24. November 2021

Eine Gemeinschaft, die viel Freude und Sinn gibt: Interview mit der Bundesgeschäftsführerin Ute Brenndörfer

Seit dem 1. Februar 2019 ist Ute Brenndörfer Bundesgeschäftsführerin des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Am 24. November erfüllt sie ihr 60. Lebensjahr. Sie hofft, dass Freude und Begeisterung ansteckend wirken und auch junge Leute dazu animieren, sich aktiv in unsere Gemeinschaft einzubringen. Aus Hammersdorf stammend, wurde sie 1961 in Hermannstadt geboren, wo sie von 1976-1980 das Brukenthalgymnasium besuchte. Sie studierte Mathematik an der Universität von Bukarest und wirkte danach ein Jahr lang als Mathematiklehrerin am Stephan Ludwig Roth-Gymnasium in Mediasch. Seit ihrer Ausreise 1985 war sie in Deutschland in der Versicherungsbranche als Software-Ingenieurin, IT-Beraterin, Business-Analystin und als Mathematikerin in der Finanzbuchhaltung und im Controlling tätig, bevor sie Bundesgeschäftsführerin des Verbandes wurde. Beim Verbandstag am 2. November 2019 wurde sie zur Schriftführerin des Verbandes gewählt. SbZ-Chefredakteur Siegbert Bruss führte mit Ute Brenndörfer ein Interview über ihre Motivation und ihren vielseitigen Einsatz für die Gemeinschaft.
Ute Brenndörfer, Bundesgeschäftsführerin des ...
Ute Brenndörfer, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.
Als Sie am 1. Februar 2019 neue Bundesgeschäftsführerin des Verbandes geworden sind, haben Sie die Vision gehabt, „den Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen zu fördern und zu stärken, neue Mitglieder zu gewinnen und vor allem unsere Kinder und Jugend vom sächsischen Brauchtum zu begeistern“. Konnten Sie diese Vision teilweise schon umsetzen, was hat sich daran in knapp drei Jahren geändert?

Diese Vision habe ich nach wie vor. Damals war mir nicht klar, wie schwer es ist, Menschen für unsere Tradition und Gemeinschaft zu begeistern und sie als neue Mitglieder für unseren Verband zu gewinnen. Ich konnte jedoch feststellen, dass es bereits einen guten Zusammenhalt gibt, dass die Vorstände der über 100 Kreisgruppen übers Jahr in pandemiefreien Zeiten regelmäßig einiges an Veranstaltungen organisieren, die von unseren Landsleuten gut angenommen werden. Ich bin begeistert von dem großen, ehrenamtlichen Engagement in den Kreis- und Landesgruppen, welches für das Verbandsleben unentbehrlich ist. Herzlichen Dank dafür.
Das Interesse an der siebenbürgisch-sächsischen Kultur, der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt konnte ich bei meinem ersten Heimattag 2019 als Geschäftsführerin in Dinkelsbühl erleben. Das zeigten der Festumzug mit 3.200 Trachtenträgern und die rund 24.000 Besucher, die am Pfingstwochenende nach Dinkelsbühl gekommen waren, um an dem Heimattag des Verbandes teilzunehmen. Ich konnte mit Freude beobachten, dass unter den Besuchern viele junge Menschen, Familien, Jugendliche und Kinder dabei waren. Das ist wichtig für die Zukunft unserer Gemeinschaft.

Sie sind Mitglied der Arbeitsgruppe des Bundesvorstandes, die sich ehrenamtlich mit der Mitgliederwerbung befasst. Welche Wege und Ideen sind nach Ihrer Meinung am besten geeignet, neue Mitglieder für den Verband zu gewinnen?

