13. Februar 2005

Im Kern ist jede Farbe grau

Jutta Pallos-Schönauer, geboren am 12. Januar 1925 in Sächsisch-Regen, ist eine siebenbürgische Malerin, und sie ist eine Malerin Siebenbürgens. Diese lebenslange Berufung hat sie bei ihrer Ausreise 1986 ebenso nach Deutschland mitgebracht wie den „Gegenstand“ ihrer Kunst. An ihm hält sie so fest, dass jeder Betrachter sich sofort ein Bild darüber machen kann – nicht nur über Siebenbürgen, sondern auch über die besondere Beziehung zwischen Gemaltem und Gemälde. Denn ebenso wie jedes gute Porträt in erster Linie den Maler darstellt und nicht die Person, die er porträtiert, so zeigt auch jedes Landschaftsbild vor allem das Gesicht dessen, der es gestaltet. Erst hinter diesem Gesicht taucht die Landschaft als solche auf.
Kunst ist ein Vorgang der Darstellung und nicht eine Feier des Dargestellten. „Heimatkunst“ versucht gewöhnlich eine Umkehr dieses Zusammenhangs, gebärdet sich fest- und feierlich und trifft damit den Geschmack vieler Menschen. Was dabei entsteht, wenn „gefeiert“ wird, erscheint ihnen schön. Dagegen ist nichts zu sagen, schließlich wollen diese Menschen ja auch etwas „Schönes“ und nicht unbedingt „Kunst“.

Ihnen kommt Jutta Pallos-Schönauer mit ihren Siebenbürgen-Bildern nicht entgegen, denn sie sind keine „Feier“ dieser Heimatlandschaft, sondern eine leise und stetig bohrende, gleichwohl „schöne“ Frage. In jedem der Bilder wird diese Frage neu gestellt: Wie kann man Verlassenes wiedergewinnen, Vergehendes aufheben und bewahren? Die Künstlerin bleibt ihrer Herkunftslandschaft verbunden, sie bleibt an sie gebunden in einer schmerzlichen Art und Weise, die lähmend sein könnte – und doch oder gerade deshalb gewinnt sie daraus ihren Gestaltungswillen und die Kraft dazu.



Jutta Pallos-Schönauer: Weltkulturerbe (Schäßburg), Öl, 2002.
Jutta Pallos-Schönauer: Weltkulturerbe (Schäßburg), Öl, 2002.


Lähmung und Starre sind gleichwohl Konstanten in Jutta Pallos-Schönauers Werk. Das gilt nicht nur „naturgemäß“ für die durchgehend präsenten Motive mittelalterlicher siebenbürgisch-sächsischer Architektur, sondern auch für die Menschengestalten, die diese gebauten Landschaften bevölkern. Gewöhnlich sind es Gruppen, in denen ein Familien- oder im weiteren Sinn Sippenzusammenhang auszumachen ist, was auch Bildtitel wie „Nachfahren“, „Generationen oder „In der Stadt der Ahnen“ anzeigen.

Dennoch: Merkwürdig fremd stehen oder sitzen diese Gestalten nebeneinander oder einander gegenüber, aus gotisch herber Reglosigkeit spricht existentielle Ratlosigkeit: „Ausgelieferte“, „Wurzelhüter“, „Konfrontation“, so heißen die Bilder, in denen augenscheinlich Schicksalhaftes geschieht, das jedoch nur mit hilflosen Handbewegungen beschworen wird, ohne dass sich eigentlich etwas bewegte – außer immer wieder in den Vordergrund drängenden Gliederpuppen. Die „Geschichte“, die ja so heißt, weil sie „geschieht“, hat in Jutta Pallos-Schönauers Bildern eine dämonisch mahlende Mechanik, die gerade nicht Bewegung, sondern Erstarrung hervorruft, in der nur unbeseelte Menschenimitate, gespenstisch anmutende Puppen, sich verrenken. Tiere, Hunde (oder Wölfe) und Büffel, beleben die Szenerie nur vermeintlich, bei genauerer Betrachtung vergegenwärtigen sie Bedrohung oder Verstörung, zumal die drei Büffel „In vereister Welt“ in einer siebenbürgischen Häuserschlucht sichtlich Halt suchen – bedroht und bedrohlich zugleich.

Nichts Tröstliches hat die Künstlerin anzubieten – außer der traurigen Schönheit einer Erinnerungslandschaft, die hinter einem Grauschleier verblasst. In der Tat legen sich Weiß und Grau über die Gemälde der Jutta Pallos-Schönauer wie eine Patina und verleihen ihnen einen merkwürdig winterlich-morbiden Reiz, der die „Kälte“ spüren läßt.

Über das Atmosphärische hinaus weisen Eigenheiten, die sich durch dieses ganze Werk ziehen. Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht im Detail, sondern geht ins Existentielle, winkt dabei aber nicht mit dem Zaunpfahl künstlicher Symbolik, sondern erscheint künstlerisch zwingend und wirkt beim Betrachten des Gesamtwerks besonders nachhaltig: Die menschlichen Gestalten haben durchgehend „blinde“, einige gar keine Augen, und die Kirchtürme haben keine Spitzen. Selbst die für Ortskundige ohne weiteres wiedererkennbaren Gebäudeensembles mittelalterlicher sächsischer Innenstädte sind so gefasst, dass diese Spitzen ausgespart werden.

Es gibt in dieser Welt nichts, was über sie hinauswiese, nichts darüber und nichts jenseits, keine Erlösung, auf die man hoffen, und keine Zukunft, in die man blicken könnte. Es gibt nur die Bilder davon, und die malt Jutta Pallos-Schönauer mit unbestechlichem Sinn für einen Realismus, der Wirklichkeit nicht nachstellt, sondern darstellt.

Georg Aescht (KK)


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