17. Oktober 2021

Der Einsatz für die Gesellschaft hat ihr Leben bereichert: Interview mit Astrid und Harald Friedrich

Auf dem Titelbild des „Mediascher Infoblatts“ von Oktober 2020 war der neue Meilenstein mit dem Mediascher Stadtwappen und dem orangefarbenen „T“ der Via Transilvanica abgebildet. In dem Bericht „Von Mediasch nach Baaßen entlang der Via Transilvanica“ von Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner und Dr. Hansotto Drotloff war zu lesen, dass das Mediascher Stadtwappen den Meilenstein vor dem Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeum und der ehrwürdigen Kirchenburg ziert, wobei die Steinsäule vom Ehepaar Astrid und Harald Friedrich gestiftet wurde. Die beiden Mediascher waren nach einem dreijährigen Indien-Aufenthalt von 2014 bis 2016 von Januar 2017 bis September 2021 beruflich in Hermannstadt ansässig. Dies weckte das Interesse von Ingrid Fillinger, die das folgende Gespräch mit dem Ehepaar Friedrich führte. Das Interview erschien im „Mediascher Infoblatt“, Heft Nr. 41 von Juli 2021 und wird hier in einer leicht gekürzten Fassung nachgedruckt.
Astrid und Harald Friedrich beim Heimattag in ...
Astrid und Harald Friedrich beim Heimattag in Dinkelsbühl 2019.
Mit einer lustigen Zeichnung als T-Shirt Aufdruck wurde der Begriff „Keakelfratzen“ (Kinder der Kokel) erschaffen und war auf dem Mediascher Treffen 2013 in aller Munde. Gemeint waren mit „De Keakelfratzen“ die letzten Jahrgänge, die in der Stadt an der Großen Kokel ihre Zeit bis zum Erwachsenwerden verbracht hatten und noch heute lebhafte Erinnerungen mit Mediasch verknüpfen. Folglich gehört euer Jahrgang, geboren ab „60 plus“, auch noch zu den sogenannten „Keakelfratzen“. Wo und wie seid ihr in Mediasch aufgewachsen, welche Schulen habt ihr bis zu eurer Ausreise besucht und inwieweit hat euch diese Zeit maßgeblich geprägt?
Astrid: 1963 geboren, zählen wir beide, Harry und ich, zu den glücklichen „Keakelfratzen“. Ich bin ein wahres Mediascher Stadtkind, geborene Weber, mitten im Zentrum von Mediasch aufgewachsen. Ich wohnte gemeinsam mit mehreren Familien in dem Stadthaus links neben der „Spinnerin“, gleich um die Ecke des St. L. Roth Lyzeums und der Margaretenkirche. Hier ging ich zur Schule und wurde in dieser ehrwürdigen Kirche getauft und konfirmiert, später auch verheiratet. Ich erinnere mich an eine sorgenlose Kindheit und eine lehrreiche, aber auch aufregende Jugend in den Mediascher Cliquen mit vielen tollen Partys. Zunehmend wurden jedoch Ungerechtigkeiten gegenüber der deutschen Minderheit spürbar und es trat mit den 70er Jahren eine große Ausreisewelle ein, so dass rasant immer mehr unserer Freunde, gerade aus dem alten Mediascher Stadtkern, das Land verließen. Das Leben in dem schönen Umfeld in Mediasch, wo Werte und Tradition zählten, hat mich stark geprägt und mich zu einem toleranten, flexiblen, weltoffenen Menschen geformt – der Grundstock für eine große Weiterentwicklung in unserem neuen Zuhause in Deutschland und der Welt. Deswegen bin ich dankbar und stolz auf meine siebenbürgische Herkunft. Was gibt es Schöneres, als sich mit dem Mediascher Meilenstein der Terra Saxones/Via Transilvanica zu identifizieren!
Harald: Ebenfalls 1963 geboren, habe ich die Grund- und Hauptschule in der 5er Schule besucht. Fortgesetzt habe ich die Schule bis zur 10. Klasse im Lyzeum Nr. 1 mit Schwerpunkt Elektrotechnik. Zurückblickend muss ich sagen, dass wir sehr gute Lehrer hatten, und daher ist auch gefühlt viel des Lernstoffs hängen geblieben, was mir bei meinen Studien in Deutschland sehr geholfen hat. Danach gehörte ich zu den „Glücklichen“, die mit zarten 16 Jahren nach Deutschland verkauft wurden und somit ausreisen konnten. Zurückblickend kann ich meine Kindheit als eine sehr glückliche einschätzen, was in der darauffolgenden Zeit zu einer starken Bindung zu der „alten Heimat“ geführt hat.
Das Ehepaar Friedrich vor dem gestifteten ...
Das Ehepaar Friedrich vor dem gestifteten Meilenstein für die Via Transilvanica in Mediasch 2020.
Vermutlich musstet ihr wie wir alle erstmals heimisch werden und euch etwas in der neuen Heimat aufbauen. Seid ihr danach öfters nach Mediasch zurückgekehrt, vielleicht um Freundschaften weiterzupflegen oder einfach um den Urlaub in Siebenbürgen zu verbringen?
Astrid: Nach meiner Heirat mit Harry, der mit seiner Familie bereits in Deutschland lebte, reiste ich schließlich mit „Heiratsbewilligung“ 1983 nach München. Es folgten intensive Jahre des Fußfassens in einem fremden Land mit neuem Umfeld, junges Eheleben, Studium in München, Einstieg ins Berufsleben, neue Freundschaften schließen, Hausbau, Familienplanung, eben ein neues Zuhause schaffen. Bis zur Ausreise meiner Familie 1987 sind wir natürlich jährlich nach Mediasch gefahren und haben die noch in Siebenbürgen verbliebene Verwandtschaft besucht, bis schließlich alle ausgewandert sind. Unsere Jugendfreunde sind alle in Deutschland verstreut, so dass für uns das Leben in unserer Wahlheimat in Baar-Ebenhausen (Nähe Ingolstadt) weiterging und wir hier mittlerweile feste Wurzeln geschlagen haben.
Begegnet sind wir uns des Öfteren auf dem Mediascher Treffen in Kufstein sowie in Dinkelsbühl auf dem Sachsentreffen mit alten Freunden, Bekannten, Lehrern, Pfarrern. Dieses war jedes Mal ein schönes Wiedersehen. Mit einigen sind wir heute noch sehr gut befreundet.
Harald: Während meiner Jugendzeit in Mediasch, die zugegebenermaßen relativ kurz war, konnten trotzdem sehr viele Freundschaften quer durch die ganze Stadt gebildet werden. Dies wurde uns auch durch die im Elternhaus vermittelten Werte einfach gemacht. Aufgrund dessen hat es mich logischerweise nach der Ausreise auch regelmäßig nach Mediasch gezogen. In dieser Zeit habe ich dann auch Astrid besser kennengelernt und mir wurde relativ schnell klar, dass sie meine große Liebe ist. Das hat dazu geführt, dass wir uns auch schnell einig waren, in dem jungen Alter zu heiraten und unser Leben gemeinsam zu gestalten. Damit hat sich die Bindung eher verstärkt und regelmäßige Besuche in der alten Heimat waren vorprogrammiert, zumindest solange die Familie und noch wenige Freunde dort vorzufinden waren.

