25. Oktober 2013

Familie und Nachbarschaft, harte Arbeit und feste Überzeugungen

Hoher Besuch in der Bundesgeschäftsstelle in München: Michael Skindell, demokratischer Senator aus dem Bundestaat Ohio, erwies dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland am 25. September die Ehre. Er berichtete begeistert von seiner zweiten Reise durch Siebenbürgen, der Heimat seiner Vorfahren, wo er u.a. auch am diesjährigen Sachsentreffen in Schäßburg teilnahm. Michael Skindell kam in Begleitung seiner ebenfalls in den USA lebenden Cousine Sally Maybray, geb. Zoppelt, und seiner in Deutschland lebenden Verwandten Sandra Kotapski und Julian Werz. Die Stellvertretende Bundesvorsitzende Herta Daniel hieß die Gäste herzlich willkommen und führte mit dem Senator das nachfolgende Interview (Übersetzung aus dem Englischen: Herta Daniel), in dem Skindells Familienzusammenführung quer über den Globus via Internet ebenso thematisiert wird wie seine Ansichten zum Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Traditionen, für den er sich im privaten Bereich, aber auch in seiner Funktion als Senator einsetzt.
Herr Senator, ich begrüße Sie im Namen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen ganz herzlich in unserer Geschäftsstelle. Ihr Besuch ist für uns eine große Ehre. Können Sie uns einige Worte über Ihre Kindheit und Jugend sagen?

Mein Vater arbeitete in einem Stahlwerk in Cleveland, Ohio. Meine Mutter war Schulbusfahrerin. Mein Bruder, der leider bereits 2011 verstarb, hat zwei Kinder. Wir wuchsen auf einer kleinen Farm auf, wo meine Nichte, die Tochter meines verstorbenen Bruders, und deren Familie auch heute noch leben. Ich hatte das Glück, alle meine Großeltern während meiner Kindheit um mich zu haben. Meine Familie hielt auch zu all meinen Tanten und Onkeln eine enge Verbindung. Für mich war meine Ausbildung immer sehr wichtig. Ich besuchte das College und genoss eine Ausbildung zum Volljuristen. Ich startete meine juristische Karriere als Assistent des Generalstaatsanwalts in Ohio. Zurzeit arbeite ich in einer Rechtsanwaltskanzlei, bin aber die meiste Zeit als Senator von Ohio beschäftigt.


Sie beschäftigen sich mit genealogischen Forschungen zu Ihren Vorfahren. Können Sie uns darüber mehr erzählen? Wie kam es dazu?

