1. Juni 2005

Neuzugang an Securitate-Akten

Nach dem Regierungswechsel im Dezember letzten Jahres hat die Landesbehörde zum Studium der Securitate-Vergangenheit (CNSAS), die "Gauck-Behörde" in Bukarest, weitere kilometerlange Akten aus den Beständen der ehemaligen rumänischen Geheimpolizei erhalten. Die Unterlagen werden nun in mühsamer Arbeit erschlossen und sollen Licht bringen in das dunkle Kapitel der kommunistischen Unterdrückung.
Am 7. Dezember 1999 ratifizierte der damalige Staatspräsident Emil Constantinescu das Gesetz Nr. 187 über die „Enttarnung der Securitate als politische Polizei“ in Rumänien. Ein elfköpfiges Leitungsgremium des „Nationalrats für die Untersuchung der Securitate-Archive“ (CNSAS) wurde berufen, Licht in dieses dunkle Kapitel der kommunistischen Herrschaft zu bringen. Das Gesetz ermöglicht den Bürgern Rumäniens und den ehemaligen Staatsbürgern, die inzwischen ausgewandert sind, Einsicht in ihre Akten zu beantragen. Laut einer Umfrage des Fernsehsenders „Realitatea TV“ seien 96 Prozent der Bürger Rumäniens daran interessiert, ihre Securitate-Akte einzusehen und nur 4 Prozent lehnten dies ab. In Wirklichkeit ist die Nachfrage bei der rumänischen „Gauck“-Behörde nur sehr gering. Von den rund 22 Millionen Bürgern Rumäniens haben bisher 12.261 von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Einsicht in ihre Akte zu beantragen. Mehr als die Hälfte der Ansuchen (6.577) wurden allerdings negativ beschieden, weil die entsprechenden Akten entweder nicht gefunden oder vernichtet wurden oder nicht vorhanden waren. Dagegen wurden 2.481 Akten gelesen und ihre Bearbeitung abgeschlossen.

Nur sieben von etwa 40 Kilometern Akten, die die Securitate hinterlassen hat, wurden in den letzten fünf Jahren von der Nachfolgeorganisation der Securitate, dem Rumänischen Nachrichtendienst SRI (Serviciul Roman de Informatii), an den „Nationalrat für die Untersuchung der Securitate Archive“ mit Sitz in der Strada Dragoslavele in Bukarest übergeben.

Nach dem Regierungswechsel im Dezember 2004 hat Präsident Traian Basescu den SRI (Serviciul Roman de Informatii) damit beauftragt, das gesamte Archiv dem Nationalrat auszuhändigen. Für die Lagerung der Akten wurden zwei Hallen außerhalb Bukarests, in Popesti-Leordeni, bereitgestellt. Seither sind etwa 30 Mitarbeiter der rund 200 Angestellten dieser Behörde damit beschäftigt, die Securitate-Akten zu sichten und zu ordnen. Das sei ein beschwerliches Unterfangen, räumt ein Mitglied der elfköpfigen Leitung des Nationalrats ein. Neben der langen Anfahrt nach Popesti-Leordeni, etwa 30 Kilometer außerhalb Bukarests gelegen, werde dort unter schwierigen Bedingungen gearbeitet. Die Unterlagen seien verstaubt, möglicherweise kontaminiert und als ungeordnete Bündel übergeben worden. Eine Namenskartei müsse erst angelegt werden, da keine mitgeliefert worden sei. Das Archivpersonal klagt über Übelkeit, Augenbrennen, Nasenbluten und Atembeschwerden. Mehrere Angestellte mussten sich krank melden, da sie unter diesen Bedingungen nicht weiter arbeiten könnten. Die Hallen, in denen die Aktenbündel gesichtet werden, verfügt über kein Tageslicht. Ein Mitglied des Leitungsrates hat ausgerechnet, dass die Angestellten die Arbeit – unter den derzeitigen Bedingungen – erst in etwa sechs Jahren bewältigen könnten. Die Übernahme von weiteren zwölf Kilometer Archivakten, lies: rund 60 Millionen Seiten, sei innerhalb der von Präsident Basescu vorgegebenen Frist (bis Ende 2005) nicht zu schaffen.

Die Mitglieder des Leitungsrates forderten in einem offenen Brief an den Staatschef, gleichzeitig mit dem Aktenarchiv auch das dazugehörige Gebäude zu übernehmen. Der Chef des Nachrichtendienstes, Alexandru Radu Timofte, weigerte sich auf diese Forderung einzugehen. CNSAS-Leiter Gheorghe Onisoru und Radu Timofte haben nun vereinbart, dass die Akten, die nicht unter das Gesetz Nr. 51 von 1991 bezüglich die nationale Sicherheit Rumäniens fallen, bis Ende des Jahres in das neue Archiv außerhalb Bukarest übergehen sollen.

Katharina Kilzer



Lesen Sie im Newsletter SiebenbuergeR.de vom 1. Juni 2005 ein Interview von Katharina Kilzer mit dem Leiter des Nationalrates, Gheorghe Onisoru, über die aktuellen Bemühungen um die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Rumänien.

Anträge zur Akteneinsicht sind auf der Internetseite der CNSAS www.cnsas.ro zu finden, das ausgefüllte Formblatt kann per Post oder per Mail an die Behörde weitergeleitet werden.

Weitere Artikel zum Thema Securitate-Akten in der Siebenbürgischen Zeitung:

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