Harald, du hast in einem rumänischen Interview berichtet, dass du beruflich drei Jahre in Indien tätig warst und dich Astrid freilich dorthin begleitet hat. Kaum ging diese Zeit in Indien vorbei, rückte ein neuer beruflicher Auslandsaufenthalt in den Fokus, nämlich, Hermannstadt. Warst du sofort begeistert und welche Überlegungen flossen letztendlich in die Entscheidung für Continental in Hermannstadt?
Harald: Ja, auf eine Erfahrung in Indien gelebt zu haben, können nicht viele zurückblicken. Indien hat bei mir eine starke persönliche Entwicklung ausgelöst und auch mein Weltbild deutlich verändert. Die meisten Firmen bieten Delegationen ins Ausland nur auf begrenzte Zeit an, daher war von vornherein klar, dass diese interessante Zeit in Indien auch zu Ende gehen und ein anderes Land folgen wird. Das kann nur bedingt persönlich gesteuert werden, da man von der Verfügbarkeit der Stellen abhängt. Ein Angebot in Hermannstadt, was mich wieder zurück in die vermeintlich vertraute „alte Heimat“ führt, hat mich sehr gefreut, wohlwissend, dass hier andere Herausforderungen auf mich warten würden. Immerhin wurden die letzten Jahren von sehr deutlichen Veränderungen geprägt.
Hauptsache mobil sein ... und fröhlich: Astrid ...
Hauptsache mobil sein ... und fröhlich: Astrid und Harald Friedrich in Bangalore in Indien, 2016.
Wie hast du, Astrid, es empfunden, dass nach Indien schon wieder ein längerer Aufenthalt im Ausland in Frage kam? Hattest du weniger Bedenken, weil Hermannstadt zur alten Heimat gehört und dir Land, Leute und die Sprache bereits vertraut waren?
Astrid: Die Zeit in Indien war eine enorme Bereicherung in unserem Leben, eine Zeit, die wir niemals missen möchten. Wir haben viel über neue Kulturen gelernt, haben am indischen Leben mit all seinen Facetten teilgenommen, ohne die flüchtige Betrachtung eines Touristen. Nach drei Jahren jedoch, in einem ganz fremden Kulturkreis, in einer unermesslich schnell wachsenden Stadt wie Bangalore, mit mangelnder Infrastruktur, wurden die Arbeitsbedingungen auch für Harry immer schwerer und nach Beendigung seines Arbeitsvertrags war für uns klar, wir wollen wieder zurück nach Europa.
Als ich von dem Angebot in Hermannstadt erfuhr, überkamen mich zunächst gemischte Gefühle: einerseits Angst vor dem Land, das ich vor über 30 Jahren verlassen hatte, dem Ungewissen, was uns heute erwarten würde, sowie der sprachlichen Schwierigkeit. Andererseits Freude und Hoffnung auf ein Wiedersehen in unserer alten Heimat. Wir nutzten die eine Woche „look-and-see trip“ für Expats, um zu entscheiden, ob ein erneuter Auslandsvertrag und ein Leben in Hermannstadt für uns beide in Frage kommt.
Wir waren positiv überrascht über das, was wir vorfanden, nicht nur über die Entwicklung der Stadt. Erst sollten wir nur zwei Jahre bleiben, doch daraus sind nun fünf Jahre geworden – diesen Schritt haben wir nie bereut. Wir sind den vielen Menschen dankbar, die uns so freundschaftlich durch diese Zeit begleitet haben.

