15. Juni 2012

Zur Situation des deutschsprachigen Bildungswesens in Siebenbürgen nach der Schulstatistik 2011/2012

Die Schulkommission des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien erfasste im Schuljahr 2011/2012 insgesamt 20 533 Kinder und Schüler in deutschsprachigen Einheiten und Abteilungen vom Kindergarten bis zum Lyzeum. Die Gesamtzahl der Kinder und Schüler, die deutschsprachige Bildungseinrichtungen besuchen, ist damit von 18808 im Schuljahr 2009/10 über 19408 im Schuljahr 2010/11 auf 20533 im Schuljahr 2011/12 angestiegen. Die Zunahme beträgt im Kindergarten 1335 Kinder (!), in der Allgemeinschule 251 Schüler, im Lyzeum 139 Schüler. Bei dem nachfolgenden Versuch, die Situation in den einzelnen Stufen des Bildungswesens zu skizzieren, beschränken wir uns auf Siebenbürgen.
Kindergärten: In Siebenbürgen gibt es in diesem Schuljahr 89 deutschsprachige Kindergärten bzw. Abteilungen in 35 Orten (allein in Hermannstadt 18, in Kronstadt 11) mit zusammen (Tabelle) 3769 Kindern. Die große Zahl zeigt, dass sehr viele rumänische Eltern Interesse daran haben, dass ihre Kinder Deutsch lernen. In den letzten Jahren wurden auch private deutschsprachige Kindergärten gegründet. Die Kindergärten sind in der Regel relativ kleine, überschaubare Einheiten mit ein bis vier Gruppen, nur ein Kindergarten hat fünf Gruppen und nur acht Kindergärten werden von über hundert Kindern besucht. Die durchschnittliche Gruppengröße beträgt 23 Kinder. Die rasch angewachsene Zahl der Kinder in den Kindergärten lässt vermuten, dass hier auch Erzieherinnen arbeiten, die keine Berufsqualifikation erworben haben.

Allgemeinschulen: Die Begriffe „Deutsche Schulen“ und „Deutschsprachiges Schulnetz“, die in Rumänien verwendet werden, umfassen gerade auf der Stufe der „Allgemeinschulen“ mit den Klassen 1 bis 8 sehr unterschiedliche Institutionen: Das Spektrum reicht von dem Schulkomplex mit je fünf Parallelklassen, wie an der Honterusschule in Kronstadt, bis zur einklassigen Grundschule mit fünf Schülern. In Städten ist manchmal die (oder eine) Allgemeinschule mit dem jeweiligen Lyzeum organisatorisch zu einem Schulkomplex verbunden, so in Bistritz, Fogarasch, Klausenburg, Kronstadt und Schäßburg.

In Siebenbürgen gibt es in 29 Orten insgesamt 40 deutschsprachige Allgemeinschulen bzw. Abteilungen, in 19 Gemeinden sind es voll ausgebaute Allgemeinschulen mit den Klassen 1 bis 8, in zehn Gemeinden existiert nur die Grundschule. Fast ein „Kuriosum“ ist es im internationalen Vergleich, dass auch einklassige Grundschulen der nationalen Minderheit mit weniger als zehn Schülern erhalten bleiben, wenn eine Lehrkraft zur Verfügung steht: In diesem Schuljahr werden in Botsch vier, in Neudorf und Seiden fünf, in Burgberg neun und in Alzen elf Schüler „simultan“ unterrichtet. Weggefallen sind die deutschsprachigen Grundschul-Abteilungen in Broos, Nadesch, Nußbach und in den stadtnahen Gemeinden Schellenberg und (schon vorher) Groß­au, aber die deutschsprachigen Kindergarten-Abteilungen blieben erhalten.
Gassenansicht des „neuen Gymnasiums“ in Mediasch ...
Gassenansicht des „neuen Gymnasiums“ in Mediasch im Jahr seiner Entstehung 1912.
Die Zahl der in deutscher Sprache unterrichteten Fächer ist sehr unterschiedlich, sie schwankt zwischen zwei und dreizehn. Es gibt deutschsprachige Abteilungen, in denen in einzelnen Klassen außer dem Fach Deutsch (nach dem Lehrplan „Deutsch als Fremdsprache“ in den rumänischen Schulen) nur noch zwei weitere Fächer in deutscher Sprache unterrichtet werden, weil deutschsprachige Fachlehrer fehlen. Hier handelt es sich eigentlich nicht um „deutschsprachigen Unterricht“, sondern um „erweiterten Deutschunterricht“. Von diesen Zahlen sollte man nicht vorschnell auf die Qualität des Unterrichts schließen: Ein guter Mathematik-Unterricht in rumänischer Sprache ist besser als ein mittelmäßiger oder schlechter in deutscher Sprache oder in einem „radebrechenden“ Deutsch. Doch der gute deutschsprachige Fachunterricht ist in diesen Schulen immer zugleich Sprachunterricht, und deutschsprachige Fachlehrer sind auch für das Schulleben und für das Profil einer Schule wichtig.

Die Analyse der Angaben zu der Frage nach den in deutscher Sprache unterrichteten Fächern zeigt, dass es für Allgemeinschulen offensichtlich schwieriger ist, fachlich und sprachlich qualifizierte Fachlehrer zu gewinnen, als für Lyzeen, und für Landschulen eindeutig schwieriger als für Stadtschulen.

