12. Juli 2012

Nürnberger Aussiedlerkulturtage 2012 mit viel Polit-Prominenz

„Fränkisch? Gerne!“, lautete die Antwort aller Gruppenleiter, die gemeinsam und landsmannschaftlich übergreifend etwas Fränkisches erarbeiten sollten. Die diesjährigen Aussiedlerkulturtage unter dem Motto „Vereint sind wir bunt!“ waren vielseitig und schlugen wieder „Brücken zwischen Alt und Jung, zwischen Tradition und Moderne“, wie die Nürnberger Stadträtin Gabriele Penzkofer-Röhrl, Vertreterin des Schirmherrn Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, in ihrem Grußwort hervorhob. Dass ein fränkischer Chor vor einem Publikum von rund 500 Gästen ein siebenbürgisch-sächsisches Lied sang, passte wunderbar und schon fast selbstverständlich ins Bild.
Am ersten Tag, der traditionsgemäß im Haus der Heimat stattfindet, boten sich Freitagabend den Ehrengästen wieder Anlässe, um die Arbeit der Aussiedler zu würdigen. Schon die 14-jährigen Zwillinge Bianca und Patrick Schummer, die auf ihren Trompeten einleitend den Triumphmarsch aus der Oper „Aida“ von Giuseppe Verdi schmetterten, und die außerdem seit zehn Jahren in der Trachtentanzgruppe der Banater Schwaben tanzen, beeindruckten die SPD-Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger. Sie lobte die Vielfalt im kulturellen Angebot der Aussiedler und schloss mit den Worten: „Ich muss immer wieder staunen, wie intensiv und begeistert Ihre Kultur gezeigt wird!“. Stadtrat Max Höffkes (CSU) attestierte dem Haus der Heimat, „einen integralen Bestandteil der Stadtgesellschaft darzustellen“, und betonte: „Wir wollen die Vielfalt, aber alles ausgewogen!“ Stadtrat Prof. Dr. Hartmut Beck (Freie Wähler) sieht das Haus der Heimat als „echtes Kulturzentrum des großen Stadtteils Langwasser, da nicht nur die Zuwanderer, sondern auch die Einheimischen herkommen“. Einer der prominentesten „Langwasseraner“ war der Referent des Abends, Siegfried Kett, u.a. langjähriger Leiter des Bildungszentrums Nürnberg, der jahrzehntelang die Bildungs- und Kulturpolitik der Stadt Nürnberg mitgeprägt hat. Kett initiierte 2007 in Langwasser ein Projekt zur Sichtbarmachung der Geschichte dieses Stadtteils („so groß wie Liechtenstein“) in Ausstellungen, einer Geschichtswerkstatt, durch Führungen, ein Filmprojekt und Vorträge.

Sein hervorragend recherchierter, strukturierter und bebilderter Vortrag zur Geschichte Langwassers war der Höhepunkt der „kulturellen Leckerbissen“, die Horst Göbbel, Vorsitzender des Hauses der Heimat, in seiner Begrüßung angekündigt hatte. Vom Begriff Heimat, den der Schriftsteller und Banater Schwabe Richard Wagner u.a. als „Heimat ist Ort und Zeit in einem, sie ist angehaltene Vergänglichkeit“ definiert, schlug Göbbel den Bogen zu den Aussiedlern, die man immer weniger als solche erkenne, was Stadtrat Thomas Schrollinger (ÖDP) aufgriff und kommentierte: „… das kann zeigen, dass ein Miteinander inzwischen da ist“. Angeregt von Siegfried Kett, hatte die Geschäftsleiterin des Hauses der Heimat, Doris Hutter, die auch durch das Programm führte, ihr „HdH-Langwasser-Lied“ im Vorfeld so ausgearbeitet, dass es eine Zusammenfassung des Vortrags wurde, als es vom Publikum zur Melodie des Frankenliedes, begleitet von Trompeten, gesungen wurde. Der Abend wurde von Bianca und Patrick Schummer auch am Klavier mit Stücken von Ludwig van Beethoven und Muzio Clementi umrahmt, durch die Aquarelle in der Ausstellung „Malerisches Franken“ von Adolf Kroner (geboren in Schäßburg, gestorben in Fürth) bereichert und mit guten Gesprächen bei einem echt fränkischen Imbiss beendet.

Den zweiten Tag, den Samstag, eröffnete im Gemeinschaftshaus Nürnberg-Langwasser stimmungsvoll die Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg unter der Leitung von Michael Bielz. Die Ehrengäste begrüßte charmant Inge Alzner, die Vorsitzende des Nürnberger Kreisverbands der Siebenbürger Sachsen, wobei sie, das Motto aufgreifend, betonte: „Wir brauchen eine Vielfalt an kulturellen Angeboten und besonders eine Kultur des Erinnerns ... Unsere anstrengende Spaßgesellschaft verwirrt, verführt, gefährdet uns. Von unzähligen Generationen erprobtes Gemeinschaftsleben dagegen bietet uns Halt, gibt uns Sicherheit, stabilisiert unser seelisches Befinden. So wie die Aussiedlerkulturtage, die uns miteinander vereinen.“