Inzwischen befindet ihr euch in eurem letzten Jahr in Hermannstadt. Sicherlich hat sich in dieser Zeit ein Vergleich zwischen dem heutigen Mediasch und Hermannstadt konturiert. Leider ist unsere alte Heimatstadt für viele Besucher oft nur ein kurzer touristischer Aufenthalt auf dem Weg von Hermannstadt nach Schäßburg. War es deshalb für euch eine Herzenssache, die Sponsoren des Meilensteins „Via Transilvanica“ zu werden? Bitte schildert unseren Lesern, wie es dazu kam.
Astrid: Wir leben zwar in Hermannstadt, haben jedoch eine starke emotionale Bindung zu unserer Heimatstadt Mediasch. Aus dem Grund ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man uns in Mediasch auch antrifft, ob bei Veranstaltungen in der Stadt, bei einem Kirchenbesuch in der schönen Margaretenkirche, einem Spaziergang durch die gepflegte und reichlich mit Blumen geschmückte Innenstadt, beim leckeren Essen in dem von unseren Freunden, der Familie Draser, sehr schön und ansprechend renovierten „Hanul Greweln“ oder auch nur beim Kaffeetrinken und Stöbern in dem so nostalgisch und liebevoll eingerichteten „Café Turrepitz“ neben der Margaretenkirche bei Herrn Connert.
Um all das Positive und Wunderbare in unserem Leben aufrecht zu erhalten, ist es wichtig, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, auch wenn er noch so klein ist. Ob das jetzt unsere Mitgliedschaft in der Heimatgemeinschaft Mediasch, eine Spende für den Wanderweg „Via Transilvanica“ oder eine Spende für den Kinderspielplatz im Pfarrhof, oder sonstiges persönliches Einbringen ist, spielt keine Rolle, es ist die gute Absicht und die Aktion dahinter. Die Gemeinschaft der deutschen Minderheit, auch wenn es nur noch wenige sind, ist noch sehr deutlich zu spüren und es wird einem sehr leicht gemacht, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Einen wesentlichen Beitrag, so wie aus der Vergangenheit gewohnt, bildet das beindruckende Kirchenleben mit den vielen Aktivitäten, wo Jung und Alt eingebunden werden. Allen Pfarrersleuten aus Mediasch gebührt für diese Bereicherung ein besonderer Dank. Mediasch hat sich durch das Engagement einiger unserer Landsleute und Freunde zu einem Ort entwickelt, in dem man sich wohlfühlt und auch die Seele baumeln lassen kann.

