14. Februar 2011

„Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch“: Lesung mit Frieder Schuller

Einen Artikel für eine große deutsche Tageszeitung habe er schreiben sollen. Doch Frieder Schuller lehnte ab. Stattdessen setzte er sich an seinen Schreibtisch und verfasste ein Theaterstück.
„Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch. Ein rumänischer Volkstanz mit wechselnden Paaren“ ist Schullers Beitrag zur Diskussion um die Securitate-Mitarbeit des Lyrikers Oskar Pastior. Das Stück stellte Frieder Schuller erstmals am 21. Januar bei einer Lesung in der Berliner Humboldt-Universität vor. Organisiert hatte die Lesung die Literaturwissenschaftlerin Michaela Nowotnick, die im Wintersemester ein Seminar über „Rumäniendeutsche Literatur zwischen 1957 und 2009“ hielt. In seinem neuestem Theaterstück thematisiere Schuller den Konflikt um die Mitarbeit Oskar Pastiors im rumänischen Geheimdienst Securitate, erklärte Nowotnick den gut 60 Zuhörern.

Die Debatte um die Person Pastior entzündete sich vergangenen Herbst, nachdem Stefan Sienerth, Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, die Verpflichtungserklärung Pastiors entdeckte und veröffentlichte. Als ein langjähriger Freund des verstorbenen Lyrikers Oskar Pastior präsentierte sich der in Berlin lebende Frieder Schuller bei der Lesung. Dieser, der Anfang Januar selbst in einem Bericht des Magazins „Spiegel“ im Zusammenhang mit der Securitate genannt wird, erwies sich als Fürsprecher Pastiors. Bislang fehlten Beweise, dass Pastior Kollegen und Freunde geschadet habe, sagte Schuller in der Diskussion nach der Lesung. Er verstehe sein Stück als eine Verteidigung des Dichters und wehre sich gegen die posthume „Schändung“ des Pastior-Werks.
Frieder Schuller stellte in Berlin seinen Beitrag ...
Frieder Schuller stellte in Berlin seinen Beitrag zur Securitate-Diskussion um Oskar Pastior vor. Foto: Holger Wermke
Den Decknamen seines Freundes „IM Stein Otto“ greift der gebürtige Katzendorfer im Titel des Stückes auf. Im Mittelpunkt steht der zur Kunstfigur verfremdete „Rundfunkreporter Ossi“, der sich dem „Flittchen Poesie Silvia“ verkauft, ein Sinnbild für die vom Staat zwangsweise deformierte Literatur. Zusammen mit dem „Genossen Dan“, „Handlanger Paul“ und dem „politischen Witz Nicu“ umgarnen sie „Ossi“, streiten, diskutieren und drohen in wechselnden Konstellationen. Das Stück präsentiert sich als eine Reihung kurzer Szenen, die Schuller als „Hora“ oder „Begegnungen“ bezeichnet. Der Autor rekonstruiert die Lebenswelt des kommunistischen Rumänien der 1960er und 1970er Jahre mit ihren Mängeln, Zwängen und dem allgegenwärtigen Schatten der Sicherheitspolizei. Moralischen Schutz gewährt er der Hauptfigur durch Verweise auf deren vorangegangene Erfahrungen – in russischen Arbeitslagern und beim rumänischen Militärarbeitsdienst – sowie deren Homosexualität, die „Ossi“ erpressbar machte.

Beim Publikum stieß die Lesung auf gemischte Reaktionen. Einem Professor des Germanistik-Instituts waren die Personen zu schematisch und klischeehaft, andere Zuhörer kritisierten die melodramatische Herangehensweise Schullers an die Thematik. Zahlreiche Zuhörer kannten Pastior persönlich und bemängelten die Unterschiede zwischen dem Protagonisten des Stückes und dem Menschen.

Holger Wermke

Schlagwörter: Oskar Pastior, Lesung, Theater, Securitate, Literatur

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Neueste Kommentare

  • 15.02.2011, 11:32 Uhr von harz3: Ts, ts ts, ... was hat man hier so negativ bewertet? Wermkes guten Bericht oder Schullers nicht so ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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