalogs abgebildet ist, besticht durch seine warmen Farbharmonien. Erwähnenswert ist die impressionistisch anmutende „Herbststimmung“ und das „Landschaftsmotiv bei Kronstadt“ mit der Schwarzen Kirche und Blick auf die Zinne.

Ein großformatiges weibliches „Aktbild in einem Interieur“ bildet den Blickfang des dritten Saales rechts. Es ist äußerst wirkungsvoll und dekorativ, da es außer der meisterhaft wiedergegebenen weiblichen Figur auch zwei Stillleben enthält.

Die Ausstellung erweckt den Eindruck, dass nicht alle Lebensabschnitte des Künstlers abgedeckt werden und dass zahlreiche seiner besten Werke nicht in Museen eingegangen sind (denkt man nur an die zahlreichen Reproduktionen in der Kronstädter Kulturzeitschrift „Die Karpathen“). Schade, dass es den Veranstaltern nicht gelungen ist, von einem so produktiven Künstler, wie Miess es gewesen ist, nicht mehr zusammen zu bekommen. Die Gedächtnisausstellung Friedrich Miess ist trotz dieses Mangels sehenswert. Kein Kunstliebhaber sollte sie verpassen.

Dr. Gudrun-Liane Ittu

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