2. Oktober 2023

Chorleiterin feiert 20-jähriges Jubiläum: Interview mit Ilse Abraham

Der Metzinger Chor der Kreisgruppe Reutlingen – Metzingen – Tübingen feierte im September dieses Jahres sein 40-jähriges Bestehen (Bericht folgt), die Hälfte dieser Zeit, zwanzig Jahre, wird er von der aus Marktschelken stammenden Ilse Abraham geleitet. Das Interview mit Frau Abraham führte Yasmin Mai-Schoger in Metzingen.
Chorleiterin Ilse Abraham. Foto: privat ...
Chorleiterin Ilse Abraham. Foto: privat
Lustige Geschichte, wir haben uns ja das letzte Mal eher durch Zufall ausgetauscht. Ich recherchierte im Internet über Siebenbürgen und stolperte über einen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 10. August 2023, in dem es um die Einweihung der Petersberger Kirche ging – die Kirche deines Heimatdorfes. Dort hast du mit deinem Mann Willi bis zu deiner Ausreise 1985 nach Deutschland gelebt und warst von 1971 bis 1985 als Organistin und Chorleiterin, Kantorin tätig. Nach vielen Jahren hast du nun den Festgottesdienst mit dem Petersberger Heimatchor und Kirchenchor eröffnet. Wie hast du die Kircheinweihung erlebt?
Es war ein wirklich sehr emotionaler Moment, eine sehr schöne Feier. Es waren über hundert Landsleute aus Deutschland dabei. Nach so langer Zeit wieder vor Ort zu sein, war sehr bewegend, ein fantastischer Tag. Die Kirche ist so schön geworden, ich hätte da stundenlang sitzen können, einfach nur alles betrachten und die alten Zeiten Revue passieren lassen.

Du warst ja schon in Siebenbürgen als Chorleiterin tätig, insgesamt also über fünfzig Jahre. Fünfzig Jahre voller wunderschöner Lieder und immer in netter Gemeinschaft. Nette Gemeinschaft – da schließt sich der Kreis zum Metzinger Chor. Dieser feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen; seit 20 Jahren bist du Leiterin des Chores. Zwanzig Jahre – da gehört eine Menge Geduld und Ausdauer dazu – und die Liebe zu „Ton und Tradition“. Bei dir ist beides stark ausgeprägt. Wann wusstest du, dass das Singen mehr ist als nur ein Hobby?
Es ist was ganz Wunderbares, was man mit Liedern und Musik ausdrücken kann – das habe ich sehr schnell bei der Ausbildung in der Kantorenschule in Hermannstadt gelernt. Mit Liedern kann man alle Gefühle der Menschen ausdrücken. Schon Anfang zwanzig habe ich erkannt, dass man durch Melodien und Harmonien vieles viel aussagekräftiger ausdrücken kann als mit dem gesprochenen Wort. Auch wenn es oft eine schwere Zeit war – wir mussten täglich vier bis fünf Stunden üben, hatten mehrmals abends Chorproben. Trotzdem war es eine schöne Zeit.

Dass du dich mit Leib und Seele für das siebenbürgische Liedgut einsetzt, ist nicht zu überhören, zu übersehen. Bei unseren Veranstaltungen bist du meist in Tracht zu sehen und du untermalst die Lieder oft auch mit wunderschönen Versen und Gedichten – gern hört man dir auch hier zu. Das ist alles sehr stimmig und rundet so manches Lied auch philosophisch ab. Wenn du nicht Chorleiterin geworden wärst, was hättest du dir stattdessen vorstellen können?
Dann wäre ich gern Kinderkrankenschwester geworden.

Schön, dass du den Weg als Kantorin eingeschlagen hast. Am 17. September 2003 hast du das Amt von dem damaligen Chorleiter Menning übernommen. Was ist dir durch den Kopf gegangen, als man dich gefragt hat, ob du den Chor leiten möchtest?
Naja, ich war schon ein wenig überrascht, als Michael Herberth und seine Frau Hanni mich fragten, ob ich den Chor leiten wolle. Wir kannten uns ja vorher nicht. Da kam schon auch die Frage auf, von wo sie das wissen, dass ich Chorleiterin bin. Hans Henning (ehemaliger Vorsitzender der Kreisgruppe Kirchheim/Teck – Nürtingen) hatte gesagt, sie sollen mich fragen.