Meine Großmutter mütterlicherseits, Johanna „Anna“ Kaska (geb. Konrad) ist eine Siebenbürger Sächsin. Ihre Eltern, Andreas und Maria (geb. Zikeli) Konrad, emigrierten 1905 aus ihrem Heimatort Maldorf nach Amerika. Andreas war der Sohn des Maldorfer Kantors Johannes Konradt. (Anmerkung: der Name dieser Familie Konrad wurde in Kirchenbüchern auch Konradt oder Conrad geschrieben.) So wie zu der Zeit viele Siebenbürger Sachsen suchten auch meine Urgroßeltern Arbeit in Amerika. Mein Urgroßvater Andreas fand in einem Stahlwerk neben Pittsburgh, Pennsylvania, eine Anstellung. Die Familie übersiedelte später nach Cleveland, Ohio. In dem Gebiet rund um Cleveland und Youngstown, Ohio, und Pittsburgh, Pennsylvania, leben sehr viele Siebenbürger Sachsen bzw. deren Nachkommen. Meine Großmutter Anna war – so wie die gesamte Familie Konrad – sehr aktiv in dem „Cleveland Sachsenheim“ (Verein der Siebenbürger Sachsen in Cleveland). Sie wuchs mit den Traditionen ihrer Vorfahren auf, konnte wunderbar backen, war eine versierte Schneiderin und fertigte auch kunstvolle siebenbürgisch-sächsische Stickereien an. Meine Großmutter erzählte mir nicht sehr viel über ihre Herkunft, aber mein aus Böhmen stammender Großvater zeigte mir auf der Weltkarte Siebenbürgen und vermittelte mir einiges über die siebenbürgisch-sächsische Kultur meiner Vorfahren. Nach dem Tod meiner Großeltern, interessierte ich mich immer mehr für meine siebenbürgisch-sächsischen Vorfahren und deren kulturelles Erbe. Ich begann die Suche mit ein paar Unterlagen meiner Großeltern und den Erzählungen meines Großvaters. Bald darauf entdeckte ich, dass die Kirchenbücher mehrerer siebenbürgisch-sächsischer Dörfer, darunter Maldorf und Hohndorf, nach dem Zweiten Weltkrieg auf Mikrofilm auch in den Vereinigten Staaten zur Verfügung standen. Die Aufzeichnungen reichen bis ins Jahr 1688 zurück. Nach fast zehnjähriger Suche entdeckte ich im Jahr 2009 eine siebenbürgisch-sächsische Cousine, die in Maldorf geboren war, jetzt in der Nähe von Stuttgart lebt und Vorstandsmitglied der HOG Maldorf/Hohndorf ist. Die HOG hatte eine Website und der erste ­Kontakt mit meiner Cousine erfolgte über das Internet. Meine Mutter und ich besuchten meine Cousine 2011 und nahmen gemeinsam am Heimattreffen der HOG Maldorf/Hohndorf teil. Wir reisten zusammen nach Siebenbürgen, um das Land meiner Vorfahren zu besuchen. Die genealogische Erforschung meiner Familie aus Siebenbürgen hat mir einen Teil meines kulturellen Erbes erschlossen und hat mich mit verloren geglaubten Familienmitgliedern zusammengeführt. Dadurch habe ich einiges über die Geschichte Siebenbürgens und des siebenbürgisch-sächsischen Volkes erfahren. Ich habe auch festgestellt, dass es in den Vereinigten Staaten eine große Anzahl der 2. und 3. Generation von Einwanderern aus Siebenbürgen gibt, die ihre Familie erforschen und versuchen, ihre Wurzeln zu ergründen.
Herta Daniel (Mitte) empfing US-Senator Michael ...
Herta Daniel (Mitte) empfing US-Senator Michael Skindell und dessen Cousine Sally Maybray, geborene Zoppelt, in der Geschäftsstelle des Verbandes in München. Foto: Sandra Kotapski
Was hat Sie bei den Begegnungen mit Ihren siebenbürgisch-sächsischen Verwandten in Deutschland und bei den HOG-Treffen am meisten beeindruckt?

Meine Teilnahme an dem Maldorf-Hohndorfer Heimattreffen 2011war „wie nach Hause zu kommen“! Der Anblick der über 300 anwesenden Menschen erweckte in mir unbeschreibliche Gefühle, da ich ja aufgrund meiner genealogischen Forschungen wusste, dass viele davon meine Blutsverwandten waren! Ich hatte meinen Computer mit der genealogischen Datenbank dabei und identifizierte viele der Anwesenden als meine Blutsverwandten, als Cousins und Cousinen 3., 4. oder 5. Grades. Alle waren so freundlich! Viele Leute fragten, ob ich andere Verwandte in den Vereinigten Staaten oder Kanada kannte. Das Essen, der Tanz und die Musik glichen dem, was ich bei den Veranstaltungen der Siebenbürger Sachsen in den Vereinigten Staaten erlebt hatte. Es wird aber auch immer wieder beklagt, dass dieses siebenbürgisch-sächsische Erbe für zukünftige Generationen verloren gehen könnte. Leider haben in den Vereinigten Staaten viele Nachfahren der eingewanderten Siebenbürger Sachsen das Wissen um ihre Herkunft und Traditionen verloren.


Sie haben Siebenbürgen zum ersten Mal 2011 und nun das zweite Mal bereist. Welchen Eindruck haben Land und Leute bei Ihnen hinterlassen?

Die Reise im September 2011 führte meine Mutter, eine in Pennsylvania lebende Cousine, zwei Cousinen, die jetzt in Deutschland leben, und mich nach Maldorf und Hohndorf, wo wir durch den Bürgermeister und Schuldirektor begrüßt wurden. Wir besuchten die Schule, die Kirchen und die Friedhöfe. Wir standen am Grab meines Ururgroßvaters, des Kantors Johannes Konradt. Wir besuchten auch Hermannstadt, Mediasch, Birthälm, Kronstadt, Elisabethstadt, Rode, Groß-Alisch und Schäßburg. Das Wetter war herrlich und die Landschaft mit den sanften Hügeln und Bauernhöfen erinnerte mich an Gebiete in Ohio und Pennsylvania. Ich kann nun verstehen, warum viele heute in Deutschland lebende Siebenbürger Sachsen sich danach sehnen, Siebenbürgen immer wieder zu besuchen. Diese Reise erschloss mir die reichhaltige und wechselvolle Geschichte Siebenbürgens und so freute ich mich damals auf meinen nächsten Besuch, den ich in diesen Tagen unternehmen und auch beim Sachsentreffen in Schäßburg dabei sein konnte, das uns sehr beeindruckte.


