5. Dezember 2012

Architektur gehört nicht hinter verschlossene Türen

Seit einigen Jahren ist die Rumänische Architektenkammer, Filiale Kronstadt-Covasna-Harghita, in der Öffentlichkeit besonders präsent. Infoveranstaltungen, Ausstellungen preisgekrönter Projekte, Seminare zu Fachthemen an Gymnasien – all das macht auf Architekturthemen aufmerksam und neugierig. Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist u.a. der Kronstädter Architekt Johannes Bertleff (35), seit 2010 Vizevorsitzender der Architektenkammer auf nationaler und regionaler Ebene.
Der Absolvent des Honterus-Lyzeums und der Bukarester Fakultät für Architektur und Stadtplanung „Ion Mincu“ gründete 2007 in Kronstadt gemeinsam mit seinem Kollegen Dragoș Oprea (36) die Firma „Exhibit Arhitectura SRL“. Seither haben sie den Verwaltungssitz der Honterusgemeinde am Marktplatz 17 („Blaues Haus“) restauriert, das Hotel „Cubix“ gebaut, Inneneinrichtungen für die Buchhandlungskette „Humanitas“ vorgenommen, Wohnungen, Messestände oder Firmengebäude errichtet – und Preise erhalten. Restaurierungsarbeiten – zurzeit am Marktplatz und Honterus-Hof (siehe Artikel in dieser Zeitung) – sind nur ein Teil ihrer Tätigkeit. Mit Johannes Bertleff sprach SbZ-Korrespondentin Christine Chiriac.

Herr Bertleff, wieso macht die Architektenkammer zurzeit eine so aktive Öffentlichkeitsarbeit?

Oft wird Architektur hierzulande nur als kulturelle Nische, als „optional“ betrachtet. Die Gesellschaft, der Endkunde also, diskutiert leider kaum mit – sicherlich auch, weil unsere Allgemeinbildung eher andere Schwerpunkte setzt. Die Folgen konnten wir vor einigen Jahren während des Baubooms feststellen: Die Architektur hat gewuchert, viel zu wenige haben Stellung genommen, nun sucht man Schuldige. Dabei sind wir alle verantwortlich. In Rumänien gab und gibt es sehr gute Architekten, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Architektur gehört aber keineswegs hinter verschlossene Türen; wir bemühen uns um eine öffentliche, gesunde, kritische Diskussion über Architektur, damit immer mehr „Außenstehende“ Einsicht gewinnen und schließlich ihre eigenen Wohnräume, ihre Umgebung verantwortlich gestalten.
Johannes Bertleff in seinem Büro in Kronstadt. ...
Johannes Bertleff in seinem Büro in Kronstadt. Foto: Christine Chiriac
Gilt das auch für den Bereich Patrimonium?

Selbstverständlich – auch das Überleben der Bauten, die zum Kulturerbe gehören, liegt zum Großteil in den Händen der Besitzer. Die Verantwortung des Architekten ist natürlich nicht zu vermindern, aber wie sich der Besitzer zum Patrimonium verhält, wie er das Thema aufgreift, ist entscheidend. Rumänien ist mit Gesetzen diesbezüglich gut ausgerüstet. Auf der Patrimoniumsliste stehen sehr viele Baudenkmäler – im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Gebäude sind es mehr als zum Beispiel in Frankreich. Institutionen wie das Ministerium für Kultur und Kulte sind für das Aushändigen der Baugenehmigungen mitverantwortlich – die Frage ist nur, wie streng diese „Filter“ in Wirklichkeit funktionieren. Zum Glück gibt es Stiftungen wie „Pro Patrimoniu“ oder den „Mihai Eminescu Trust“, die bestimmte Lücken schließen.

„Exhibit Arhitectura“ führt auch Restaurierungsprojekte in der Kronstädter Innenstadt durch. Wie wird der Honterus-Hof nach Abschluss der Arbeiten aussehen?

Wir konzentrieren uns in diesem Bereich auf einige wenige Projekte, eben weil sie sehr zeitaufwendig sind – das Haus Nummer 16 am Marktplatz oder der Honterus-Hof sind gute Beispiele. Im Falle des Honterus-Hofes sind wir von der Überzeugung ausgegangen, dass weniger oft mehr ist. Die Verbesserungen sollen diskret sein und das Bestehende etwas sichtbarer und nobler machen. Der intime Charakter des Kirchhofs soll im Kontrast zum Marktplatz erhalten bleiben. Man soll die eigenen Schritte im Schotter hören, die Weichheit der Natur genießen können. Das alles sind zarte, delikate Elemente, die für gewisse Werte stehen.

Beruflich waren Sie viel im Ausland unterwegs: als Student in Regensburg, als Unterrichtender in Barcelona, als Architekt in vielen europäischen Ländern. Wieso eine berufliche Laufbahn in Rumänien?

Wer denkt nicht ans Auswandern, wenn so viele Bekannte und Freunde auswandern? Aber mein Eindruck ist, dass dort alles geregelt und in bester Ordnung funktioniert und meine Aufgabe „nur“ die wäre, mich einzugliedern und das zu leisten, was auch die anderen leisten, eventuell auf besserem Niveau. Hier ist Neuland, man kann etwas bewirken. Man hat das Gefühl, dass man etwas tut, was wichtig ist. Sicherlich kann man sich damit auch täuschen, aber einfach nur im Büro zu arbeiten, das wäre für mich zu wenig.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Kultur, Denkmalpflege, Architektur, Kronstadt

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