6. Februar 2005

Bildhauer Raimund Haas gestorben

Er war einer der "Stillen". Sein zum Schauen berufener, wacher Blick umfasste das vor ihm Liegende in nie erlahmender schöpferischer Freude. Unter dem kraftvollen Spiel seiner formenden Hände gestalteten sich spröde wie weiche Materialien zu Werken seiner Kunst, teils in Lebensgröße wuchtig und ernst, teils miniaturhaft klein und lieblich, die immer den Stempel seiner warmen Menschlichkeit tragen.
Begonnen hat sein Lebensweg in Schäßburg, wo er am 20. Dezember 1917 als dritter von vier Söhnen des Arztes Dr. Otto Haas und seiner Frau Anna Margarethe, geborene Terplan, zur Welt kam. Als er vierjährig eine Scharlach-Diphterie-Infektion überlebte, blieb eine starke Schwerhörigkeit zurück, die seine Schul- und Studienjahre wie auch sein weiteres Leben belastete und prägte. Früh zeigte sich sein gestalterisches Talent. Tiere, vor allem Pferde, übten eine starke Faszination auf ihn aus. Als ihm ein Glasermeister, dessen Arbeit er interessiert beobachtete, einen Klumpen Kitt schenkte, „ging es los“. Er knetete und formte unentwegt, erhielt dann von den Eltern das erste Plastilin und bildete Tierfiguren. Später als Gymnasiast formte er auch das menschliche Antlitz, und so entstanden in Ton modellierte Büsten. Mit zwei dieser Köpfe erhielt er 1934 auf der Schülerolympiade der siebenbürgischen Gymnasien in Mediasch den ersten Preis für Modellieren. Er nahm auch privaten Zeichen- und Malunterricht beim Kunstmaler Gustav Binder. Oft saß er am Holzmarkt und zeichnete die dort rastenden Pferde und Rinder.



Raimund Haas
Raimund Haas
Zur weiteren Ausbildung seiner künstlerischen Fähigkeiten verließ er 1937 Schäßburg und lebte fortan in München. Zunächst besuchte er die dortige Fachschule für Bildhauer, um 1940 das Studium an der Hochschule für Bildende Künste beim Bildhauer Prof. Henselmann zu beginnen, das er nach kriegsbedingten Unterbrechungen 1950 beendete. Dann begann seine Zeit als freischaffender Künstler, ein hartes Brot im Nachkriegsdeutschland.

Dennoch war er nie bereit, einträgliche Angebote für eine lukrativere „Semikunst“ anzunehmen. Den ersten öffentlichen Erfolg hatte Raimund Haas 1950 mit seiner lebensgroßen Holzfigur „Der Fischer“ auf der Großen Münchener Kunstausstellung im Haus der Kunst. Sie wurde im Münchner Merkur als „prachtvoll wuchtige Holzplastik“ gewürdigt. Im Oktober 1950 schrieb Hermann Schlandt in der Siebenbürgischen Zeitung über den Bildhauer: „Es ist eine große Kraft in seiner Kunst, die nach dem Ursprung sucht - manchmal fast schwer, doch niemals plump. Das spürt man nicht nur in den lebensgroßen Bildwerken, sondern ebenso in den Kleinplastiken, die oft nicht größer sind als eine Männerfaust. Tiere stellt er gerne dar, und er hat da wunderbare Kleinbronzen geschaffen.“

1952 gestaltete Haas für das Südostdeutsche Kulturwerk München die bronzene Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille, die als Auszeichnung für besondere Verdienste um die Verbreitung deutscher Kulturwerte aus dem osteuropäischen Raum verliehen wird. Auch der siebenbürgische Schriftsteller Hans Bergel erhielt diese Auszeichnung. Auf der einen Seite der Medaille wird der Kopf von Adam Müller-Guttenbrunn dargestellt, die Rückseite symbolisiert die Ein- und Rückwanderung der Banater Schwaben.

1959 schuf Raimund Haas eine Hermann-Oberth-Büste, wozu er von der Familie Oberth in deren Haus nach Feucht gerufen wurde. Der Professor saß denkend und schreibend in seinem Arbeitszimmer, während der Bildhauer modellierte. Als Haas den „Vater der Raumfahrt“ einmal bat, die Brille abzunehmen, um die Augenpartie betrachten zu können, habe Oberth - als Ausgleich dieser eingehenden „Beschau“ - spaßeshalber mit den Ohren gewackelt. Ein Bronzeabguss der bei diesen Sitzungen entstandenen Plastik (ein Drittel der Lebensgröße) steht im Hermann-Oberth-Raumfahrtmuseum in Feucht bei Nürnberg, ein weiterer im Museum in Gundelsheim. Die Plastik wurde auch an Persönlichkeiten für Verdienste um die Weltraumforschung verliehen.



Raimund Haas: Der Fischer, Holz, Große Kunstausstellung im Haus der Kunst in München, 1950
Raimund Haas: Der Fischer, Holz, Große Kunstausstellung im Haus der Kunst in München, 1950
Eine von Haas 1968/69 danach gearbeitete überlebensgroße Bronzebüste steht im Hermann-Oberth-Kulturhaus in Drabenderhöhe. Raimund Haas hat auch Büsten von Menschen seiner Umgebung, teilweise im Auftrag, in unterschiedlichen Materialien geformt. Ein wichtiger Teil der Arbeiten von Raimund Haas stellen Werke mit religiösen Motiven dar. Anlässlich einer Ausstellung der „Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst“ war im Merkur zu lesen: „Unter den Plastiken fällt die ‚Bronze-Madonna mit Kind‘ von Raimund Haas durch rührende Schlichtheit und romanische Anklänge auf.“ Für die St. Willibald-Kirche in München-Laim schuf er eine 2,5 m Hochrelief-Figur des heiligen Willibald.

Über vier Jahrzehnte wurde Raimund Haas in treuer und kollegialer Freundschaft von der bildenden Künstlerin Gisela Fichtner begleitet. Sie schafften in ihrem gemeinsamen Atelier in München-Laim. Die Kunst verband harmonisch das menschliche Miteinander und war der große innere Reichtum ihres äußerlich immer bescheidenen Lebens. Mußestunden verbrachten sie in der Natur, wo sie neue Kraft in der Bewunderung der Schöpfung fanden.

Die letzten Jahre hat Raimund in der Geborgenheit des Alfons-Hoffmann-Altenheims in München-Laim verbracht, wo man sich seiner liebevoll annahm. Gisela war täglich bei ihm und geleitete Raimund auch in das nahe gelegene Atelier mit der vertrauten Atmosphäre ihres gemeinsamen künstlerischen Schaffens. Am 30. November 2004, kurz vor der Vollendung seines 87. Lebensjahres, ist seine Seele still heimgekehrt in jene Welt des Lichtes und der Liebe, die Gottes Sohn für uns bereitet hat.

Grete Terplan-Trimbom

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2005, Seite 5)

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