Seit November 2019 befasst sich eine Arbeitsgruppe des Bundesvorstandes intensiv mit der Mitgliederwerbung. Das ist sehr wichtig, weil es jetzt darum geht, eine neue Generation als Mitglieder zu gewinnen, eine Generation, die hier geboren ist, die das Siebenbürgisch-Sächsische nicht erlebt hat, die Bekenntnisgeneration. Es gilt herauszufinden, was von unserer Kultur, von unserem Verbandsleben zu ihren Bedürfnissen passt, was sie begeistern und mit Sinn erfüllen könnte. Sind es die Geborgenheit oder die Zugehörigkeit, der Gemeinschaftssinn oder die Herkunft, die schöne Tracht oder neue Freundschaften? Oder doch etwas anderes? Tradition soll für die Jugend und Kinder spannend herübergebracht werden, so dass diese es wert finden, ihre Freizeit dafür zu nutzen.
Wir müssen ins Gespräch gehen mit denen, die uns zuhören, wir müssen Angebote machen, die auf Interesse stoßen, wir müssen Multiplikatoren haben, die uns helfen, unsere Gedanken zu transportieren, und das kann jeder Begeisterte sein. Es geht in dieser Arbeitsgruppe nicht nur um neue Mitglieder, sondern auch um die Zufriedenheit der Mitglieder, die wir bereits haben, die unseren Verband ausmachen. Passen unsere Angeboten noch? Zudem möchten wir den Verband auf Veranstaltungen und in den Medien bekannter, sichtbarer machen. Wir werden informieren, wo der Verband agiert, wo er unterstützen kann und warum es wichtig ist, dabei zu sein.

Sie fühlen sich der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft stark verbunden und pflegen sie auch in der Freizeit. Was bedeuten die Veranstaltungen und die Kontakte zu Landsleuten für Sie persönlich?

Die Gemeinschaft und menschlichen Verbindungen haben für mich einen hohen Stellenwert. Das schöne Miteinander, das wir in unserer Heimat Siebenbürgen mitbekommen haben, möchte ich gern an Menschen weitergeben, die das nicht kennen.
Seit meiner Kindheit fühle ich mich der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft und dem Brauchtum sehr verbunden. In Siebenbürgen durfte ich in eine sehr schöne Kindheit und Jugend erleben im Schutz der Gemeinschaft, mit all ihren Werten, auch mit den sehr guten Möglichkeiten zur schulischen und kirchlichen Ausbildung. Nach der Ausreise nach Deutschland konnte ich mich gut integrieren, dank der guten Ausbildung am Hermannstädter Brukenthalgymnasium und der Universität Bukarest, Fakultät für Mathematik. Ich habe in Deutschland eine gute „Work-Life-Balance“ gefunden. Neben dem Beruf hatte ich Zeit für meine Familie, Eltern und Freunde, aber auch für Hobbys, Sport und Ausgleich. Ich habe gerne Siebenbürger und Nichtsiebenbürger zusammengebracht zu Familienfesten, Wanderungen, Veranstaltungen. Seitdem ich am 1. Februar 2019 die Position der Geschäftsführerin des Verbandes angenommen habe, fühle ich mich dem Siebenbürgischen noch stärker verbunden. Nach einem Berufsleben in der freien Wirtschaft kann ich nun die Perlen der siebenbürgischen Kultur und Gemeinschaft viel besser erkennen, ich habe die Werte, die wir mitgebracht haben – Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Verständnis, Selbstlosigkeit, Nächstenliebe, Frohsinn, Freundschaft, Nachbarschaft – zu schätzen gelernt, Werte, die uns so selbstverständlich sind.
In meiner Freizeit besuche ich gerne den Frauenstammtisch im Haus des Deutschen Ostens in München, der Ende 2018 ins Leben gerufen wurde und immer beliebter wird. Ebenso nehme ich an dem Verbandsleben der Kreisgruppe Fürstenfeldbruck teil, zu der ich gehöre. Mit großem Interesse habe ich in diesem Sommer an der Kulturwoche im Haferland teilgenommen, für mich eine neue Erfahrung, die mir gezeigt hat, dass auch heute in Siebenbürgen unsere Kultur noch lebt. In den Kirchhöfen unserer alten Kirchenburgen sind die Jugendtanzgruppen, die bekannte Neppendorfer Blaskapelle, klassische Musikgruppen sowie Lyrikvorträge besonders schön zur Geltung gekommen. Danke an all die Menschen, die dort aktiv sind und andere motivieren. Auf einer Reise ins Baltikum, zusammen mit dem Landesverband Bayern, hatten wir kürzlich Gelegenheit, den dort lebenden deutschen Minderheiten zu begegnen. Es waren schöne Treffen, mit gegenseitigem Austausch, mit Analogien zu unserer Kultur und gemeinsamen Singen.
Mir geben diese Veranstaltungen und Kontakte zu den Landsleuten viel Freude und Sinn zurück. Ich finde darin die Motivation, die Herausforderungen meiner Arbeit zu stemmen.