Wenn du nun zurückblickst, Harald, war die Zeit in Hermannstadt die richtige Entscheidung nicht nur hinsichtlich Karriere oder Kollegen, sondern auf dein Leben bezogen, auf Freunde und Umfeld?
Harald: Hier kann ich mit einem klaren „Ja“ antworten. Auch wenn ich von der Karriere her mit dem Schritt nach Hermannstadt eine Stufe zurückging, fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Dies ist dem geschuldet, dass ich die vielseitigen Möglichkeiten hier gesehen und nicht die Karriere in den Vordergrund gestellt habe.
Relativ schnell habe ich mich entschieden, der Gesellschaft etwas von mir zurückzugeben. Das hat dazu geführt, dass ich mehrere Ehrenämter angenommen habe und ich mich als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Konsulat, Politik, Kultur und auch Kirche betätige. In meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS; www.dwsb.ro) und Vorstandsvorsitzender der rumänisch-deutschen Organisation für duale Ausbildung Hermannstadt kann ich diesen Ansatz sehr gut ausleben. Ich kann das sein, was ich sein möchte, mit meinem Beitrag Dinge positiv und die Zukunft lebenswerter gestalten.
Nicht zu vergessen sind die vielen wunderbaren Menschen, die ich hier treffen konnte, mit denen sich zum Teil sehr schöne Freundschaften entwickelt haben. Die Zeit hier war und ist immer noch eine sehr erfüllte und eine weitere Bereicherung für mein Leben.

Astrid, du hast in dieser Zeit für dich eine neue Tür geöffnet, indem du die Welt der Düfte betreten und ein Unternehmen gegründet hast, das sorgfältig ausgesuchte Duft-Kreationen anbietet. Darunter ist sogar eine Sonderedition „Siebenbürgen“ als Damen- und Herrenparfüm zu finden. Was hat dich inspiriert, wie kam es zu diesem Schritt und wie geht es weiter?
Astrid: Ein Schlüsselerlebnis war in Alta, der Stadt der Nordlichter am Alta Fjord in Norwegen, auf einer unserer Reisen fernab vom Alltagssmog und dem Stress der digitalen Welt. Da erwachte in mir der Wunsch, in der Lebensmitte was Neues zu schaffen. Da bekam Harry das Angebot, beruflich nach Indien zu gehen. Plötzlich war es da, ein neues Kapitel im Leben, um Veränderung zuzulassen! Von der Exotik aus Indien und Südostasien inspiriert, mit all der Farb- und Gewürzvielfalt, kombiniert mit meiner langjährigen Erfahrung in der Pharma und dem Text & Design Management, entwickelte ich in Deutschland mit professioneller Hilfe höchst qualitative Parfüms der Marke alta® mit ausgesuchten Duftessenzen. Aus meiner Parfümauswahl können sich Kunden individuelle Flakons für diverse Anlässe bedrucken lassen. So entstand auch die Idee der Sonderedition „Siebenbürgen“ für Damen und Herren für alle heimatverbundenen Siebenbürger, in Anlehnung an unsere schöne Tradition des „Bespritzens“ am Ostermontag. Während die Parfüms „Siebenbürgen“ direkt im Café Turrepitz am Kirchhof in Mediasch gekauft werden können, sind sie in Deutschland einfach online zu erwerben sowohl über meinen Webshop unter www.perfume-mydesign.de als auch im Shop-Portal von Siebenbuerger.de.

Was nehmt ihr von dem Aufenthalt in Hermannstadt mit, was werdet ihr eventuell vermissen? Vermutlich bleibt eine Brücke bestehen – für eine Rückkehr?
Harald: Hier könnte man sicherlich einige Seiten füllen. Wenn etwas rückblickend betrachtet wird, so ist der wichtigste Punkt die emotionale Wahrnehmung, die Gefühle, die hierbei aufkommen. Bei uns sind es sehr angenehme. Wir hatten die Möglichkeit, in dieser Zeit einiges an Geschichte, Kultur und Länderkunde aufzufrischen, zu erweitern sowie neu zu entdecken, was uns persönlich noch ein Stück weiterentwickelt hat.
Wir können behaupten, dass wir unsere Heimat Siebenbürgen wiederentdeckt haben und sich dadurch die Bindung nochmals sehr stark gefestigt hat. Das Motto des letzten großen Sachsentreffens in Hermannstadt 2017 „In der Welt zu Hause, in Siebenbürgen daheim“ können wir sehr gut nachempfinden, weil wir im wahrsten Sinne des Wortes in beide Richtungen dieser Maxime gelebt haben. Eine starke Brücke ist entstanden und sie wird auch bestehen bleiben – in welcher Form wir sie nutzen werden, das wird die Zukunft zeigen!

Ich danke euch für dieses Gespräch, das dazu beigetragen hat, euch etwas näher kennenzulernen. Wenn nach der Coronapandemie Live-Treffen und Events wieder erlaubt sind, freuen wir uns, euch im Kreise der Heimatgemeinschaft Mediasch persönlich willkommen zu heißen. Bis dahin wüschen wir euch weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

Schlagwörter: Interview, Ehepaar, Mediasch

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