15. März 2011

Dagmar Zink zur siebenbürgischen "Ritterin" gekürt

Am 5. Februar strömten die Gäste aus allen Himmelsrichtungen zur Rottweiler Fastnacht der Siebenbürger Sachsen. Ab 18 Uhr waren die Pforten des Telekomfestsaales in Rottweil geöffnet. Das erwartungsfrohe Publikum nahm seine Plätze ein. Um 19 Uhr 91, welch närrische Zeit, sollte die Kür der neuen siebenbürgischen „Ritterin“ wider den tierischen Ernst beginnen.
Es war also noch genügend Zeit, sich vorher gebührend zu stärken. Bald war das erste lautstarke Palaver der üblichen siebenbürgischen Begrüßungsrunden von „gefräßiger Stille“ abgelöst worden. Mit einem Tusch erscheint Paulus Magnus von Repsweil, erster Siebenbürgischer Ritter wider den tierischen Ernst (alias Paul Schuller, Kuratoriumsmitglied der Foederatio Saxonica Transsilvana) und trägt gemeinsam mit seiner Gattin Helga die große Jubiläumstafel, die uns kundtut, dass eben diese Foederatio, seit dem vorigen Jahr bereits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat! Dahinter schreiten die Schriftgelehrte Habichtraut von Hermannsottweil (alias Traute Habicher, Vereinsschriftführerin) mit der Protagonistin der Ehrung, Dagmar Zink, M.A. (Magistra Artium, akademischer Grad in den Geisteswissenschaften). Es folgt Rittervater Siegfried Helmut Habichfried von Hermannsottweil, Vorsitzender der Foederatio Saxonica Transsilvana, mit seiner Stellvertreterin, Holde von Schwanenburg (alias Hildegard Birk) als Trachtendame. Den Abschluss bilden zwei weitere Damen in herrlichen Festtrachten mit zwei Herren, die, ebenfalls in Tracht, gemeinsam die Zunftlade tragen. Nach einer feierlichen Runde durch den Saal nehmen die Akteure den Platz vor dem Publikum ein.
Rittervater Siegfried Helmut Habichfried von ...
Rittervater Siegfried Helmut Habichfried von Hermannsottweil, Vorsitzender der Foederatio Saxonica Transsilvana, ehrt die Cibinsgräfin Dagmar Zink mit dem Doktor humoris causa sowie dem Ritterschlag zum Siebenbürgischen Ritter wider den tierischen Ernst. Foto Hans Mendgen
Als Erster, angetan mit feierlichem Talar und Perücke, auf der Brust das Wappenschild mit den Insignien Siebenbürgens, tritt nun der Vorsitzende der Foederatio und Rittervater vor und begrüßt die Gäste. Nahtlos leitet er über zur Laudatio auf die Cibinsgräfin Dagmar Zink und begrüßt sie mit den Worten: „Sehr verehrte, liebe Ritterkandidatin…“. Gleich zu Beginn stellt er fest, welch sehr guter Anfang es sei, in Siebenbürgen auf die Welt gekommen zu sein. Das präge die Weltsicht und den Witz. Siebenbürgischer Frohsinn, Hermannstädter Hintergründigkeit, transsilvanische Toleranz, ein karpatin-klarer Blick für Bauernschläue und Borniertheit der Obrigkeit… alles Eigenschaften, die einen letztlich für einen Ritter wider den tierischen Ernst prädestinieren.

Anschließend macht Siegfried uns mit dem Leben der Ritterkandidatin Dagmar Zink, geborene Dusil, bekannt, die am 5. Juni 1948 in Hermannstadt geboren wurde und dort auch bis zum Abitur lebte. Ihr schon früh entwickelter Sinn für Humor stößt durchaus nicht immer auf Verständnis bei den Lehrern. So auch damals, als sie auf den Fußboden vor der Eingangstür zum Klassenzimmer einen Drudenfuß zeichnete, um der Erdkundelehrerin den Einlass zu verwehren. (War diese womöglich eine Hexe?) Das ging beinahe ins Auge, da ihr daraufhin vorgeworfen worden war, missbräuchlich den Sowjetstern auf den Fußboden gemalt zu haben. Fast wäre sie deshalb von der Schule gewiesen worden!

Nach dem Abitur studiert sie Anglistik und Germanistik in Klausenburg, und - damals durchaus nicht alltäglich - schenkt in dieser Zeit einer Tochter das Leben, heiratet und setzt unbeirrt das Studium bis zum Magister fort. In den folgenden 12 Jahren beweist sie ihre pädagogischen Fähigkeiten als Englischlehrerin an verschiedenen Schulen Siebenbürgens.