Großveranstaltungen wie der Heimattag, die Tagung der Kreisgruppenvorsitzenden, das 70-jährige Verbandsjubiläum erfordern große logistische Leistungen. Sie und das Team der Bundesgeschäftsstelle werden bis zur Grenze der Belastbarkeit herausgefordert. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Der Heimattag ist die größte Veranstaltung, die der Bundesverband jeweils zu Pfingsten über vier Tage organisiert. Das ist tatsächlich eine große Herausforderung und enorme organisatorische Leistung für die Geschäftsstelle, die – einschließlich Zeitungsteam – zurzeit nur acht Mitarbeiter zählt. Die Geschäftsstelle arbeitet dabei mit dem Heimattagausschuss, bestehend aus etwa 20 ehrenamtlichen Mitgliedern, die jeweils ihre Teams haben, zusammen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre tragen zum Gelingen des Pfingstfestes bei. Die Arbeit vor und während großen Veranstaltung lässt sich nur mit viel Disziplin, einer frühzeitigen Organisation, klaren Verantwortlichkeiten und genauer Kommunikation bewältigen, indem wir auf die Erfahrungen der Vorgänger aufbauen, Helfer einbinden und viele Überstunden leisten. In solchen Zeiten müssen persönliche Belange zurückgestellt werden.
Auch die anderen großen Veranstaltungen wie die Tagung des Bundesvorstands mit den Kreisgruppenvorsitzenden, das 70-jährige Verbandsjubiläum sind organisatorische Herausforderungen für die Geschäftsstelle, die wir gerne annehmen. Wir sind stolz, wenn es hinterher gut gefallen hat.
An dieser Stelle danke ich herzlich dem Mitarbeiterteam, der Bundeskulturreferentin, der Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung, dem Organisationsteam und dem Vorstand des Verbandes. Ich danke auch meiner Familie, meinem Mann und meinen Kindern für die tatkräftige Unterstützung und das große Verständnis für meine Arbeit. Große Freude bereiten mir meine beiden Enkelkinder Maja Sophia (4 Jahre alt) und Luisa Theresa (1 Jahr alt). Gerne würde ich mit ihnen viel mehr Zeit verbringen.

Was wünschen Sie sich für den Verband?

Für den Verband wünsche ich mir die Fortführung der Tradition noch weit in die Zukunft, neue Mitglieder, Jugend und Kinder, Modernisierung über Digitalisierung, schöne Veranstaltungen, Teilnahme an interkulturellen Veranstaltungen, gerechte Renten nach dem Fremdrentengesetz für unsere Landsleute, Durchsetzung der Entschädigungszahlungen für Deportierte und deren Nachkommen und für alle Gesundheit und Zufriedenheit.

Vielen Dank für das Interview. Zu Ihrem Geburtstag und für die Zukunft wünsche ich Ihnen Gesundheit, Schaffensfreude, Erfolg im Beruf und Alltag. Mögen Sie auch genügend Zeit für sich und Ihre Familie finden, um zufrieden und glücklich zu sein!

Gratulation des Bundesvorsitzenden

Seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland mit all seinen Gliederungen sowie natürlich auch ganz persönlich gratuliere ich unserer Bundesgeschäftsführerin Ute Brenndörfer ganz herzlich zu ihrem 60. Geburtstag. In knapp drei Jahren hat sie sich einen guten Überblick über unser vielfältiges Verbandsleben angeeignet. Siebenbürgisch-sächsische Kultur und Gemeinschaft liegen ihr sehr am Herzen. Damit diese zukunftsfähig sind und bleiben, dafür setzt sie sich in ihrem Aufgabengebiet stark ein. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht miteinander telefonisch, per E-Mail oder WhatsApp in Kontakt sind, um anstehende Sachen zu planen oder Probleme zu lösen. Ute Brenndörfer ist eine große Stütze für den Bundesvorstand, dafür danke ich ihr sehr herzlich. Ich wünsche Ute Brenndörfer viel Erfolg, Schaffenskraft und vor allem Gesundheit für die Zukunft!

Rainer Lehni, Bundesvorsitzender

Schlagwörter: Verbandsleben, Bundesgeschäftsstelle, Bundesvorstand, Mitgliederwerbung, Hammersdorf, Füstenfeldbruck

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