8. Juni 2010

Internationale Akzente gesetzt: Erforschung und Präsentation deutscher Kultur Südosteuropas

Die Gremiensitzungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS) fanden kürzlich in den Räumlichkeiten des Instituts statt. Regierungsvertreter und Wissenschaftler aus Bonn, München, Potsdam, Herne, Landau, Tübingen, Erlangen, Regensburg, Graz, Budapest und Hermannstadt nahmen daran teil.
Der Direktor und Vorstandsvorsitzende des IKGS, Prof.h.c.Dr. Stefan Sienerth, begrüßte die Gäste, darunter Ministerialrätin Sabine Deres, die als Vertreterin des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) an den Sitzungen des Vorstands und des Kuratoriums teilnahm. Ebenso dankte der IKGS-Direktor dem Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, ORR Christoph Sander, für dessen Teilnahme an der Kuratoriumssitzung.

Als Vorsitzende des Kuratoriums stellte Frau Deres die Notwendigkeit der Förderung jener Institutionen heraus, die sich zeitgemäß mit der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa beschäftigen. Sie leisteten einen entscheidenden Beitrag für die Erforschung und Präsentation der deutschen Kultur im europäischen Rahmen und erfüllten damit die im § 96 BVFG festgelegten Zielsetzungen des deutschen Gesetzgebers.

Tagungen und Publikationen 2009

In seinem Bericht über die Tätigkeit des Instituts betonte Professor Sienerth, dass das vergangene Jahr ganz im Zeichen mehrerer Tagungen mit überregionaler Resonanz gestanden habe. Zu den herausragenden Ereignissen habe der VIII. Kongress der Germanisten Rumäniens in Klausenburg vom 25. bis 28. Mai 2009 gehört, in dessen Rahmen auch die Feier zum fünfjährigen ­Bestehen der Stiftungsprofessur der Bundesrepublik Deutschland stattfand. Die Stiftungsprofessur für „Deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa“ an der Klausenburger Universität wurde 2004 bis 2009 vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert und vom IKGS begleitet. Der Lehrstuhl unter der Leitung von Prof. Dr. András Balogh wird seither von der Klausenburger Universität in Eigenregie weitergeführt. Zu diesem feierlichen Anlass richteten Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Andrei Marga, Rektor der Babeș-Bolyai-Universität, Roland Lohkamp, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, und Ministerialrätin Sabine Deres, Leiterin des Referats Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Grußworte an die Teilnehmer des Festaktes. Prof. Stefan Sienerth hielt den Festvortrag. Unter der Leitung von Prof.h.c. Dr. Peter Motzan, stellvertretender Direktor des IKGS, referierten zwanzig ausgewiesene Vertreter des Faches im Rahmen der Sektion „Zwanzig Jahre danach. Ein Rückblick: Rumäniendeutsche Literatur (1948-1989) im kommunistischen Einparteienstaat. Entstehungsgeschichtliche Rekonstruktion und rezeptionsästhetische Neudeutung“.

Aus interdisziplinärer Sicht beleuchtete eine Tagung, die das IKGS in Zusammenarbeit mit der Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen Südosteuropas, der Universität Graz und dem Burgenländischen Landesarchiv vom 24. bis 26. September 2009 im österreichischen Eisenstadt veranstaltete, den Themenkomplex „Das Dorf in den Literaturen Südosteuropas (19.-20. Jahrhundert)“. Neben zahlreichen Wissenschaftlern aus Österreich, Deutschland, Ungarn, Slowenien und Rumänien nahmen im Rahmen eines Nachwuchsseminars auch Studierende und Jungakademiker teil.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses baute das IKGS 2009 deutlich aus. An der 24. Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche des Kreises Studium Transylvanicum beteiligte sich das IKGS als Förderer und Mitveranstalter. Vom 31. August bis 5. September 2009 nahmen im siebenbürgischen Deutsch-Weißkirch 25 Studierende und Jungakademiker aus Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien an der Tagung „Siebenbürgen – Lesen – Lernen“ teil. Zusammen mit dem Siebenbürgen-Institut an der Universität Heidelberg, der Akademie Mitteleuropa Bad Kissingen und dem Ungarischen Institut veranstaltete das IKGS in Regensburg das neunte Diplomanden- und Doktorandenkolloquium zur Geschichte und Gegenwart des Donau-Karpatenraums. Es bot vom 9. bis 11. November 2009 insgesamt 23 Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland, Großbritannien, Polen, Österreich, Ungarn und Rumänien die Möglichkeit, ihre entstehenden Diplom- bzw. Magisterarbeiten und Dissertationen unter fachkundiger Anleitung der anwesenden Experten vorzustellen.

