6. Juli 2011

Feinsinniger Buchmacher: Zum Tod des Kronstädters Hermann W. Schlandt

Mit dem am 5. Juni 2011 fast 87-jährig verstorbenen Hermann Schlandt – er wurde am 22. Juli 1924 in Kronstadt geboren, – verliert die Gemeinde der Kronstädter Sachsen einen der letzten umfassenden Kenner ihrer Kultur-, Kunst-, Literatur- und Gesellschaftsgeschichte insbesondere der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Der einer weit verzweigten bekannten und geschätzten Bürgerfamilie Kronstadts entstammende Mann war wie kaum noch ein zweiter seiner Generation in der Lage, authentisch und detailliert Auskunft zu geben, sei es z.B. über die Jahrzehnte langen Renovierungsarbeiten an der Schwarzen Kirche, über die Buchautoren seiner und seiner Vatergeneration, über familiäre Verbindungen in der „Stadt im Osten“, über die einstigen Bibliotheken und Museen u.v.a.
Die Kenntnisse gehörten gleichsam zum geistigen Familienerbe: Hermann Schlandt war der Sohn des letzten Chefredakteurs der traditionsreichen „Kronstädter Zeitung“, die 1849 aus dem 1837 gegründeten „Siebenbürgischen Wochenblatt“ hervorging und bis 1944 erschien, der Vetter des Kunstwissenschaftlers und Kulturphi­losophen Walter Myss (1920-2008), zu seiner Verwandtschaft gehörten die Musiker Walter (1902-1979) und Eckart Schlandt (*1940) u.a.

Hermann W. Schlandt ist auch ein Freund der ...
Hermann W. Schlandt ist auch ein Freund der modernen Kunst gewesen, hier bei einer Vernissage 2001 in München. Foto: Konrad Klein
Hermann Schlandt wurde als Achtzehnjähriger – kurz nach Ablegung des Abiturs am Honterus-Gymnasium seiner Vaterstadt – wie die meisten seines Jahrgangs in den Krieg hineingerissen, den er als Soldat der deutschen Armee schwer verwundet überlebte; sein ganzes Leben hindurch bereiteten ihm die Folgen der Verwundungen Gesundheitsprobleme. So war er erst 1953 in der Lage, in München eine Buchhandelslehre abzuschließen und beruflich Fuß zu fassen: 36 Jahr lang arbeitete er im renommierten Verlagshaus Hanser und lernte hier nicht allein die Buchproduktion des Hauses, sondern darüber hinaus die ganze deutsche Verlagswelt kennen. Ein Gespräch mit ihm über Autoren, Verleger, Lektoren und Hintergründe des deutschen Buchwesens in der zweiten Jahrhunderthälfte öffnete Einblicke, zu denen nur ein Insider fähig war. An allem interessiert, was vor allem das Leben auch der in den Westen emigrierten Kronstädter Landsleute anging, gehörte er zu den Persönlichkeiten der ersten Stunde bei der Gründung der „Neuen Kronstädter Zeitung“ 1985 in München und verfasste für die erste Folge einen „Rückblick über einhundert Jahre Zeitungsgeschichte“. 1990 übernahm er vom Gründer der Zeitung, (Dr.) Harald Roth, die Schriftleitung, die er bis 1994 innehatte. Er besorgte in dieser Zeit einen Neudruck – Reprint – der im Jahr 1936 von seinem Vater in Kronstadt erarbeiteten Ausgabe zum 100. Jahresjubiläum der „Kronstädter Zeitung“ – ein Dokument Kronstädter und siebenbürgisch-sächsischer Kultur- und Sozialgeschichte von nicht zu überschätzendem Wert. Die Sorge um die nach 1989/90 wesentlich geschrumpfte sächsische Gemeinde in Kronstadt ließ ihn zum Motor für unterschiedlichste Hilfsaktionen werden: Er leitete Geld- und Hilfssendungen ein, organisierte den Transport einer technischen Ausstattung für eine Druckerei in Kronstadt und machte sich durch Besuche ein Bild von der Lage.

Hermann Schlandt lebte mit seiner Frau Gertrud in Starnberg am See, zuletzt in Starnberg-Percha; er hinterlässt drei Kinder, Enkel und ­Urenkel. Wenn auch in den letzten Jahren zunehmend zurückgezogen, so trauern über die Familie hinaus zahlreiche Freunde und Bekannte um den tüchtigen, hilfsbereiten und kenntnisreichen Mann.

HB

Schlagwörter: Kronstadt, Nachruf, Journalismus

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