8. Februar 2002

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (VIII)

Rumänien avanciert in 13 Jahren vom Unbekannten zum Rekord-Weltmeister / Deutsche Lehrer und Trainer ebnen der Sportart den Weg zum Triumphzug / Deutsche Spieler sind Leistungsträger bei Rumäniens Titelgewinnen 1961 in Dortmund, 1964 in Prag, 1970 in Paris und 1974 in Berlin.
Hallenhandball wird in Rumänien zuerst in Temeswar gespielt und gefördert. Deshalb können die großen Bukarester Klubs in den 60er und 70er Jahren viele Banater Handballer „an Land ziehen“, berichtet Walther Maiterth, einstiger Nationalspieler und Trainer.
Die rumänischen Handball-Nationalmannschaft 1961 in Dormund vor dem Gewinn des ersten Weltmeistertitels (im Hintergrund rechts das schwedische Team): von links stehend: Hans Moser, Mircea Costache I, Petre Ivanescu, Trainer Nicolae Nedef, Lucian Grigorescu, Generalsekretär des Rumänischen Handball-Verbandes, Trainer Oprea Vlase, Vasile Tudor, unbekannt; kniend:Cornel Otelea, Mircea Costache II, Otto Tellmann, Ghoerghe Coman, Gheorghe Badulescu, Virgil Hnat; liegend: Ion Bogolea und Michael Redl.
Die rumänischen Handball-Nationalmannschaft 1961 in Dormund vor dem Gewinn des ersten Weltmeistertitels (im Hintergrund rechts das schwedische Team): von links stehend: Hans Moser, Mircea Costache I, Petre Ivanescu, Trainer Nicolae Nedef, Lucian Grigorescu, Generalsekretär des Rumänischen Handball-Verbandes, Trainer Oprea Vlase, Vasile Tudor, unbekannt; kniend:Cornel Otelea, Mircea Costache II, Otto Tellmann, Ghoerghe Coman, Gheorghe Badulescu, Virgil Hnat; liegend: Ion Bogolea und Michael Redl.