Bürgermeister Horst Förther (SPD) würdigte die positive Entwicklung der Integration von Aussiedlern und freute sich über die fast 200 Jugendlichen, die in verschiedenen Formationen auftraten. Der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Freller schwärmte erst vom Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl, wo ihn besonders die Heimatverbundenheit beeindruckt hatte, und rief dann mit Blick auf so viele junge Menschen im Saal: „Was kann man sich mehr wünschen, als dass die Kultur von den Kindern weiter getragen wird!“ Bezirksrat Peter Daniel Forster (CSU) überbrachte die Grüße des Bezirks Mittelfranken und gratulierte den Aussiedlern zu „viel ehrenamtlichem Einsatz … Ihrer überaus lebendigen Kultur und bisher erbrachten Leistungen. Machen Sie bitte weiter so!“ Waldemar Eisenbraun, Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Landesverband Bayern, freute sich, so viele Russlanddeutsche aktiv zu sehen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser, Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, beantwortete die Frage, wann Integration abgeschlossen sei: „Dann, wenn so was wie heute selbstverständlich ist! Wenn ein Franke sagen kann: ‚Gehst mal wieder zu den Aussiedlerkulturtagen, damit du fränkische Tänze sehen kannst!’ Dann fühle ich mich bei Ihnen zu Hause. Herzlichen Dank!“ Dagmar Wöhrl, MdB (CSU), griff diese Erkenntnisse auf: „Michi, was hältst du davon, wenn wir zwei nächstes Jahr mitmachen?!“ Frieser stimmte sofort zu und Forster verriet ihnen, wo sie fränkische Trachten besorgen könnten. Wöhrl dankte explizit den Eltern für ihr Engagement und schloss mit den Worten: „Kultur verbindet. Und was ist wichtiger, als unsere Kinder in diese Kultur mit einzubinden!“
Aussiedlerkulturtage in Nürnberg: Die Trachten ...
Aussiedlerkulturtage in Nürnberg: Die Trachten der Nürnberger Nadescher Tanzgruppe, der Russlanddeutschen, der siebenbürgisch-sächsischen Jugendtanzgruppe und der Banater Schwaben (von links) werden vorgestellt. Foto: Doris Hutter
Richtig fränkisch ging es an diesem Nachmittag aber auch zu: Die Nürnberger Volkstanzgruppen der Siebenbürger Sachsen (Leitung der Nadescher Trachtentanzgruppe: Dieter Altstädter, der Jugendtanzgruppe Nürnberg: Stephanie Kepp), Banater Schwaben und der Tanzschule des Russlanddeutschen Franz Hof hatten im Vorfeld in einem Seminar die fränkischen Tänze „Stampfer“, „Kuckuckspolka“, „Schlamperer“ und „Gergla“ gelernt, die sie, jede/r in der eigenen Tracht, gemeinsam aufführten. Vorher hatte Karline Folkendt, die in ihrer siebenbürgisch-sächsischen Tracht souverän durch das Programm führte und zwischendurch auch mittanzte, die Trachten der Tänzer vorgestellt. Auch die Nürnberger Kindertanzgruppen hatten sich zu einem Seminar getroffen und unter der Leitung von Annette Folkendt den Tanz „Kieler Sprotten“ gelernt. Sie traten auch gemeinsam auf, die Kinder der Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Russlanddeutschen. Außerdem sangen fünf Jugend- und Kindergesangsgruppen des Hauses der Heimat (HdH), also rund 30 Jugendliche, gemeinsam „Kalinka“ und „Mister Saxobeat“, und es traten fünf HdH-HipHop-Gruppen (rund 50 Jugendliche) auf, alle mit Wurzeln in den GUS-Staaten und Mitglieder der Tanzgruppe „White Shadows“. Die Fortgeschrittenen begeisterten auch mit dem „Admiralwalzer“, bei dem Lehrer und Schüler gemeinsam auftraten. Der Chor „Heimatklänge“ der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sang zusammen mit dem Fürther Chor der Siebenbürger Sachsen (Leitung Rosel Potoradi) „Im schönsten Wiesengrunde“ und das Frankenlied. Im Gegenzug erntete die Chorgemeinschaft des Bürgervereins Langwasser (Leitung Robert Schad) großen Applaus für das sächsisch gesungene Lied „Äm Hontertstroch“ und präsentierte danach das Quodlibet „Es wollt ein Jägerlein jagen“. Passend zum harmonischen Miteinander der vielen Gruppen erklang zum Schluss, vom ganzen Saal gesungen, „Kein schöner Land“.

Der Gottesdienst am Sonntag in der katholischen Kirche Hl. Dreifaltigkeit wurde von 62 Trachtenträgern der Banater Schwaben, Oberschlesier, Russlanddeutschen, Siebenbürger Sachsen und Zipser umrahmt. Die Aussiedlerkulturtage endeten mit einem von den Oberschlesiern organisierten Sektempfang für alle Kirchgänger und einem gemütlichen Beisammensein vor der Kirche zu den Klängen der Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg. In Vertretung des Schirmherrn Dr. Ulrich Maly sprach Stadträtin Aliki Alesik (CSU) im Beisein der Stadträtinnen Monika Krannich-Pöhler (Grüne) und Helmine Buchsbaum (CSU) ein zur Vielfalt der Trachten passendes Grußwort, wonach die Trachtenträger den traditionellen Aufmarsch und damit ihre wertvollen Trachten vorführten. Doris Hutter, in deren Händen die Gesamtorganisation der Aussiedlerkulturtage lag, dankte allen Teilnehmern und bat sie, nicht nachzulassen in der Pflege ihrer nach Deutschland mitgebrachten Traditionen.

Doris Hutter

Schlagwörter: Nürnberg, Aussiedler

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