8. April 2023

„Deportation aus Rumänien und Ungarn in sowjetische Arbeitslager“ – „Malenkij Robot“

Am 25. Februar fand im Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH) eine von Horst K. Dengel, Vorsitzender der Kreisgruppe Düsseldorf, initiierte und in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Winfried Halder, Leiter des GHH, organisierte Veranstaltung zum Thema „Deportation aus Rumänien und Ungarn in sowjetische Arbeitslager“ statt. Nach der Vorführung des ungarischen Spielfilms „Ewiger Winter“ („Örök Tél“), der zum Gedenken an die Opfer der Russland-Deportation gedreht wurde, folgten ein Podiumsgespräch und Diskussionen.
Generalkonsul Gergo˝ Szilágyi bei seiner ...
Generalkonsul Gergo˝ Szilágyi bei seiner Begrüßungsansprache, im Hintergrund Plakate des Filmes. Foto: Anna Dengel
An der mit über 70 Teilnehmern über Erwartung gut besuchten Veranstaltung nahmen als Ehrengäste der Ungarische Generalkonsul von Düsseldorf, Gergő Szilágyi, sowie der speziell zu diesem Anlass angereiste ungarische Historiker Dr. Gábor Szilágyi, wissenschaftlicher Mitarbeiter des ungarischen „Komitees der Nationalen Erinnerung“ („Nemzeti Emlékezet Bizottsága“), teil. Die Moderation hatte Horst K. Dengel.

Nach einer kurzen Begrüßung und einführenden Worten zum Thema Deportation von Professor Halder spannte Generalkonsul Gergő Szilágyi in seiner Ansprache einen großen Bogen von den Gräueln des 2. Weltkrieges, den Vertreibungen und Deportationen bis hin zum heutigen Krieg in der Ukraine mit einem Appell für Hilfe an die Ukraine, für schnellstmögliche Beendigung des Krieges und gerechten Frieden. Aus dem Vortrag von Dr. Gábor Szilágyi war zu erfahren, dass, genau wie aus Rumänien und aufgrund derselben Bestimmung Stalins (Nr. 7161/16.12.1944), auch aus Ungarn bzw. den ehemals zu Ungarn gehörenden Gebieten Jugoslawiens oder der Ukraine (Transkarpatien) sowie weiteren Ostblockstaaten zwischen 1944-1949 zahllose deutsche Zivilisten, Frauen und Männer zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden. Die Deportationen in Ungarn begannen bereits im Dezember 1944. Laut Internetrecherche des Verfassers dieses Berichts variiert die Anzahl der aus Ungarn deportierten Opfer in den einschlägigen Quellen zwischen über 60.000 (https://ldu-online.de) bis über 130.000 (https://hu.wikipedia.org/wiki/M%C3%A1lenkij_robot).

Szilágyi teilte mit, dass diese Deportation, welche sich in Ungarn mit der Bezeichnung „Malenkij Robot“, etwa „kleine Arbeit“, in die kollektive Erinnerung eingeprägt hat, bis in die 1990er Jahre ein „staatlich verordnetes Tabu“ war. Mittlerweile würde jedoch sowohl für die Erforschung als auch für die breitere Bekanntmachung in der Gesellschaft und für das Gedenken an die Opfer viel getan. Es gibt Denkmäler und dauerhafte Ausstellungen. 2012 wurde der 25. November offiziell als „Gedenktag für die in die Sowjetunion verschleppten ungarischen politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter“ eingeführt.

Horst Dengel referierte über die Deportation von Rumäniendeutschen, über den geschichtlichen Kontext, die Planung und Durchführung der Verschleppungen. Aus Rumänien wurden etwa 70000 Angehörige der deutschen Minderheiten deportiert. Die Zwangsrekrutierungen begannen hier im Januar 1945. Offizielle Versuche, die Zwangsdeportation zu verhindern, blieben erfolglos. Einigen Personen gelang es, sich den Rekrutierungen z.B. durch Verstecken in den Bergen, Heirat mit einem rumänischen Partner, Adoption oder Bestechung zu entziehen. Auch in Rumänien waren offizielle Forschungen zum Thema Deportation erst nach 1989-90 möglich. Horst Dengel erwähnte den Roman „Die Atemschaukel“ von der 2009 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Herta Müller, das bekannteste deutschsprachige literarische Werk zum Thema Lagerleben.

Nach einer Kaffeepause und einer kurzen Einführung durch Professor Halder folgte die Filmvorführung. Der äußerst beeindruckende Film, in Deutschland mit dem Untertitel „Die Vergessenen des 2. Weltkrieges“ ergänzt, wurde 2017 gedreht. Das Drehbuch zum Film basiert auf einer Novelle von János Havasi und beruht auf wahren Begebenheiten und persönlichen Erinnerungen des Autors. Regisseur war Attila Szász, Drehbuchautor Norbert Köbli. Im Film geht es um eine Gruppe von Frauen, um ihre Zwangsrekrutierung in der Weihnachtszeit, ihren Transport bei eisiger Kälte im ungeheizten Viehwagon in den Donbass, ihren Fußmarsch durch die eisige, unendliche Winterlandschaft, ihre Ankunft im Lager, schwerpunktmäßig jedoch um die lange Zeit des Lebens im Lager und der Arbeit im Kohlebergwerk. Im Zentrum der Handlung steht das Schicksal einer deportierten jungen Frau, die durch alle nur erdenkbaren Tiefen, aber auch Höhen des Lagerlebens gehen musste.

Das anschließende Podiumsgespräch bestritten Enni Janesch, Barbara Gaug, Dr. Gábor Szilágyi und als Moderator Horst Dengel. Frau Janesch erinnerte sich an die Deportation ihrer Mutter. Enni Janesch war damals vier Jahre alt, wurde von ihren Großeltern versorgt und konnte ihre Mutter erst nach 13 Jahren wieder sehen! Frau Gaug stammt aus dem Banat, ihre beiden Eltern und beide Großväter waren fünf Jahre lang im Lager. Auch Angehörige Dr. Szilágyis waren deportiert, seine Großmutter war von 1945 bis 1949 im Lager. Sie betonten, dass es wichtig sei, die Erinnerung an die Deportation als geschichtliches Geschehen und zur Mahnung wach zu halten. Die Deportation habe nicht nur das Schicksal der unmittelbar Betroffenen traumatisch geprägt, sondern auch ihre Nachkommen und die gesamte ethnische Gruppe. Unter den vielen Wortmeldungen aus dem Publikum sei eine Frau erwähnt, die in Jekaterinburg, Oblast Swerdlowsk in der Sowjetunion geboren wurde und deren Eltern und Großeltern gleichzeitig deportiert waren.

Ein ganz herzliches Dankeschön gebührt Anna Dengel für das liebevoll vorbereitete, reichhaltige und schmackhafte Kaffee-, Kuchen- und Erfrischungsangebot! Auf der Webseite des Ungarischen Generalkonsulats Düsseldorf befindet sich ebenfalls ein Bericht mit Fotos zu dieser Veranstaltung.

U. Ch. Baiersdorf

Schlagwörter: Russlanddeportation, Düsseldorf, Ungarn

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