Welchen Einfluss haben Ihre siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln auf Ihren Werdegang?

Die Siebenbürger Sachsen sind dafür bekannt, ehrlich, fleißig und vertrauenswürdig zu sein. Meine siebenbürgisch-sächsische Großmutter besaß diese Tugenden und ich lebe mein Leben in der gleichen Weise.


Aus welchem Grund haben Sie sich entschlossen, in die Politik zu gehen? Erzählen Sie uns bitte über Ihre politische Laufbahn und Ihre politischen Ziele.

Meine Eltern und Großeltern waren von der Bedeutung des öffentlichen Dienstes und dem Dienst an der Gemeinschaft überzeugt. Als Kind habe ich an gemeinnützigen Projekten ehrenamtlich mitgearbeitet und war in der Schülermitverantwortung beteiligt. In meiner Jugend hatte ich die Gelegenheit, ein Praktikum im Büro eines US-Kongressabgeordneten in Washington, D.C. als Auszubildender zu absolvieren. Durch diesen erfuhr ich, dass ein Politiker Gutes bewirken und den Menschen helfen kann. Nach dem Jurastudium arbeitete ich zunächst im öffentlichen Dienst als Assistent des Generalstaatsanwalts in Ohio. Ich wurde schließlich als Stadtrat meiner Heimatgemeinde Lakewood, Ohio, gewählt. Nach fünfjähriger Amtszeit folgte meine Wahl in den „Landtag“ (State Legislature) von Ohio. Ich hatte diese Position acht Jahre lang inne und bin jetzt in meinem dritten Jahr als Senator des Staates Ohio tätig. Ich vertrete mehr als 360000 Menschen in der Legislative und bin in Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsvorsorge und Verbraucherschutz involviert. In meiner Position als Senator setze ich mich insbesondere für die Bereiche Umwelt, Limitierung der Verwendung von genetisch veränderten Organismen und Vermeidung von Luft- und Wasser-Verunreinigung ein. Ich hoffe, meine legislative Arbeit als Demokrat fortzusetzen, und strebe die Position eines US-Kongressabgeordneten an. Ich habe auch Interesse an der Judikative. In Ohio werden die Richter gewählt. 2012 kandidierte ich für das Amt eines Richters am Obersten Gerichtshof von Ohio, war aber leider nicht erfolgreich. Neben politischen Zielen ist mir aber auch der Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Erbes in den USA sehr wichtig und deshalb setzte ich mich als Senator in Ohio für eine materielle Unterstützung des „Cleveland Sachsenheims“ ein, die auch gewährt wurde – das erste Mal seit seinem Bestehen wurde dieser Verein der Siebenbürger Sachsen in den USA von staatlicher Seite materiell unterstützt.


Haben Sie Zeit für ein Hobby?

Meine Arbeit als Senator des Staates Ohio nimmt den größten Teil meiner Zeit in Anspruch. Bei gutem Wetter fahre ich gerne weite Strecken mit dem Fahrrad. Ich habe auch viel Freude am Erkunden der Geschichte meiner Familie. Vor kurzem habe ich begonnen, mich an den Veranstaltungen des „Cleveland Sachsenheim“ zu beteiligen. Ich habe vor, siebenbürgisch-sächsische Tänze zu lernen.


Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Fürsorge für die Familie und eine gute Nachbarschaft, hart zu arbeiten, zu den eigenen Überzeugungen zu stehen und ehrenhaft zu sein.


Herr Senator, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche alles Gute und viel Erfolg! Es ist mir eine große Freude, Sie zu unserem Heimattag zu Pfingsten 2014 nach Dinkelsbühl herzlich einzuladen!

Schlagwörter: Politiker, Interview, USA

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