Internationale Aufmerksamkeit erregte die Arbeit des IKGS 2009 vor allem durch die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Herta Müller. Am 12. November war die Schriftstellerin zu Gast in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München. Etwa tausend Gäste zog Herta Müller in ihren Bann, als sie aus ihrem Roman „Atemschaukel“ las. In die vom IKGS, dem Literaturhaus München und dem Hanser Verlag veranstaltete Lesung führte Stefan Sienerth ein, der auch das Gespräch mit der Schriftstellerin moderierte. Mit noch größerer Resonanz in den überregionalen Medien wurde die Tagung „Deutsche Literatur in Rumänien im Spiegel und Zerrspiegel der Securitate-Akten“ wahrgenommen.

An der vom IKGS in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Nationalrat für das Studium der Securitate-Archive (CNSAS, Bukarest) durchgeführten Veranstaltung nahmen am 7. und 8. Dezember 2009 in München rund 250 Interessierte teil. Eröffnet wurde die Tagung durch die Grußworte des IKGS-Direktors, der Generalkonsulin von Rumänien in München, Brândușa Ioana Predescu, des Wissenschaftlichen Direktors Prof. h. c. Dr. Konrad Gündisch, in Vertretung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie des CNSAS-Präsidenten Univ.-Doz. Dr. Ladislau Csendes. Zahlreiche Schriftsteller und Literaturkritiker, die vormals im rumäniendeutschen Literaturbetrieb mitgewirkt hatten und in der Bundesrepublik Deutschland als anerkannte Autoren tätig sind, hatten sich als Betroffene bereit erklärt, auf der Tagung anhand der geheimdienstlich über sie gehorteten Materialien über ihre Vergangenheit zu sprechen. Gezeigt wurde auch eine Ausstellung des CNSAS mit Dokumenten aus dem Bukarester Archiv zur Aufarbeitung der Securitate-Akten. Die Ausstellung wurde bis Ende Mai 2010 in den Räumlichkeiten des IKGS gezeigt.

Im vergangenen Jahr arbeiteten mehrere deutsche und ausländische Studierende und Doktoranden, zum Teil als Stipendiaten des IKGS, in der Bibliothek und im Archiv des Instituts. Dessen Direktor konnte auch eine positive Bilanz der universitären Lehrveranstaltungen ziehen, die von den wissenschaftlichen IKGS-Mitarbeiter/innen an der LMU München und an Partneruniversitäten des östlichen Europa angeboten wurden.

Seinen Bericht schloss Sienerth mit einem Überblick über die 2009 erschienenen Publikationen ab. Neben der institutseigenen Vierteljahresschrift „Spiegelungen“ wurden der Tagungsband „Wahrnehmung der deutsch(sprachig)en Literatur aus Ostmittel- und Südosteuropa – ein Paradigmenwechsel?“ (hrsg. von Peter Motzan und Stefan Sienerth), der Interviewband „Das Dorf im Kopf. Erinnerungen aus dem rumänischen Banat“ (hrsg. von Harald Heppner) und „Die Buche. Eine Anthologie deutschsprachiger Judendichtung aus der Bukowina“ (Aus dem Nachlass Alfred Margul-Sperbers hrsg. von George Guțu, Peter Motzan und Stefan Sienerth) veröffentlicht. Insbesondere „Die Buche“ erfreute sich einer überragenden Resonanz in den Feuilletons deutscher und internationaler Zeitungen und Fachzeitschriften.