Mit dem politischen Tauwetter Anfang der 60er Jahre kommen auch mehr deutsche Handballer in den Reihen der rumänischen Nationalmannschaft im westlichen Ausland zum Einsatz. Beim ersten WM-Sieg im Hallenhandball 1961 in Dortmund, der damals noch als Sensation eingestuft wird, spielen mit dem Lugoscher Michael Redl (Tor), dem Temeswarer Hans Moser und dem Agnethelner Otto Tellmann drei Deutsche in der Weltmeistermannschaft. Bei der WM 1964 in der Tschechoslowakei, als Rumänien mit seiner wohl stärksten und elegantesten Mannschaft aller Zeiten den WM-Titel erfolgreich verteidigt, stehen mit dem Mercydorfer Josef Jakob, Redl und Moser ebenfalls drei Deutsche in der rumänischen Mannschaft - nicht etwa als Reservespieler, sondern als Rückgrat der Mannschaft, als Leistungsträger. Und wenn sich Hans-Günther Schmidt nicht ein paar Monate vorher in Deutschland abgesetzt hätte, wäre sogar ein vierter Deutscher dabei gewesen. Bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden, wo Rumänien den dritten Platz belegt, hat neben Moser und Jakob bereits der für Politehnica Temeswar spielende Denndorfer Roland Gunesch seine ersten WM-Einsätze. Mit zwei gewonnenen Weltmeisterschaften 1970 in Frankreich und 1974 in der DDR und mit Bronze- und Silbermedaillen bei den Olympischen Spielen 1972 in München und 1976 in Montreal wird Gunesch zum erfolgreichsten rumäniendeutschen Handballer. Zusammen mit ihm steht auch der in Reschitza geborene Werner Stöckl 1974 in der Weltmeistermannschaft. Zu den Stützen der Olympiamannschaft, die 1976 in Montreal Silber gewinnt, gehört neben Gunesch und Stöckl auch der Orschowaer Alexander Fölker von Poli Temeswar. Doch erfolgreicher als alle Männer ist Anna Stark. Die Honigbergerin ist mit drei gewonnenen WM-Medaillen - zwei auf dem Großfeld und eine in der Halle - sowie mehreren Landesmeistertiteln eine der erfolgreichsten Handballerinnen Rumäniens.
Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles verzeichnet der rumänische Handball jeweils mit dem Gewinn der Bronzemedaille seine letzten nennenswerten Erfolge. In dieser Mannschaft steht mit Alexander Fölker nur noch ein rumäniendeutscher Spieler. Der Niedergang des rumänischen Handballs hat eingesetzt. Die Deutschen verlassen das Land. Ob die Auswanderung zum Niedergang beigetragen hat? Diese Frage beantwortet der langjährige Generalsekretär des Rumänischen Handballverbands, Lucian Grigorescu, kurz vor seinem Tod ausweichend: Er wolle die Leistungen der Rumäniendeutschen in den RHV-Auswahlen nicht in Frage stellen. Der wichtige Beitrag der Sachsen und Schwaben zur Entwicklung des rumänischen Handballs sei in der Vorbildfunktion ihrer Sportlehrer, Trainer und Schiedsrichter, also in der Arbeit an der Basis, zu sehen.
Doch den anderen Teil der Wahrheit wollte und durfte Grigorescu wohl nicht sagen: Diese deutschen Lehrer und Trainer hätten bestimmt auch auf höherer Ebene etwas leisten können, wenn man ihnen nur die Chance gegeben hätte. Wer in der Hierarchie des rumänischen Handballs etwas werden wollte, musste aber einen rumänischen Namen tragen. Dazu gehören Johnny Kunst, der sich den Beinamen Ghermanescu zulegt, L. Grigorescu selber, die Nationaltrainer Nicolae Nedef, Oprea Vlase und Eugen Trofin, ferner Constantin Lache und Gabriel (Bebe) Zugravescu.
Mit der Herrlichkeit des seiner Wurzeln verlustig gewordenen rumänischen Handballs ist es vorerst einmal vorbei. Vielleicht trauert der eine oder andere, der über den Tellerrand hinausblicken kann, dem nach, was Deutsche an der Basis geleistet haben. Denn wo sind die Zeiten, als deutsche Dorfmannschaften in die erste Liga aufstiegen? Lang ist es her, dass Perjamosch die erste Dorfmannschaft in der ersten Großfeldhandball-Liga und Lowrin den ersten Hallenhandball-Dorfverein stellten. Fast ebenso lang ist es her, dass die Dorfelf von Bogarosch den Einzug ins Oberhaus schaffte. So mancher denkt vielleicht mit Wehmut an die Zeit zurück, als noch an Schulen im Banat und Siebenbürgen Handball gespielt wurde. Heute gibt es in Rumänien kaum noch regionale Meisterschaften. Traditionelle Handballzentren wie Temeswar drohen von der Bildfläche zu verschwinden. In der ehemaligen Handballhochburg Hermannstadt, der Wiege des rumänischen Handballs, wird nur noch drittklassiger Handball gespielt. Im letzten Sommer machte die Nachricht die Runde, dass der Sportklub Steaua Bukarest, abgesehen von der selbstständigen Fußballabteilung, wegen Geldmangels aufgelöst wird.
Vielleicht haben die Funktionäre des Handballverbands, die den sofortigen und raschen Erfolg suchten, zu wenig Wert auf die Arbeit an der Basis gelegt. Sie wären nicht die Einzigen, die nach dem Motto „das haben wir noch nie anders gemacht“ keine Neuerung zuließen - möglicherweise aus Angst um ihre Pöstchen oder aus Machthunger. Der rumänische Handball steckt jedenfalls in der Krise, aus welchen Gründen auch immer. An dieser Misere lässt sich wohl so rasch nichts ändern.
Mit diesem Beitrag ist die Einleitung zur Serie „Geschichte und Geschichten um den Siebenbürger und Banater Handball“ abgeschlossen. In den nächsten Beiträgen werden Spitzenspieler und Trainer vorgestellt. Als Erster ist Wilhelm Heidel, Teilnehmer an den Olympischen Spielen 1936, an der Reihe. Weil die Adressen einer Reihe von Spitzenhandballern nicht bekannt sind, vor allem die der Frauen, da diese meist ihre Namen geändert haben, bitten wir um Auskunft und Informationen unter der Telefonnummer: (0 22 46) 21 66 oder E-Mail: Waltraud.Steiner@t-online.de.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 20)

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