1. Oktober 2022

Gründungsmitglied des Verbandes: Nachruf auf Karl Frank (Schäßburg – München)

Wenn ein Wanderer, von Richtung Kronstadt kommend, die Schäßburger Innenstadt schon kennend, den Weg in Richtung West nach Mediasch abkürzen wollte, konnte er über den Siechhof gehen, vorbei an der Siechhofkirche und über den hier gleich sachte ansteigenden Kreuzberg. Dieser Berg diente in den Wintermonaten den Kindern als Schlittenbahn, besonders durch einen Hohlweg in Richtung Scherkes, einen angenehmen Wiesengrund für Spaziergänge, endend mit dem Teufelsgraben und seiner Studentenhöhle. Auf dem Kreuzberg muss früher an gut sichtbarer Stelle ein Kreuz gestanden haben, welches dem Wanderer gebot, einige Augenblicke innezuhalten und für die folgende Wegesstrecke ein Gebet auszusprechen. An dieser Stelle, einem schönen Gartenstück zugleich, hatte sich der Vater von Karl Frank entschieden, eine schöne Villa als Wohnhaus für seine Familie zu bauen, welche mit ihrem blauen Anstrich jedem Spaziergänger auffiel, der hier seinen Weg nahm, um am Grat des hier anschließenden Siechhofberges zur traditionsreichen Gaststätte „Villa Franka“ zu gelangen.
In dieser blauen Villa wuchs Karl Frank, Geburtsjahrgang 1920, bei seinen Eltern und zwei Schwestern, der Sissi und der Papa, in besten Bedingungen auf, der Vater Beamter der Gewerbebank. Der nicht kurze tägliche Schulweg bis auf den recht weit gegenüber liegenden Schulberg muss ihm gut getan haben, wenn er das 100. Lebensjahr erfüllt und auch überschritten hat. Die Betätigung des Contrabasses, eines voluminösen Blasinstruments, in der Blaskapelle des Gymnasiums muss auch zu starken Lungen geführt haben. Quintettproben fanden ab und zu in Franks Garten statt. Er führte zwei verschiedene Ruf-Spitznamen. Von seinen Eltern bei Geburt erhielt er den Rufnamen „Butz“, sehr üblich bei den Sachsen, und später von seinen Kameraden zusätzlich den Rufnamen seiner Schwester „Sissi“. Es gab in Schäßburg in der anfallenden Zeit somit e i n e Frank Sissi und e i n e n Frank Sissi.
Karl Frank mit seinem Modell der Schäßburger ...
Karl Frank mit seinem Modell der Schäßburger Bergkirche bei der Schülerolympiade 1938 in Bistritz.
Den jungen Frank Sissi zeichnete ein großes Zeichentalent aus, was dazu führte, dass er den Beruf eines Architekten auswählte. An dieser Stelle gehört es festzuhalten, dass Karl Frank jun. sozusagen allen Schäßburger Sachsen mit einem Meisterwerk bekannt war, einzig in seiner Art. Es gelang ihm im Sommer des Jahres 1936, an gut einsehbarer Stelle im Hausgarten der Familienvilla mit eigenen Händen ein Modell, eine Miniatur der Schäßburger Bergkirche zu errichten. Die selbstgeformten Mauer- und Dachziegeln ließ er in einer der Schäßburger Ziegelfabriken brennen, um möglichst lange Standhaftigkeit des Werkes zu erlangen. Als es fertig war, wallfahrten die Schäßburger regelrecht auf den Kreuzberg, um dieses Wunder zu sehen. Das Modell wurde bei der Schülerolympiade der siebenbürgischen Gymnasien 1938 mit dem 1. Preis dieses Fachgebietes ausgezeichnet.

Nach dem Krieg lebte er eine Zeit lang in Amerika, die größte Zeit aber, einschließlich seinem Architekturstudium, in München. Eine Reihe von Großbauten besonderer Natur, entstanden in München in der Nachkriegszeit, sind mit seinem Namen verbunden. Er war im Jahre 1949 Gründungsmitglied des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Als er am 6. Januar 1999 die Schäßburger Nachbarschaft München mitbegründete, wurde er für seine Verdienste um deren Zusammenhalt als Ehrenvorsitzender gewählt. Sein Modell der Bergkirche hat dem Zahn der Zeit über viele Jahrzehnte widerstanden, erlag ihm aber schließlich doch. Mit seiner Sonja, einer gebürtigen Sudetendeutschen, führte er ein trautes Familienleben, die Ehe blieb aber leider kinderlos. Bei Karls langem Leben ist nicht zu verwundern, dass Sonja als Erste ging. Karl verstarb im Münchener Marienstift im Alter von überschrittenen 101 Jahren am 9. Januar 2022. Einige Monate zuvor konnte ich noch ein kurzes Gespräch mit ihm führen. Ehre seinem Andenken!

Julius Henning

Schlagwörter: Frank, Schäßburg, HOG, Bergkirche, Nachruf

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