29. August 2001

Zäher Reformprozess in Rumänien

Die wirtschaftlichen Reformen in Rumänien kommen nur schleppend voran. Premierminister Adrian Nastase versucht kurz vor den für diesen Herbst geplanten Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) konkrete Ergebnisse vorzulegen, wird aber mit dem Widerstand seiner eigenen Minister konfrontiert.
Kopfzerbrechen bereitet dem rumänischen Premierminister Adrian Nastase vor allem die Forderung des IWF, wonach in den Regiebetrieben 7 Prozent der Arbeitsstellen bis zum Jahresende abgebaut werden sollen. Die rumänische Regierung hatte sich bei den letzten Verhandlungen mit dem IWF im Juni 2001 zwar verpflichtet, dieser Forderung nachzukommen und damit 25 000 Arbeitnehmer zu entlassen. Die verzögerte Umsetzung der Maßnahme hat jedoch mittlerweile ein so großes "Schwarzes Loch" in der Staatskasse gerissen, dass bis Jahresende insgesamt 60 000 Arbeiter entlassen werden müssten, um mit dem ursprünglich veranschlagten Personalbudget zurechtzukommen. Wie die rumänische Tageszeitung Adevarul berichtet, lehnt Industrieminister Dan Ioan Popescu diese Sparmaßnahme jedoch strikt ab. Aus Regierungskreisen war zu erfahren, dass Popescu Widerstand angekündigt und seinen Rücktritt in Aussicht gestellt habe.
Bei einer Bilanz nach siebenmonatiger Regierungszeit beklagte Adrian Nastase, dass die ohnehin fürstlichen Lohnbezüge in den Regiebetrieben im Energiebereich zu stark erhöht worden seien. Nach dem Bergwerksunfall im Schiltal kündigte der Premier strenge Maßnahmen gegen das mafiotische System der so genannten Zeckenfirmen ("firme capusa") in den Kohlebergwerken des Schiltals an. Diese privaten Firmen werden von der Leitung der Bergwerke betrieben oder zumindest geduldet und fressen gleichfalls Mittel des Staatshaushaltes auf.
Ob die Verhandlungen mit dem IWF, die eine Signalwirkung auch für andere Geldgeber und Banken haben, erfolgreich abgeschlossen werden, hängt vom Durchsetzungsvermögen des Premiers ab. Allerdings ist seine Autorität gegenüber den eigenen Ministern angeschlagen, berichtet die gleiche Zeitung. Während Nastase sich im Lichte der laufenden Kameras wohl gefällt, bleiben die Minister vom Arbeitseifer ihres Chefs unbeeindruckt. So haben die einzelnen Ministerien ihre Haushaltsentwürfe für das Jahr 2002 noch immer nicht dem Finanzministerium vorgelegt, obwohl der endgültige Jahresentwurf in die Verhandlungen mit dem Währungsfonds einbezogen werden müsste. Wenig beeindruckt zeigen sich die Minister auch vom Dringlichkeitserlass der Regierung Nr. 79/2001 betreffend die Stärkung der ökonomisch-finanziellen Disziplin in den Staatsbetrieben, den sie vielmehr als schlichtes Papier betrachten, heißt es in Adevarul. Größte Sorge bereiten die Zustände in den Ministerien für Industrie und Transport.
Dass die rumänische Regierung auch die Korruption in den eigenen Reihen und in der Verwaltung nicht sonderlich ernst nimmt, zeigte erst kürzlich Innenminister Ioan Rus. Hochrangige Offiziere des Innenministeriums und andere Staatsfunktionäre waren in den letzten Monaten durch Enthüllungen in der Presse in ein schiefes Licht geraten: Sie hätten luxuriöse Villen und Ferienhäuser aufgezogen, deren Kosten weit über ihre Einkommensverhältnisse hinausgehen. Daraufhin ordnete der Innenminister eine Untersuchung an, deren ernüchterndes Ergebnis er vorige Woche vorstellte: Die meisten Offiziere des Innenministeriums hätten ein Leben lang hart gearbeitet und die Ersparnisse zum Hausbau eingesetzt, nur 35 der 248 untersuchten Mitarbeiter seien eine Antwort schuldig geblieben, erklärte Rus.

Siegbert Bruss


Weitere Artikel zu ähnlichem Thema:
Nationale Töne überschatten Rumänien, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 25. August 2001

Adrian Nastase zu Besuch in Deutschland, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 12. Juli 2001

Schwierige Aufgaben für Regierung Adrian Nastase, Siebenbürgische Zeitung-Online vom 25. Januar 2001

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.