1. Oktober 2011

Internationaler Kongress für Hungarologie in Klausenburg

Vom 22.-27. August tagte in Klausenburg der VII. Internationale Kongress für Hungarologie, veranstaltet von der Internationalen Gesellschaft für Hungarologie (Nemzetközi Magyarságtudományi Társaság) mit Sitz in Budapest.
Dass die Konferenz in diesem Jahr in Klausenburg, ausgerichtet von der Babeș-Bolyai-Universität, stattfand, ist insofern ein Novum, als es zwar bisher Zusammenkünfte nicht nur in Budapest, Szeged und Debrecen, sondern auch in Wien, Rom und Jyväskylä gegeben hatte, noch nie jedoch in einer Universitätsstadt eines Nachbarlandes, die vor dem Ersten Weltkrieg zum historischen Ungarn gehört hatte. Die unter dem Patronat von Traian Băsescu, dem Präsidenten Rumäniens, und Pál Schmidt, dem Präsidenten der Republik Ungarn, veranstaltete Tagung, zu deren Eröffnung auch Andrei Marga als Rektor der Universität Klausenburg ein Grußwort sprach, kann daher als Schritt zu einer weiteren Veralltäglichung der im wissenschaftlichen Alltag bereits gepflegten Zusammenarbeit betrachtet werden.

Diesjähriges Thema der alle fünf Jahre abgehaltenen Veranstaltung war „Sprache und Kultur in der sich wandelnden Region“. Die mehr als 500 Teilnehmer, die die überall in der Stadt verteilten Tagungsorte – von der Ungarischen Oper über die Philologische Fakultät, das Echinox-Gebäude, das Hauptgebäude der Universität oder das Historische Institut – aufsuchten, verliehen der Stadt hörbar zusätzliche ungarische Akzente. Allerdings ging es nicht nur um ungarische Themen. Die 1977 ursprünglich als philologische Vereinigung gegründete Gesellschaft (http://hungarologia.net/about-iahs/history/) hat sich erst faktisch und dann seit 2002 auch durch Namensänderung und Erweiterung in den Statuten über die Pflege der Literaturgeschichte und Sprachwissenschaft und Fragen der Lehre ungarischer Literatur und Kultur im Ausland hinaus auch zur Geschichte, Volkskunde, Politologie, Soziologie, Musik- und Theaterwissenschaft hin geöffnet. Im Übrigen gab gerade das diesjährige Thema der sich wandelnden – und auch ihre staatlichen Rahmenkonstellationen in den letzten zwei Jahrhunderten vielfach verändernden – Region Anlass, sich auch mit dem Zusammenleben von Magyaren und Rumänen, Slowaken, Südslawen wie auch Deutschen zu beschäftigen. Über die Panels verteilt tauchten derartige „deutsche“ Themen immer wieder einmal auf, von der Geschichte der Aufklärung oder der Presse im Karpatenbecken bis hin zu Rezeptionsbeziehungen im 20. Jahrhundert. Auf einer Sektion über „Argumentationssysteme des Wirtschaftsnationalismus“ (András Vári, Universität Miskolc) wurden u.a. auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der „Abrechnung“ am Beispiel der ungarndeutschen Siedlung Harta 1945-1959 (Ferenc Eiler) analysiert. Daneben befasste sich das von András F. Balogh (Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur, Universität Klausenburg) abgehaltene Panel ausdrücklich mit deutsch-ungarischen literarischen Beziehungen. Die Themen reichten von deutschen Reisebeschreibungen aus der Zeit der Türkenkriege über Schesäus, E. W. Happel und Daniel Speer bis hin zu dem in Freiburg wirkenden Wilhelm Szilasi und seinem ungarischen Netzwerk nach 1945 (Klára Berzeviczy, Katalin Cziczka, Péter Lőkös, Brigitta Pesti, Gábor András Tóth, Orsolya Lénárt, Zeit Veit, Zoltán Szalai).

Auch das von Mitarbeiterinnen des Historischen Instituts der Universität Klausenburg bzw. des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München (Judit Pál, Juliane Brandt) organisierte Panel über die „Praxis der politischen Integration“ ging Fragen des Verhaltens von Slowaken, Rumänen, Siebenbürger Sachsen und Banatern gegenüber staatlichen Institutionen und politischen Rahmenbedingungen wie auch der Sprachenwahl der historischen Akteure nach. Zwei russische Teilnehmerinnen analysierten die Vielsprachigkeit der ungarischen Verwaltung unter Karl III. und Maria Theresia und das Verhältnis von Sprache und Kontext, wobei sie einige Annahmen über die Rolle des Lateinischen, die Marginalisierung des Ungarischen oder den erst auf Joseph II. zurückgehenden Wunsch nach einer deutschsprachigen Geschäftsführung gründlich in Frage stellten (Tatjana Gusareva, Olga Khavanova). Andere Beiträge untersuchten die lokalen, u.a. sächsischen Reaktionen auf die seit dem Ausgleich von 1867 geplante Gebietsreform, verglichen die Wissenschaftspolitik des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde und des Siebenbürgischen Museumsvereins oder untersuchten die Reaktionen der Sathmarer Schwaben auf rumänische und deutsche Versuche ihrer Re-Germanisierung (András Cieger, Zsuzsa Török, Bernadette Baumgartner). Ein weiterer Block von Referaten ging Fragen der Sicht sächsischer und oberungarischer deutscher Presseorgane auf das Parlament und das Wirken der eigenen Abgeordneten ebendort nach (Enikő Dácz, Juliane Brandt, Judit Pál).

Der nächste Internationale Kongress für Hungarologie wird 2016 in der Kulturhauptstadt Europas von 2010, in Fünfkirchen/Pécs, stattfinden.

Juliane Brandt

Schlagwörter: Kongress, Klausenburg, Hungarologie

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