Lyzeen: Von den 18 Lyzeen mit durchgehend deutschsprachigen Klassen vom 9. bis zum 12. Schuljahr liegen zehn in Siebenbürgen. Ich nenne sie hier durchgehend „Lyzeen“, unterscheide nicht zwischen einem „Theoretischen Lyzeum“ und einem „National-Kolleg“ und nenne sie in alphabetischer Reihenfolge der Standorte: das „Liviu Rebreanu“-Lyzeum in Bistritz mit 82 Schülern, das „Decebal“-Lyzeum in Deva mit 67 Schülern, das „Samuel von Brukenthal“-Lyzeum in Hermannstadt mit 471 Schülern, das Pädagogische „Andrei Șaguna“-Lyzeum in Hermannstadt mit 219 Schülern, das „Onisifor Ghibu“-Lyzeum in Hermannstadt mit 96 Schülern, das „George Coșbuc“-Lyzeum in Klausenburg mit 206 Schülern, das „Johannes Honterus“-Lyzeum in Kronstadt mit 422 Schülern, das „Stephan Ludwig Roth“-Lyzeum in Mediasch mit 203 Schülern, das „Al. Papiu Ilarean“-Lyzeum in Neumarkt mit 53 Schülern und das „Joseph Haltrich“-Lyzeum in Schäßburg mit 159 Schülern. Das „Doamna Stanca“-Lyzeum in Fogarasch mit 44 Schülern hatte in diesem Schuljahr keine 12. Klasse. Diese Lyzeen unterscheiden sich nicht nur nach Größe und Tradition.
Zur Erinnerung: Selbständige Schulen, die ausschließlich Klassen mit deutscher Unterrichtssprache führen, gibt es in Siebenbürgen drei: die Honterusschule in Kronstadt mit 1297 Schülern in den Klassen 1 bis 12, die Bruken­thalschule in Hermannstadt mit 850 Schülern in den Klassen 5 bis 12 und die Allgemeinschule „Hermann Oberth“ in Mediasch mit 443 Schülern in den Klassen 1 bis 8. Dazu kommen in Rumänien noch als selbstständige deutschsprachige Schulen das „Deutsche Goethe-Kolleg“ in Bukarest mit 1369 Schülern in den Klassen 1 bis 12, das „Nikolaus Lenau“-Lyzeum in Temeswar mit 1267 Schülern in den Klassen 1 bis 8 und (als inzwischen gut etablierte Schule) das „Johannes Ettinger“-Lyzeum in Sathmar mit 658 Schülern in den Klassen 1 bis 12. Bei allen anderen Schulen handelt es sich um deutschsprachige Abteilungen.

Auch bei den Lyzeen sind die Unterschiede im Blick auf die in deutscher Sprache unterrichteten Fächer groß, die Angaben schwanken zwischen vier und elf Fächern. Es gibt keine Schule, in der alle Fächer, die dem Gesetz nach in deutscher Sprache unterrichtet werden können, tatsächlich auch deutsch unterrichtet werden, Die Situation in den siebenbürgischen „Traditionsschulen“ ist relativ günstig, in der Brukenthalschule und der Honterusschule sind es 9 bis 11 Fächer, im Pädagogischen „Andrei Șaguna“-Lyzeum, bedingt durch die Vielzahl der methodischen Fächer, sogar 12 bis 18 Fächer. Überall macht die Sicherung des fachlich und sprachlich qualifizierten Lehrernachwuchses und in diesem Zusammenhang die Sicherung der Sprachkompetenz große Sorgen.

Ein Nachtrag zur Statistik: Siebenbürgen stellt bei den deutschsprachigen Bildungseinrichtungen in Rumänien überall rund 60 Prozent der Kinder und Schüler: im Kindergarten 60,17 Prozent, in den Allgemeinschulen 59,55 Prozent, in den Lyzeen 57,71 Prozent.

Die Konzentration auf die Städte und in den Städten ist in Siebenbürgen weiter angestiegen: 39,11 Prozent der erfassten Kindergarten-Kinder besuchen Kindergärten in den Städten Hermannstadt und Kronstadt, 48,6 Prozent (!) der Allgemeinschüler besuchen die Schule in diesen beiden Städten, allein 30,05 Prozent in Hermannstadt. Fast die Hälfte (47,43 Prozent) aller erfassten Kinder und Schüler besuchen Bildungseinrichtungen in diesen beiden Städten!

Auf die qualitativen Probleme kann im Rahmen einer Analyse der Statistik nicht eingegangen werden, aber zum Schluss soll daran erinnert werden, dass das schulische Angebot für die Kinder der deutschen Minderheit nur durch das Interesse der Mehrheitsbevölkerung auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden kann“ (Gerold Hermann). Der Anteil der „Kinder der deutschen Minderheit“ liegt an den deutschsprachigen Bildungseinrichtungen bei rund unter 10 Prozent, in der letzten Statistik der Brukenthalschule waren es 6,96 Prozent.

Fazit: Die deutschsprachigen Bildungseinrichtungen in Rumänien sind sehr gefragt, sie müssen einen guten oder sehr guten Ruf haben, denn auch in Rumänien sind Eltern, die an der Bildung ihrer Kinder interessiert sind, sehr wählerisch.

Walter König

Schlagwörter: Siebenbürgen, Schule, Kindergarten

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