Veranstaltungen 2010

Das neue Konferenzjahr wurde durch das Symposium „Wurzeln, Protagonisten und Ideen im siebenbürgischen Unitarismus und ihre Rezeption im (Spät)humanismus und in der Geisteswelt Europas“ eingeleitet, das vom IKGS in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und dem örtlichen Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur vom 12. bis 14. März in Klausenburg durchgeführt wurde. In der zweiten Jahreshälfte wird sich das IKGS an der internationalen Tagung „Deutschsprachige Literatur und Kultur im regionalen und internationalen Kontext“ beteiligen, die vom 9. bis 11. September 2010 in der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt Fünfkirchen stattfindet.

Zusammen mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und dem Historischen Institut der Universität Jena wird das IKGS vom 24. bis 26. September 2010 in Jena die Tagung „Die Securitate in Siebenbürgen“ durchführen und damit an einen thematischen Schwerpunkt des vergangenen Jahres anknüpfen. In diesem Rahmen wird auch die überarbeitete Ausstellung des CNSAS „Rumäniendeutsche Schriftsteller im Spiegel und Zerrspiegel der Securitate-Akten“ vorgestellt.

Auch in diesem Jahr bleibt die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein zentrales Anliegen des IKGS. Schon jetzt sind alle Interessierten herzlich eingeladen, an der 25. Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche für Nachwuchswissenschaftler des Kreises Studium Transylvanicum zum Thema „Kronstadt und das Burzenland“ teilzunehmen, die vom 6. bis 11. September 2010 im siebenbürgischen Wolkendorf stattfindet. Als Mitveranstalter wird sich das IKGS auch am diesjährigen 10. Internationalen Diplomanden- und Doktorandenkolloquium beteiligen, in dessen Rahmen aktuelle Projekte zur Geschichte und Gegenwart des Donau-Karpatenraums vorgestellt werden. Die in Kooperation mit dem Siebenbürgen-Institut, dem Ungarischen Institut und der Akademie Mitteleuropa geplante Veranstaltung wird vom 7. bis 10. November 2010 Nachwuchswissenschaftler in Bad Kissingen zusammenführen.

Abgeschlossen wird das laufende Konferenzjahr durch zwei Tagungen in Siebenbürgen. In Zusammenarbeit mit der Universität Klausenburg wird das IKGS am 26. und 27. November in Klausenburg die internationale Tagung „Deutsche und andere Minderheiten in den nationalkommunistischen Systemen Ostmittel- und Südosteuropas 1964-1989“ veranstalten. Ende November findet in Hermannstadt die vom dortigen Germanistiklehrstuhl in Kooperation mit dem IKGS geplante germanistische Fachtagung „Aspekte der literarischen Interkulturalität im rumänischen Raum“ statt.

Ausführungen über die für das laufende Jahr geplanten Vorträge und Publikationen der vier wissenschaftlichen IKGS-Mitarbeiter/innen, Prof. h. c. Dr. Stefan Sienerth, Prof. h. c. Dr. Peter Motzan, Dr. Juliane Brandt und Dr. Gerald Volkmer, ergänzten den Bericht. Seit dem 1. September 2009 ist der Filmregisseur Günter Czernetzky für das Archiv des IKGS verantwortlich. Seinem Vorgänger, Dr. Helmut Kelp, sprach die Institutsleitung Dank und Anerkennung für die langjährige Betreuung des IKGS-Archivs aus. Im Anschluss daran informierte der Direktor über den Ausbau des Archivs sowie der IKGS-Fachbibliothek, die mit ihren einzigartigen Beständen zur Kultur und Geschichte der Deutschen in und aus Südosteuropa allen Interessierten offen stehen und im OPAC des Instituts sowie im Bibliotheksverbund Bayern (BVB) weltweit online recherchierbar sind. Weitere Hinweise zur Tätigkeit des IKGS bietet die aktualisierte Webseite des Instituts (www.ikgs.de).

In den Aussprachen wurden die Berichte intensiv diskutiert, ebenso ein audiovisuelles Projekt zur Dokumentation der siebenbürgisch-sächsischen Mundarten, das der Projektleiter IKGS-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Thomas Krefeld präsentierte. Die Kuratoriums- und Vereinsmitglieder dankten dem IKGS für die Arbeit des vergangenen Jahres und erklärten sich bereit, den Ausbau der europaweiten Vernetzung des Instituts zu unterstützen.

GV

Schlagwörter: IKGS, Forschung, Südosteuropa

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