12. Dezember 2021

Die Erfolgsgeschichte der EU fortschreiben: Interview mit Dr. Peer Gebauer, neuer deutscher Botschafter in Bukarest

Dr. Peer Gebauer ist seit dem 24. August 2021 neuer Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest. Der promovierte Jurist wurde am 13. Mai 1971 in Stuttgart geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 2000 hat er eine klassische Karriere im diplomatischen Dienst absolviert mit verschiedenen Verwendungen im In- und Ausland. Im Ausland war er in Tel Aviv, danach in Japan und zuletzt in Thailand als ständiger Vertreter an der Botschaft tätig. Die letzten vier Jahre arbeitete er im Bundeskanzleramt, entsandt vom Auswärtigen Amt, im außenpolitischen Team der Bundeskanzlerin, in den letzten zwei Jahren als einer der stellvertretenden außenpolitischen Berater. „Wir haben eben diesen besonderen Schatz der deutschen Minderheit hier in Rumänien, der das Arbeiten für eine deutsche Botschaft und einen deutschen Botschafter einzigartig macht“, erklärte er bei seiner ersten Dienstreise, die ihn am 6. Oktober nach Hermannstadt führte, gegenüber der Hermannstädter Zeitung. Das folgende Interview mit Dr. Peer Gebauer führte ADZ-Chefredakteurin Nina May, es erschien zuerst in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 27. Oktober 2021.
Dr. Peer Gebauer, deutscher Botschafter in ...
Dr. Peer Gebauer, deutscher Botschafter in Bukarest
Exzellenz, Sie haben am 24. August Ihr Mandat in Bukarest angetreten. Was sind Ihre ersten Eindrücke von Rumänien?
Meine ersten Eindrücke sind sehr positiv: Politisch ist Rumänien für uns ein wichtiger und interessanter Partner, ein Zentrum europäischer Kultur, pro-europäisch und nach Westen orientiert. Gleichzeitig ist Rumänien aber auch Bindeglied in den Westlichen Balkan, in die Türkei, nach Osten. Ich glaube, dass dies ein unschätzbarer Vorteil für das Land und gleichzeitig für die Partner in der EU ist – diese Rolle kann Rumänien durchaus selbstbewusst in der EU vertreten. Jenseits der Politik gibt es natürlich ebenfalls unglaublich viel zu entdecken. Bukarest selbst erlebe ich als eine sehr spannende und dynamische Stadt. Ich habe den Eindruck, dass es kulturell eine große Bandbreite zu entdecken gibt – von klassischer Kunst und Musik bis hin zu den vielen Galerien mit Werken moderner rumänischer Künstlerinnen und Künstler. Das Land hat darüber hinaus zahlreiche wunderbare Orte und Landschaften zu bieten, die ich nach und nach erkunden will. Meine erste Dienstreise hat mich nach Hermannstadt geführt. Ich war sehr beeindruckt von der Atmosphäre in dieser lebendigen Stadt und freue mich darauf, weitere Städte und Regionen zu entdecken.

Welche Meilensteine oder besonderen Herausforderungen erwarten Sie in der Zeit Ihres Mandats?
Im nächsten Jahr feiern wir den 30. Jahrestag des Deutsch-Rumänischen Freundschaftsvertrags. Ich finde, das ist eine wunderbare Gelegenheit, zurückzuschauen auf den Weg, den wir seit 1992 gegangen sind und vor allem darauf, was wir gemeinsam erreicht haben – Rumänien und Deutschland sind heute enge Partner in der NATO und der EU, uns verbindet ein dichtes Netz wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Kontakte – bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Auf dieser beeindruckenden Grundlage will ich in den nächsten Jahren weiterarbeiten und unsere Beziehungen vertiefen: Wirtschaftlich gibt es sicherlich Bereiche, die weiterentwickelt und vertieft werden können. Die ambitionierten Klimaschutzziele der EU bieten etwa Potential für neue Investitionen und eine Intensivierung der Kooperation. Auch im Bereich Digitalisierung und IT bietet Rumänien großes Potential für deutsche Unternehmen.
Als EU stehen wir politisch vor zahlreichen Herausforderungen: Die „Fliehkräfte“ innerhalb der Union haben etwa zuletzt leider zugenommen. Es ist und bleibt eine zentrale Aufgabe, die große Erfolgsgeschichte der EU fortzuschreiben und auch bei Konflikten zwischen oder mit einzelnen EU-Mitgliedschaften weiter auf Dialog und Kompromiss zu setzen. Hier sehe ich Rumänien als wichtigen und gleichgesinnten Partner Deutschlands. Zugleich verstehe ich mich als deutscher Botschafter in Rumänien auch ein wenig als „Vertreter“ meines Gastlands in Berlin: Ich will deshalb gerne dort noch mehr den Blick dafür schärfen, dass das Potential Rumäniens als starker, europäisch ausgerichteter Partner noch intensiver wahrgenommen wird.

Der Tag der Deutschen Einheit wird normalerweise groß gefeiert. Letztes Jahr fand der Empfang nur online statt, dieses Jahr hat Pandemiewelle 4 Ihre ursprünglichen Pläne zu einem Empfang durchkreuzt. Was war das für ein Gefühl für Sie? Welche Botschaft hätten Sie den Rumänen am 3. Oktober gerne mit auf den Weg gegeben?
Ja, die kurzfristige Absage unseres Empfangs zum Tag der Deutschen Einheit fiel uns sehr schwer, wir an der Botschaft waren alle etwas enttäuscht. Für mich war die Absage natürlich auch persönlich sehr schade. Ich bin ja immer noch ziemlich frisch im Amt und hätte viele meiner neuen Ansprechpartner gerne als Gäste begrüßt. Aber es war letztlich die einzig richtige Entscheidung. Uns blieb angesichts der dramatisch steigenden Infektionszahlen keine andere Wahl. Wir hoffen alle darauf, dass wir im nächsten Jahr wieder regulär feiern können.