Im Laufe der Zeit habt ihr ja so manches Lied gesungen. Was meinst du, wie viele Lieder hast du im Laufe deiner Amtszeit gesungen, und welches Lied ist dein Lieblingslied?
Das kann ich so gar nicht beantworten, ich singe jetzt schon über fünfzig Jahre. Da kommen eine Menge Lieder zusammen. Ich habe in Stuttgart ein Repertoire von über 120 Liedern … Mir gefallen viele Lieder – ein sehr schönes Lied ist in jedem Fall „Ich steh an deiner Krippen“ von Johann Sebastian Bach.

Und die schönsten sächsischen Lieder, die der Chor gesungen hat?
„De Astern blähn …“, „Det Bromerchen“, „De Schniegekelcher blähn“, „Zeisken huiet en klinzich Näst“ und viele andere mehr. Es gibt sehr sehr viele wunderschöne sächsische Lieder.

Chor – das ist mehr als nur Singen. Das ist Gemeinschaft, da entstehen Freundschaften, das ist Familie … da ist man auch mal zusammen unterwegs, macht Ausflüge – tritt in anderen Städten und Gemeinden auf. Woran erinnerst du dich am liebsten?
Wir waren schon sehr viel unterwegs, da bringe ich den Stuttgarter und den Metzinger Chor schon auch mal durcheinander. Mit dem Stuttgarter Chor waren wir ja sogar im Ausland. Wir haben viele schöne Momente erlebt.

Genau, du bist ja nicht nur in Metzingen Chorleiterin, sondern singst in der Siebenbürgischen Kantorei und im Liederkranz in Oberlenningen, ebenso leitest du auch den Chor in Stuttgart. Da kommen eine Menge Chorproben und Auftritte zusammen … Wie schaffst du das?
Na erstens, weil es einfach Spaß macht, und dann freut man sich, wenn man den Menschen einen schönen Nachmittag bereiten kann. Man freut sich natürlich auch über positive Rückmeldungen und den Dank der Zuhörer. Und manchmal muss man auch Prioritäten setzen. Wenn einem das wichtig ist, schafft man das auch, man muss es wirklich wollen.

Wenn eine Fee dir drei Wünsche erfüllen würde … was würdest du dir wünschen?
Neben Gesundheit und froher Schaffenskraft, dass auch die jüngeren Leute den Weg in den Chor finden und sich und der Gemeinschaft etwas Gutes tun. Darüber hinaus macht das Singen im Chor nicht nur Spaß, sondern es ist auch noch gesund. Bewusst zu atmen, haben die meisten verlernt. Beim Singen wird das richtige Atmen wieder erlernt und das Zwerchfell aktiviert. Singen hat auch was mit Haltung zu tun. Dies alles trägt in jedem Fall zu einer gesunden Lebensweise bei.

Die Chormitglieder werden von Jahr zu Jahr weniger. Wie schaffen wir es, dass wir auch in Zukunft die alten Lieder hören können?
Das hängt von der Bereitschaft jedes Einzelnen ab. Da muss schon eine Motivation vorhanden sein. Wir können nur die Leute ansprechen. Wir gründen ja unsere Chöre, damit wir unsere Traditionen weiterführen können, die wir nicht missen möchten. Es wäre schade, wenn das verloren ginge.

Liebe Ilse, vielen Dank für das nette Gespräch. Ich wünsche dir und deinem Mann alles Gute und freue mich darauf, noch viele Lieder von euch zu hören. Dem Chor wünsche ich weiterhin viele schöne gemeinsame Stunden in der Sängergemeinschaft, auf dass ihr uns noch lange mit den alten Liedern erfreut. Ein Satz zum Schluss: „Ohne Menschen wie sie wären wir schon lang da, wo wir nicht hinwollen!“ Ilse Abraham steht stellvertretend für so viele sich einbringende Menschen, die niemals müde werden, die Tradition aufrecht zu erhalten. Dafür tausend Dank!

Schlagwörter: Kultur, Chor, Metzingen, Petersberg

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