6. November 2001

Dagmar Dusil "Blick zurück durchs Küchenfenster"

Das neue Buch „Blick zurück durchs Küchenfenster“ von Dagmar Dusil bringt uns die vielseitige Küche Siebenbürgens auf ganz besondere Art näher: Zu jeder Speise gehört nicht nur ein Rezept, sondern auch eine Geschichte aus dem Leben der Verfasserin. Diese Erinnerungen fügen sich zwanglos zu einem Bild der Verhältnisse in Siebenbürgen seit den 50er Jahren zusammen. Das Buch zeichnet damit in persönlich gefärbter Weise auch Entwicklungen der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten nach.
Man könnte meinen, dass dafür eigentlich zwei Bücher nötig wären: Ein Kochbuch und ein Buch mit Erinnerungen. Doch wäre ein Rückblick auf vergangene Jahrzehnte des Lebens denkbar ohne die Erinnerungen an Lieblingsgerichte, an das Weihnachtsessen in der Familie oder an den Geburtstagskuchen? Dagmar Dusil führt in ihrem Buch zusammen, was zusammengehört. Das Ergebnis ist ein Kochbuch, nach dem man nicht nur kochen, sondern das man auch lesen kann – und zwar durchaus mit Vergnügen.
Dagmar Dusil denkt in ihrem Buch an die eigene Kindheit in den 50er und 60er Jahren in Hermannstadt zurück. Kulinarisch gesehen war diese Zeit für sie durch die Küche der Generation ihrer Eltern bestimmt. Sie stand also ganz in der Tradition der berühmten österreichisch-ungarischen Kochkunst. Im Elternhaus der Verfasserin wurde diese allerdings durch einige böhmische und auch italienische Gepflogenheiten erweitert, was entsprechender Verwandtschaft zu verdanken war.
Die Gründung einer eigenen Familie stellte Dagmar Dusil in den 70er Jahren dann vor ungeahnte Herausforderungen am eigenen Küchenherd. Es wurde viel ausprobiert und improvisiert, es ging sehr lebendig zu, jedes Gericht war ein Ereignis für sich. Die Ausreise in die Bundesrepublik Mitte der 80er Jahre und das Leben im Westen schlugen sich bei Dagmar Dusil in einer Küche nieder, in der sich Tradition und Improvisation, das Schätzen des Althergebrachten einerseits und die Offenheit für Neues andererseits, verbinden. Genau dieses Lebensgefühl vermitteln auch die Erinnerungen der Verfasserin an diese Zeit: Sie stand schließlich selbst mit ihrer Familie vor der Frage, welche der alten, aus Siebenbürgen mitgebrachten Erfahrungen und Lebensgewohnheiten in Deutschland noch Platz im Leben haben, was verworfen werden und was neu hinzukommen muss.
So verbindet „Blick zurück durchs Küchenfenster“ Lesevergnügen mit Kochrezepten. Als Siebenbürger wird man sich durch die gut zu lesenden Geschichten an Episoden aus dem eigenen Leben erinnern. Das Buch reflektiert vieles von dem Lebensgefühl in den jeweiligen Zeitabschnitten: Tradition und Beständigkeit im Elternhaus, dann das Beschreiten eigener, auch unkonventioneller Wege in der Studienzeit und mit der eigenen Familie, schließlich der Zerfall der siebenbürgisch-sächsichen Gemeinschaft und der Neuanfang in Deutschland. Es sind aber auch die vermeintlich kleinen Dinge, die den Reiz dieses Buches ausmachen, ganz im Sinne des Zitates von William Blake, das die Verfasserin an den Anfang gestellt hat: Die Welt in einem Sandkorn sehen, und den Himmel in einer Wiesenblume.
Aber auch für die Landsleute in der neuen Heimat kann dieses Buch ein Gewinn sein: Es wird darin vieles von der Atmosphäre in siebenbürgischen Kreisen während der letzten Jahrzehnte spürbar. Vor allem die menschliche Seite der Entwicklungen in dieser Zeit schimmert auf ebenso subtile wie sympathische Weise hinter den Erinnerungen durch. Dies erschließt eine Ebene der Verständigung, deren Bedeutung im Zusammenleben von Siebenbürgern und Nicht-Siebenbürgern durchaus noch gestärkt werden kann. Dieses Buch leistet einen gelungenen Beitrag dazu.

Dr. Klaus Weinrich


Dagmar Dusil: Blick zurück durchs Küchenfenster. 216 Seiten, Abbildungen von Alt-Hermannstadt. Heilbronn / Hermannstadt 2001. ISBN 3-00-008266-2, 19,90 DM (10,20 Euro) Zu beziehen über DD Consulting, Michael-Vehe-Str. 19/1, 74078 Heilbronn, Tel.: 07066-4625 (zw. 19 - 21 Uhr) oder über den Buchversand Südost, Brigitte Rill, Erlenbach, Telefon: (0 71 32) 9 51 16 12, wochentags 18.00-21.00 Uhr, Fax: (0 71 32) 9 51 16 13.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2001, Seite 9)

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