10. November 2017

Unermüdliches Engagement: Zum 80. Geburtstag von Dr. Roswita Guist

Sie ist eine bemerkenswerte Frau, engagierte sich neben ihrer Familie unermüdlich für die Siebenbürger Sachsen, die Kirche, Jugendarbeit, Frauenfortbildung und in der Kommunalpolitik: Dr. Roswita Guist, die am 8. Oktober das 80. Lebensjahr vollendete. Für ihre Verdienste erhielt sie bereits 1994 das Bundesverdienstkreuz aus der Hand von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, von der FDP die Theodor-Heuss-Medaille. Ihr Einsatz für die sächsische Jugend- und Kulturarbeit wurde schon 1958 belohnt. Am Tag ihrer Hochzeit mit Martin Guist erhielt sie die „Goldene Ehrennadel“, überreicht durch Heinrich Zillich, Dichter und seinerzeit Bundesvorsitzender der Landsmannschaft. „Das war eine große Ehre für mich, ich war gerade einmal 21 Jahre alt“, sagt die Jubilarin.
Roswita Guist, die 1937 in Heltau das Licht der Welt erblickte, wurde die Liebe zur siebenbürgischen Heimat in die Wiege gelegt. Als sie 1941 mit ihren Eltern Hans Brandsch-Böhm und Emma, geborene Herbert, sowie drei Geschwistern nach Berlin übersiedelte, stand die Wohnungstür der Familie stets offen für Landsleute, die Hilfe suchten. Hier pflegte man die siebenbürgisch-sächsische Mundart, half sich gegenseitig in den unruhigen und schweren Zeiten. 1943, der Vater war im Krieg, floh die Mutter mit ihren Kindern nach Ostpreußen, dann nach Thüringen. 1946 wollten sie nach München zum Vater, der aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft dorthin entlassen worden war. „Wir saßen auf dem Dresdner Bahnhof in einem Viehwaggon fest und erlebten, wie die Stadt bombardiert wurde“, erinnert sich die 80-Jährige. In München, der Vater arbeitete bei BMW, lebte die Familie in einer Baracke mit sieben Personen in einem Zimmer. Ein Jahr später ging’s zurück nach Berlin. „Unsere Wohnung war nicht ausgebombt, aber dort lebten andere Menschen. Wir wohnten im Flur, ein Durchgangszimmer.“

Dr. Roswita Guist nimmt mit 80 Jahren immer noch ...
Dr. Roswita Guist nimmt mit 80 Jahren immer noch aktiv am kirchlichen und landsmannschaftlichen Leben teil. Foto: Christian Melzer
Mit 17 Jahren gründete Guist die siebenbürgische Jugendgruppe Berlin, organisierte unter dem Dach des „Hilfskomitees“ mehrere Jahre lang „Sommerlager“, knüpfte Kontakte zu den Bruder- und Schwesternschaften in den Bergbausiedlungen in Nordrhein-Westfalen, organisierte erste Jugendtreffen beim Heimattag in Dinkelsbühl. Nach dem Abitur absolvierte sie an der Pädagogischen Hochschule eine Lehrerausbildung zur Grund-, Haupt- und Realschule, erwarb später noch die Qualifikation in Mathematik und evangelischer Religion für die Oberstufe, fand Arbeit in einer Sonderschule für Lernbehinderte.

Ehemann Martin lernte sie 1954 auf Schloss Horneck kennen beim Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen. Er wohnte in Wien, sie in Berlin. 1958 heiratete das Paar, Jugend- und Erwachsenentanzgruppe begleiteten sie in Tracht zur Kirche in Berlin-Schöneberg. Aus beruflichen Gründen zogen die Eheleute 1960 ins hessische Langendiebach/Kreis Hanau. Hier legte Guist das zweite Staatsexamen ab, machte danach bis 1969 eine „Kinderpause“. Zur Familie gehörten inzwischen drei Kinder: Thomas, Reiner und Annemarie. „Als Dank dafür, dass wir gesunde Kinder haben, schlug mein Mann vor, noch einem anderen Kind ein Zuhause zu geben.“ So kam Christine zu ihnen. „Durch professionelle pädagogische, psychologische und soziale Förderung hat sich dieses kleine Mädchen in unserer Familie hervorragend entwickelt“, sagt Guist. Stolz ist die 80-Jährige darüber, dass „ich es an höchster Stelle durchgesetzt habe, dass unser Dauerpflegekind als erstes Pflegekind in Deutschland offiziell den Namen unserer Familie annehmen durfte.“

In Hessen engagierte sich Guist unter anderem in der kirchlichen Jugend- und Frauenarbeit, gründete die Jugendtanzgruppe Neu-Isenburg. Neun Jahre war sie Kulturreferentin der Landesgruppe Hessen. „Diese Aufgabe habe ich mit großer Hingabe und schönem Erfolg bis zur Übersiedlung nach NRW im Oktober 1995 wahrgenommen.“

Neben ihrem Dienst als Schulleiterin in Bad Soden legte sie 1974 ihre Doktorprüfung im Fachbereich Evangelische Theologie an der Universität Frankfurt ab, wurde ordiniert zum Dienst an Wort und Sakrament. Sie hielt ehrenamtlich Gottesdienste im Dekanat ab, schrieb auf Bitten der Kirchenleitung auch Lesepredigten für Pfarrer in Zeitnot, für Lektoren und Prädikanten.

Nach ihrer Pensionierung 1995 zog Dr. Roswita Guist mit ihrem Mann Martin ins oberbergische Hillerscheid, ein Dorf neben Drabenderhöhe. Sie wollte in der Nähe ihrer Eltern und Geschwister Gertrud Gündisch, Jürgen und Klaus Brandsch-Böhm leben. Ruhe kannte sie auch hier nicht: Sie übernahm für den Evangelischen Kirchenkreis An der Agger bisher in über 300 Gottesdiensten die Vertretung, hielt Familien- und Kleinkindergottesdienste, leitete den Bibelgesprächskreis und den Weltgebetstag. Beim Siebenbürgischen Frauenverein hält sie zur Muttertags- und Weihnachtsfeier die Festansprache.

Auf die Frage, wie sie das alles mit ihren vier Kindern geschafft habe, antwortete die 80-Jährige schlicht und mit einem Lächeln: „Ich habe nicht viel geschlafen.“

Ursula Schenker

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Frauen, Kultur, NRW

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