24. August 2018

Nachruf auf Pfarrer i.R. Dieter Hermannstädter

Geboren wurde Dieter Hermannstädter am 22. Januar 1931 in Kronstadt, wo er den Kindergarten und die ersten vier Volksschulklassen besuchte. Im Herbst 1944 flüchtete die Familie vor den herannahenden russischen Truppen. Das Kriegsende erlebte sie in Leipzig und wurde von dort per Viehwaggon nach Siebenbürgen zurückgeschickt. Nach einem verlorenen Schuljahr kam Dieter auf die Honterusschule. 1951 machte er sein Abitur, durfte aber nicht studieren, da er nicht aus dem Arbeiter- oder Bauernmilieu stammte. Als guter Sportler bekam er eine Anstellung als Aushilfssportlehrer an einer Berufsschule.
Der nächste Schicksalsschlag folgte: Die Familie wurde im Mai 1952 als politische Repressalie zu einem Zwangsaufenthalt nach Târgu Secuiesc gezwungen. Innerhalb von drei Tagen mussten sie Kronstadt verlassen. Es folgten für Dieter zwei Jahre als Aushilfsarbeiter in landwirtschaftlichen Betrieben. In einem Rückblick auf die Zeit schrieb er: „Es waren zwei Jahre der Demütigung. Aber auch eine Zeit innerer Reife.“ 1954 wurde der Zwangswohnsitz aufgehoben, doch in Kronstadt gab es keine freie Wohnung.

In dieser Zeit reifte bei Dieter Hermannstädter der Gedanke, Pfarrer zu werden. Er begann das Studium an der Evangelisch-Lutherischen Fakultät, damals noch in Klausenburg. Nach vier Jahren Studium kam er als Vikar nach Bistritz. Über diese Zeit schrieb er: „Hier waren die kirchlichen sowie die völkischen Traditionen noch sehr lebendig. Der Dienst machte mir viel Freude und ich fühlte mich auch sehr wohl.“ Nach bestandener Pfarramtsprüfung blieb er noch ein Jahr in Bistritz. Das lag sicherlich auch daran, dass Dieter Hermannstädter hier sein privates Glück fand. Am 3. September 1960 heiratete er Grete Raidel. Ihnen wurden drei Söhne geschenkt.
Dieter Hermannstädter (1931-2018) ...
Dieter Hermannstädter (1931-2018)
Im Oktober 1960 nahm Dieter Hermannstädter die Pfarrstelle in Hamruden an. Doch das Glück währte nicht lange. Es folgte die schwerste Zeit seines Lebens. Die Securitate verhaftete ihn, neun Monate lang wurde er fast täglich verhört und unter dem Vorwurf des Landesverrats und der Untergrabung der Staatsgewalt zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach mehr als drei schweren Jahren der Gefangenschaft kam er wie viele andere politisch Verfolgte durch eine Amnestie frei. Nach einjähriger Fabrikarbeit wurde er wieder in den kirchlichen Dienst aufgenommen. Die kleine Gemeinde in Wallendorf neben Bistritz durfte er bis 1975 betreuen.

1975 folgte die Umsiedlung nach Deutschland. In Nürnberg, in der Gemeinde St. Johannis, durfte er wieder als Pfarrer tätig sein, bis er 1993 in den wohlverdienten Ruhestand trat. Sein letzter Wohnsitz war in Fürth, wo er am 10. Mai 2018 starb. Trotz der vielen Schicksalsschläge und gesundheitlichen Probleme mit zunehmendem Alter war er stets dankbar für die Zeit, die er in Freiheit in Deutschland erleben durfte.

Dieter Hermannstädter war Mitglied unserer Heimatortsgemeinschaft ­Bistritz-Nösen e.V. und immer interessiert an den Nachrichten aus der alten Heimat. Persönlich habe ich ihn während meiner Konfirmandenzeit als Pfarrer kennen und schätzen gelernt. Wir werden seiner immer mit Liebe und Wertschätzung gedenken.

Dr. Hans Georg Franchy

Schlagwörter: Pfarrer, Bistritz, Nachruf, HOG

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