Alle Welt blickt mit Spannung auf die künftige deutsche Regierung nach den Bundestagswahlen, auf die künftige Rolle Deutschlands als einer der Motoren Europas. Mit welchen Erwartungen oder auch Ängsten wurden Sie in Bezug auf die „Ära Post Merkel“ von rumänischer Seite bereits konfrontiert? Und wie begegnen Sie diesen?
Ich werde tatsächlich oft gefragt, wie es nun weitergeht – und auf den Abschluss der Regierungsbildung und die Details einer Koalitionsvereinbarung bin ich ebenso gespannt, wie viele andere Beobachter in ganz Europa. Eines steht für mich aber fest: Über die Grundprinzipien der Außen- und Europapolitik Deutschlands besteht zwischen allen für eine Regierungsbildung in Betracht kommenden Parteien ein breiter Konsens. Unsere Politik ist insoweit wie ein ziemlich schwerer Tanker, der nicht plötzlich seinen grundlegenden Kurs ändern wird. Es mag vielleicht kleinere Kurskorrekturen geben, aber im Grunde werden wir außenpolitische Kontinuität sehen, die ihrem Kern treu bleibt: einer starken europapolitischen und transatlantischen Verankerung Deutschlands, einer wertebasierten Politik und einem Handlungsansatz, der auf Dialog und Kompro- missbereitschaft setzt.

Besonderheiten in Rumänien sind das historisch verankerte deutschsprachige Schulwesen, deutschsprachige Studiengänge, eine starke Präsenz deutscher Wirtschaft und eine aktive Rolle der deutschen Minderheit in all diesen Bereichen. Doch die politische Lage hierzulande ist von Instabilitäten geprägt. Welches sind die größten Probleme, Kritikpunkte oder Befürchtungen der in Rumänien aktiven deutschen Arbeitgeber und Investoren?
Sie haben Recht: Die deutsch-rumänischen Beziehungen zeichnen sich durch vielfältige, auch sprachliche Verbindungen aus. Es ist beeindruckend, dass die deutsche Minderheit im Land so anerkannt ist und eine positive Rolle spielt. Und: Die gestiegene Nachfrage etwa nach Deutschkursen für Schülerinnen und Schüler ist ja ein ganz klares Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache als wichtige Qualifikation gesehen wird, die viele Türen öffnen kann.
Nicht zuletzt wegen dieser sprachlichen Kompetenz und der kulturellen Nähe ist Rumänien für die deutsche Wirtschaft ein sehr attraktiver Standort. Immer mehr deutsche Unternehmen sehen das große Potential Rumäniens, das belegen auch die Investitionen von mehreren Hundert Millionen Euro in 2021, die etwa in die Zukunftstechnologien wie E-Mobilität fließen. Dies unterstreicht das Vertrauen der deutschen Unternehmen in Rumänien. Diese Wirtschaftskooperation lohnt sich für beide Seiten. Denn die deutschen Unternehmen kommen, um zu bleiben. Für sie geht es typischerweise nicht um „das schnelle Geld“, sondern um den langfristigen Aufbau von Kooperationen. Deshalb sind für deutsche Unternehmen auch langfristige Weiterentwicklungen und Verbesserungen etwa im Infrastrukturbereich, besonders, was das Schienen- und Straßennetz in Rumänien betrifft, aber auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung zentral. Öffentliche Ausschreibungen für größere Investitionsprojekte, aber auch der Ausbau der Digitalisierung sind zusätzliche wichtige Punkte. Dabei muss immer berücksichtigt werden, dass die weitere Entwicklung nachhaltig sein muss. Denn mit unseren ambitionierten Klimazielen und dem Green Deal wurde in ganz Europa eine echte – und bitter notwendige – Kurskorrektur in Richtung Zukunft angestoßen. Die Chancen, die der Green Deal und der Next Generation EU Fonds bieten, sollten wir gemeinsam ergreifen.

Die Folgen des Klimawandels waren in diesem Jahr in ganz Europa hautnah spürbar. Damit sind zwar auch Chancen für weniger entwickelte Länder, in eine Nische zu stoßen, verbunden – aber auch Ängste, dass gerade die sozial Schwachen nicht mithalten können. Was würden Sie den Rumänen zu diesem Thema sagen?
Eines ist ganz klar: Es ist vor allem der ungehinderte Klimawandel, der die soziale Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen würde. Gegen Dürre, Brände und Überschwemmungen können sich gerade sozial schwächere Schichten am wenigsten absichern. Deshalb ist es allein schon eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, die Folgen des Klimawandels wenigstens abzumildern und vor allem, die weitere Erderwärmung soweit wie möglich zu bremsen und zu stoppen. Maßnahmen zum Schutz des Klimas müssen von der Gesellschaft mitgetragen werden, wenn sie erfolgreich sein sollen, wobei reichere Staaten und gesellschaftliche Schichten einen größeren Beitrag leisten müssen.

Vielen Dank für die interessanten Ausführungen!

Schlagwörter: Interview, Botschafter, Deutschland, Rumänien, deutsch-rumänische Beziehungen, Politik

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