1. Januar 2002

Rolf Zay: "Bittere Einsichten"

Gedichte aus dem Nachlass von Erwin Rolf Zay. Der Autor wurde 1932 in Großschenk geboren , machte seinen Gymnasialabschluss 1953 in Schäßburg und absolvierte 1957 eine technische Schule in Kronstadt. Bis zu seiner Aussiedlung 1983 war er als Projektzeichner in einem Schäßburger Maschinenbauunternehmen tätig, als solcher arbeitete er danach mit Unterbrechungen auch in Gummersbach, wo er nach längerer Krankheit 1999 verstarb. In seinen Texten verbalisierte er ironisch und selbstironisch immer wieder "bittere Einsichten" in die eigene Biografie und die Realitäten seiner Umwelt.
Friedensengel

Als er kam
um sie zu fragen:
"Wollt ihr nun
den Frieden wagen?",

hörte man
die Krieger sagen:
"Lasst und diesen Narren
erschlagen und verscharren."

Einer sagt: "Lasst ihn in Ruh.
Er kommt von einem andern Stern,
dem hört kein Krieger zu."


Der runde Tisch

Der Optimismus
ist verpufft.
Am runden Tisch
Herrscht dicke Luft.

Ach Marie,
wie geht es weiter?
Wenn man sich zusammensetzt,
wird man nicht gescheiter.

Der runde Tisch
ist kein Erlöser,
kein Retter
in der Not.

Die Zeiten
werden böser,
und in Gedanken
schlägt man Sündenböcke tot.


Markt der Welt

Am Markt der Welt
steht ein Schafott.
Die Marktgewalt
liegt nicht bei Gott.

Und jedem schwant,
dass sich was tut.
Die Angst geht um.
Man macht sich Mut

im Bett
von jungen Damen.
Man kauft sich
einen neuen Hut,

doch ist der Kopf
nicht marktgerecht,
dann fällt er
aus dem Rahmen.


In einem kühlen Grunde

Wenn sich Ungereimtes
reimt,
wurstelt man
so weiter.

Warum ist die Fahrt
bergab
so beschwingt
und heiter?

Fröhlich gehn wir
vor die Hunde,
Schatz, du wirst
schon sehn.

In einem
kühlen Grunde
wird uns
ein Leid geschehn.


Auf Wohlfahrt

Wir kamen einst
von irgendwo
und sind auf Fahrt
nach nirgendwo.

Wir sind uns fremd,
uns eint die Not.
Wir sitzen fest
im selben Boot.

Wir teilen den Hader,
wir teilen das Brot
und stellen
keine Fragen

auf Wohlfahrt
in dem engen Boot,
wo wir uns
Böses sagen.

Die Nacht

Als ich damals
bei dir blieb,
hatten wir uns lieb,
und wir waren
uns sehr nah.

Doch die Nacht
hat kein Gesicht.
Als ich dich
dann wieder sah,
kannte ich dich nicht.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 20. Dezember 2001, Seite 15)

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