22. August 2005

Leserecho: Späte Bewunderung für Lehrer

Zu dem Artikel "Siebenbürgische Schulgeschichte wird weiter erforscht", Siebenbürgische Zeitung Online vom 29. Juli 2005, schreibt Rick von Kraus aus Boston, Massachusetts (USA):
"Held" wird im Duden, dem "Deutschen Universal Wörterbuch" von 1983, als jemand definiert, der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt, eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihm Bewunderung einträgt. Außer der Bewunderung trifft in dem bedeutungsschweren Hergang, auf den ich hier eingehen möchte, alles zu. Die Bewunderung war ausgeblieben, weil das Bekanntmachen der Tat oder Taten während des damaligen Regimes in Rumänien nicht möglich war.

Mein Jahrgang (1948), die Jahrgänge kurz vor und nach mir hatten ein Problem, das mir eigentlich nur jetzt, nach 45-50 Jahren, in seiner Gänze, einschließlich der findigen Lösungen, bewusst wurde. Gemäß den strengen politischen Auflagen der damaligen Machthaber waren wir zu wenige deutsche Kinder (vier bis sieben pro Jahrgang), um die Existenz der deutschen Schule in Rosenau zu rechtfertigen. Der Grund der niedrigen Geburtsrate waren, wie die meisten Leser dieser Zeitung wissen, der Krieg und die Russlandverschleppung.

Zuerst wollten die zuständigen Bukarester Inspektoren den Fortbestand unserer Schule gar nicht genehmigen. Nur das Argument unserer über 800 Jahre alten Geschichte als deutscher Stamm mäßigte ihre ablehnende Haltung. Es wurde die Bedingung gestellt, dass in jeder Klasse wenigstens 15 Schüler sein müssten, um den deutschen Unterricht fortführen zu können. Die Alternativen für uns, sollten die 15 nicht zusammenkommen, waren das Pendeln nach Neustadt oder Kronstadt oder der Besuch der rumänischen Schule.

Unsere lieben Lehrer kamen auf die Idee, Kinder aus anderen Ortschaften anzuwerben. Dafür brauchten sie aber die Genehmigung des Bukarester Ministeriums. Auf welche Art und Weise sie sie erhalten haben, ist mir nicht bekannt, aber sie erhielten sie. Jetzt ging das Radeln durchs Burzenland los, um willige Kinder zu finden, die nach Rosenau kommen sollten. Ich nehme an, die ersten Ansprechpartner waren die Kinder (oder besser gesagt die Eltern der Kinder) aus Ortschaften, die dasselbe Problem wie Rosenau hatten, deren Lehrer sich aber nicht so engagiert für den Erhalt ihrer Schule einsetzten wie unsere. Und so kam es dazu, dass wir Schulkollegen aus Neustadt, Wolkendorf, Zeiden, Brenndorf, Heldsdorf und anderen Ortschaften erhielten. Eine andere Schülerquelle waren die anderen Rosenauer Volksgruppen. Und so kam es, dass wir in unserer Klasse eine gute Anzahl rumänischer Kinder und einen Ungarn hatten.

Und wenn das noch immer nicht für die magische Anzahl (15) pro Klasse reichte, wurden ein paar auch "erfunden". Ja, unsere lieben Lehrer und die Schulleitung, die uns tagsüber Ehrlichkeit einpaukten, wurden für uns zu lieben Schwindlern! Diese fiktiven Schüler wurden nicht nur dem Kronstädter Inspektorat gemeldet, sondern auch in die Kataloge eingetragen. Sie wurden als Kinder aus anderen Ortschaften angegeben. Zum Glück verlangte das Protokoll keinen Geburtsschein oder offizielle Nummer, sondern nur Name und Adresse. Und so hatten wir auch Klassenkollegen und -kolleginnen, die wir persönlich nie kennen lernten.

Um eine gewissen Zeit, die genaue Chronologie kenne ich nicht, wurde unseren Lehrern untersagt, rumänische Kinder in die deutsche Schule aufzunehmen, es sei denn diese Schüler brachten eine amtliche Bestätigung, wonach sie wenigstens einen deutschen Anverwandten hatten. Die Legende erzählt, dass zu Schulbeginn ein Zigeuner im Lehrerzimmer erschien und einen vom Rosenauer Bürgermeister unterschriebenen Zettel vorlegte, der bestätigte, dass die Kinder (es war ein Junge und ein Mädchen) eine deutsche Großmutter hätten. Selbstverständlich fanden unsere Lehrer, dass nähere Erkundigungen für die ganze deutsche Schule von Nachteil gewesen wären. Die zwei Kinder besuchten dann ein paar Jahre mit uns den Unterricht.

Wenigstens für mich ist die Zeit der Bewunderung für unsere Lehrerinnen und Lehrer gekommen. Ich weiß nicht, wie viele Geschichten es noch in diesem Zusammenhang unter uns Siebenbürgern gibt. Ich würde sie gerne hier in unserer Zeitung lesen.

Wir schulden euch Lehrerinnen und Lehrer viel! Vivant professores! Semper sint in flore!

Rick (Rüdiger) von Kraus, Boston, Massachusetts (USA)

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