Das Jahr 1985 stellt einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben dar, sie siedelt mit der Familie nach Deutschland um. Hier erweitert sie ihre Sprachkenntnisse und bekleidet in der Folge verantwortungsvolle Stellungen, die ihr die Gelegenheit bieten, die Welt kennen zu lernen. Inzwischen hat sie ihre Ader als Erzählerin und Schriftstellerin entdeckt und gründet mit ihrem Schwiegersohn, Dr. Klaus Weinrich, den Johannis-Reeg-Verlag, der sich die Herausgabe von Transilvanica zum Ziel setzt. Auch der Übersetzerin verschiedener rumänischer Schriftsteller wird aus berufenem Munde viel Lob gespendet.

Trotz der engagierten Arbeit im Beruf vergisst Dagmar Zink ihre Landsleute nicht und opfert der Arbeit für die Heimatgemeinschaft viel Zeit. Nicht nur in ihren Schriften, sondern auch in ihren zahlreichen Vorträgen kommt ein selbstkritischer Humor zur Geltung: Grund für ihre Ehrung mit dem Doktor humoris causa sowie mit dem Ritterschlag zum Siebenbürgischen Ritter wider den tierischen Ernst darstellt. Mit heiterer Ergebung unterwirft sich die solchermaßen Geehrte dem nachfolgenden feierlichen Zeremoniell, lässt sich die Schärpe anlegen, lauscht dem Wortlaut des „Adelsbriefes“ und bedankt sich in wohlgesetzter Rede, die getreu ihrer Ehrung den Humor nicht missen lässt.

Als hätte sie prophetische Gaben, erwähnt sie ihr Bedauern, dass dieser Ritterstand zeitlich begrenzt ist, „denn der Siebenbürger hält gerne an seinem Posten fest. Manchmal zu fest und zu lange. Er nimmt das Sägen am Stuhl nicht wahr. Und wenn er es wahrnimmt, hält er es für den sprichwört-lichen Fleiß der Siebenbürger.“ Nach einer Reihe heiterer Passagen beendet Frau Doktor humoris causa Dagmar Zink ihre Rede mit der Anekdote vom Schiff des Christoph Columbus, der doch statt die Welt zu umsegeln Amerika entdeckt hatte. Als damals nach ihrem ersten Landurlaub zwei Siebenbürger nicht pünktlich aufs Schiff zurück kamen und er sie zur Rede stellt, erwiderten diese, noch keuchend vor Eile: „Wir bitten um Entschuldigung, Herr Columbus, aber wir haben Landsleute getroffen“. Nach ihren letzten Worten ordneten sich die Akteure um die Geehrte zu einer letzten, musikalisch passend untermalten Runde durch den Saal. Spontan ging der Musiker zu Tanzrhythmen über und im Nu füllte sich der Saal mit fröhlichen Tänzern. Dank unseres fleißigen Alleinunterhalters Helmut Gehann waren die Tanzpausen selten. Als dann tatsächlich eine kam, erlebten wir den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela M. (alias Wibke Backu) mit der Interviewerin Maybrit I. (alias Helga Schuller). Unter anderem wurde Frau Angela (A) von Maybrit (M) getadelt, dass sie die sich zwar für die Deutschen in Rumänien interessiere, aber die Städte, in denen früher die meisten Siebenbürger Sachsen gelebt hätten, nicht besucht habe. A bedauerte dies, aber leider habe sie nicht überall sein können, freue sich aber umso mehr, heute an einem siebenbürgischen Fasching mit Ritterkür teilnehmen zu dürfen. M: „Wissen Sie, liebe Frau Angela, wer der erste siebenbürgische Ritter wider den tierischen Ernst war?“ - A: „Natürlich weiß ich das, ich habe mich, bevor ich her kam, genauestens informiert. Das war der aus Reps stammende Paul Schuller.“ M ruft Paul herbei und stellt ihn vor. A ist entzückt: „Sie sind aber ein charmanter Mann, Herr Schuller, schade dass ich Sie nicht in mein Kabinett aufnehmen kann, sie sind leider viel zu alt“. Worauf Paul deutlich betroffen das Feld räumt. Zum Abschluss entzückt noch ein – fast – echter Karpatenbär die Kanzlerin und tanzt zu den heißen Rhythmen, die Koni Backu seiner Geige entlockt, über die Bühne. Nachdem Frau A versprochen wurde, sie nächstes Jahr ebenfalls zum Ritter zu schlagen, verabschiedet sie sich sichtlich erfreut über die große Ehre und den schönen Abend. Damit war die Tanzpause beendet und in Sekundenschnelle wirbelte wieder Alt und Jung zu flotter Musik über die Tanzfläche. Erst zu später Stunde war der siebenbürgische Faschingsball leider zu Ende!

Hans Mendgen

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Ritterkür 2011 in Rottweil

Schlagwörter: Ritterkür, Rottweil, Foederatio Saxonica Transsilvana

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  • 02.04.2011, 07:49 Uhr von Berndt1946: Glückwunsch, Daggi! Bernd M. [weiter]

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